Business in den Bergen, Heilung im Garten

Themenbild
Themenbildwww.BilderBox.com
  • Drucken

Naturnutzung. Landschaft, Pflanzen und Tiere können auch über Landwirtschaft und herkömmlichen Tourismus hinaus für den Menschen von Wert sein. Zwei neue Masterstudien loten diese Möglichkeiten aus.

Ländliche Entwicklung“ ist eines von acht Themenfeldern, denen die Vereinten Nationen während der Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ besonderes Augenmerk widmeten. Auch wenn die 2005 ausgerufene UN-Dekade heuer zu Ende geht, bleibt das Thema aktuell. Im Bereich der Studienangebote findet es gerade erst seinen Niederschlag.

So fällt in einem Monat der Startschuss für das internationale, fächer- und länderübergreifende Masterstudium „Umweltmanagement in Bergregionen“ („Environmental Management of Mountain Areas“ – EMMA) der Universitäten von Innsbruck und Bozen. Da man in Forschung und Lehre auf die Ressourcen beider Institutionen zurückgreifen könne, sei das neue Studium auf großes Interesse gestoßen, sagt Ulrike Tappeiner, Dekanin für Biologie an der Universität Innsbruck. „Wir haben versucht, die Informationen über internationale Kanäle möglichst breit zu streuen, und hoffen auf viele Studierende von außerhalb.“

Ökologie und Ökonomie

Die internationale Ausrichtung des Studiums zeigt sich daran, dass 25 Studienplätze pro Jahr für EU-Bürger und weitere zehn für Nicht-EU-Bürger vorgesehen sind und die Vorlesungen – bis auf einzelne Wahlfächer – in Englisch abgehalten werden.

Die Studierenden werden auf das Berufsbild der Agronomen und Forstwirte vorbereitet, sollten aber durch ihre Qualifikation auch neue Arbeitsmöglichkeiten finden: Analyse und Monitoring von Bergökosystemen, Nachhaltigkeitsmanagement, Ökozertifizierungen, Umweltverträglichkeitsstudien, Entwicklungspläne und Evaluierung natürlicher hydrologischer Gefahren in Berggebieten sind nur einige Schlagwörter.

Das Studium sei anhand einer umfangreichen Befragung von potenziellen Arbeitgebern und Interessensvertretern konzipiert worden, sagt Tappeiner. Zudem solle die interdisziplinäre Ausbildung (neben den ökologischen Fächern im engeren Sinn sind beispielsweise auch Module zu Umweltökonomik, Umweltrecht, Landschaftsplanung, nachhaltigem Tourismus und regionalen Produkten vorgesehen) die Fähigkeit einer interdisziplinären Kommunikation fördern. „Regionale Entwicklung umfasst heute ökonomische, soziale und Umweltaspekte. Die verschiedenen ,Sprachen‘ der jeweiligen Spezialisten zu verstehen und dazwischen vermitteln zu können, ist eines der Ausbildungsziele. Jobs sehen wir vor allem im Planungssektor, in der Regionalentwicklung sowie im Bildungsbereich und eventuell in der Entwicklungshilfe.“ Das erste Studienjahr des Double-Degree-Masters wird in Bozen, das zweite in Innsbruck absolviert. Neue Bewerbungen sind für das Studienjahr 2015/16 möglich.

Natur als Motivator

Ein ebenfalls interdisziplinäres Studienangebot für Personen, die im Therapie- oder Beratungsbereich tätig werden möchten, hat seit Kurzem die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien. „Green Care“ nennt sich das Masterstudium, was in etwa mit „Tier- oder pflanzengestützte Therapie“ zu übersetzen ist. Menschen in physischen und psychischen Krisensituationen mithilfe der Natur weiterhelfen zu können, klingt plausibel und erfordert zugleich eine profunde Ausbildung. Rektor Thomas Haase, der in der Green-Care-Ausbildung auf eine Partnerschaft mit dem Geriatriezentrum Am Wienerwald (Patientenbetreuung) und mit dem Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung (Tiertraining) setzt, ist von dem Konzept überzeugt: „Wenn man sieht, wie es Leuten aus Pflegeheimen in der Gartentherapie geht, wie sie beispielsweise beim Hochbinden einer Paradeiserpflanze neue Ziele sehen, neue Motivation bekommen, weiß man, dass dieser Zugang funktioniert.“

Green Care entstammt dem angloamerikanischen Raum. Klinische Studien dazu wurden zum Beispiel im Botanischen Garten von New York betrieben. An der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik wird Green Care, einzigartig in ganz Mitteleuropa, im Rahmen eines dreijährigen, berufsbegleitenden Masterstudiums gelehrt – keine Selbstverständlichkeit für eine Institution, die auf Aus- und Weiterbildungen für Pädagogen im land- und forstwirtschaftlichen Bereich spezialisiert ist. Die Green-Care-Ausrichtung der Hochschule hat sich bereits vor zehn Jahren entwickelt, von ersten kleineren Therapieprojekten mit Geriatriepatienten in den Gartenanlagen der Hochschule über die Entwicklung eines Universitätslehrgangs für Gartentherapie bis zu dem seit eineinhalb Jahren laufenden Masterlehrgang und der Herausgabe einer Zeitschrift.

Der Lehrgang ist kostenpflichtig und berufsbegleitend konzipiert und wird mit dem Master of Science (MSc) abgeschlossen. Die für ein Masterstudium lange Studienzeit von drei Jahren sei zum einen der generellen Komplexität therapeutischer Ausbildung geschuldet, sagt Haase, zum anderen der Schulung im Tiertraining in Kleinstgruppen. Gearbeitet wird dabei mit Ziegen, Schafen und Rindern, aber auch mit Schnecken oder Fischen.

Der derzeit laufende erste Green-Care-Jahrgang sei – dem Profil des Studiums entsprechend – interdisziplinär zusammengesetzt, sagt Haase. Zu je einem Drittel sind darin Mediziner und Therapeuten, Gartenbau- und Gartengestaltungsexperten sowie Pädagogen vertreten. Der nächste Green-Care-Lehrgang startet im November.

Web:www.agrarumweltpaedagogik.ac.at


www.uibk.ac.at/studium/angebot

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.