Erbbauer als Traumberuf

 Anton Kostenzer
Anton Kostenzer(c) Presse Digital
  • Drucken

Mindestens 200 Jahre muss ein Tiroler Hof in Familienbesitz sein, um "Erbhof" werden zu können. Viele würden den Titel gerne tragen - gelingen tut es nur wenigen.

Die schwere Holztüre steht einen Spalt offen. Dahinter verbirgt sich ein dunkles Zimmer. Die Holzdecke ist beinahe schwarz, löchrig - und verzogen. Der hintere Teil des Hauses war vor Jahren morsch geworden und im Hang eingesunken. An den Brettern haben sich Würmer zu schaffen gemacht. Die umstehenden Möbel sind handgeschnitzt und -bemalt. Abgewetzte Holzstufen deuten den Weg ins Obergeschoss an. Von der linken Seite her fällt Licht in den Raum - durch eine Glastüre, die zur Küche führt. Dort sitzt der Hausherr, Anton Kostenzer, am Esstisch. Vor ihm steht eine Schüssel mit „Kirchl und Öpfömuas" - Bauernkrapfen und Apfelmus.

„Nimm da wos", lädt er zum Mitessen ein - und beginnt zu erzählen: Seit seiner Geburt lebt er auf dem Weikart-Hof, etwas oberhalb der Alpbacher Ache mit Blick auf des Wiedersbergerhorn. „Die Stub'n und das Haus sind aber weit älter als ich", sagt der zehnfache Vater, der am 27. August seinen 65. Geburtstag feiert. In den Besitz seiner Vorfahren war der Hof gegen 1700 gekommen. Damals kaufte Oswald Margreiter das Gut zu Weikarstatt. Als er 1728 verstarb, erbten seine Frau Maria und die gemeinsamen vier Kinder die Wirtschaft. Im Laufe der Jahre wuchs der Hof an, um 1800 gehörten eine Back-, eine Badstube, zwei Ställe, fünf Stadel und eine halbe Hausmühle zum Gehöft.

Bauer in achter Generation

„Wir waren immer Milchbauern", sagt Kostenzer. „Derzeit habe ich 20 Kühe auf der Weide, jeden Tag bin ich auf der Alm, übernachte auch oben." Nur zum Mittagessen kommt er ins Tal. „Wir haben nie groß ausgebaut, nur 1976 habe ich den Stall neu gemacht, sonst ist alles alt", erzählt er. Derzeit sei der Hof schuldenfrei, doch seine Vorfahren hätten auch schwierigere Zeiten erlebt. „Wir waren immer eine große Familie. Die Geschwister, die weg heirateten, bekamen einiges an Mitgift - manchmal so viel, dass der junge Bauer es fast nicht mehr dablasen hat", erzählt Kostenzer, der den Hof seit 1971 führt - in achter Generation.

„Bald wird es die Neunte", sagt der Altbauer, während er seinen Hund Meilo streichelt. „Mein Ältester, Thomas, wird nächstes Jahr übernehmen. Er ist jetzt schon Pächter", erzählt er. „Und wir beide gehen dann mit der Motorsäge schnitzen", wendet er sich an den Beagle zu seiner Linken. Auch diesen hat der künftige Pensionist schon in Holz nachgeformt. „Ich mag es nicht, wenn es lange dauert", sagt er und beschreibt sein derzeitiges Lieblingswerk: einen Oktopus. Die dafür nötige Wurzel hatte das letzte Unwetter den Bach herunter geschwemmt.

Vom Stall in die Sauna

Weniger ausgefallen ist die Freizeitbeschäftigung von Michael Margreiter: Er wandert - und „putzt" Wanderwege. „Bei uns gibt es mehrere Vereine, die dafür sorgen, dass die Bergwege ausgeschnitten sind, damit Einheimische und Touristen hürdenfrei auf die Gipfel kommen", erzählt er. Hauptberuflich ist er Milchbauer, daneben arbeitet er beim Maschinenring. Außerdem bietet er „Urlaub am Bauernhof" an - in der luxuriöseren Variante. „Wir haben Saunen und Infrarotkabinen", erzählt seine Gattin Hildegard. „Für die Kinder gibt es einen Streichelzoo", sagt die gelernte Schneiderin, die für die in Alpbach gedrehte Fernsehserie „Wildbach" einst die Kostüme fertigte.

Michael und Hildegard Margreiter
Michael und Hildegard Margreiter(c) Presse Digital

Anders als Kostenzer kann das Paar nicht allein von seinen Kühen leben. „Der Tourismus ist wichtig für uns", sagt Margreiter. Auch Teilnehmer am Europäischen Forum Alpbach wählen immer wieder den Stoffen-Hof als Bleibe oder zumindest als Kulisse für Erinnerungsfotos. „Unsere Stube und ein Teil der Außenwand stammen noch aus der Zeit um 1630", sagt der dreifache Vater. In Familienbesitz ist das Gebäude seit dem Jahr 1675, in die Liste der Erbhöfe wurde es 1935 aufgenommen. In Alpbach gibt es laut einer Aufstellung der Tiroler Landesregierung aktuell 22 Erbhöfe.

„Auch wenn es uns keine wirtschaftlichen Vorteile bringt, so ist man einfach stolz, dass die eigene Familie über die Jahre hinweg nie das eigene Haus aufgeben musste", sagt Margreiter. Zugleich erhöhe es aber auch den Druck, da man nicht der letzte Erbbauer der Familie sein möchte. Dass dieses Szenario eintritt, scheint derzeit allerdings nicht wahrscheinlich: „Alle Kinder haben Interesse an unserem Hof - jeder will Erbbauer sein."

Erbbauernhof

Nach dem Tiroler Erbhofgesetz versteht man unter einem Erbhof landwirtschaftliche Besitzungen, die 1) für den Unterhalt einer Familie hinreichen, 2) mit einem Wohnhaus versehen sind, 3) seit mindestens 200 Jahren innerhalb derselben Familie in gerader Linie [Eltern, Großeltern etc., Anm.] oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad [Geschwister, Anm.] von Todes wegen oder durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden übertragen worden sind und 4) vom Eigentümer selbst bewohnt und bewirtschaftet werden. Um Erbbauer zu werden, muss ein entsprechender Antrag gestellt werden. Die von Bauern beigebrachten Nachweise werden von der Tiroler Landesregierung bzw. dem Tiroler Landesarchiv unter anderem anhand von Matrikenbüchern überprüft.

Die Verleihung des Rechts, die Bezeichnung „Erbhof“ zu führen, erfolgt in Tirol durch den Landeshauptmann am „Hohen Frauentag“, sagt Rechtsanwalt Wolfgang Gappmayer. Dabei wird Bauern eine Urkunde und eine Tafel ausgehändigt. Außerdem kann angesucht werden, dass das Wort „Erbhof“ in das Grundbuch aufgenommen wird, so der Agrarrechtsexperte. Generell kann ein Erbhof auch umgebaut werden. „Zu Beschränkungen kann es hier aber freilich durch das Denkmalschutzrecht und andere Materiengesetze kommen“, so Gappmayer.

>>> Liste der Tiroler Erbbauernhöfe

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Traumberuf Erbbauer

Zwei Männer und ihr Gehöft


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.