Botschaften für die Ewigkeit

Freskomalerei
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Wie Menschen in der Antike feierten, wurde oft auf Gräbern dargestellt. Forscher berücksichtigen nun in ihrer Deutung auch den kulturellen Hintergrund.

Grabmäler erzählen Geschichten. Oft sagen Fakten zu Geburt und Tod aber weniger über eine Person aus als Bilder. Während der Grabstein des Architekten Adolf Loos auf dem Wiener Zentralfriedhof etwa nur den Vor- und Zunamen verrät, ist beim Grab des Jazzmusikers Fatty George die Berufung sofort klar: Hier prangt ein großes Foto, das ihn bei einem Auftritt zeigt.

Die Kraft der Bilder wurde allerdings schon in der Antike zur Selbstdarstellung über den Tod hinaus genutzt. Damals war das Bankettmotiv weit verbreitet. Je nach Kulturlandschaft fand es mehr oder weniger stark Eingang in die Sepulkralkunst, also jener Kunst, die das Grabmal betrifft. Solche Bankettszenen, wo vorrangig Männer, ob allein oder in Gesellschaft, in festlicher Umgebung beisammensaßen und gemeinsam speisten und tranken, vermittelten Botschaften, die über das hinausreichen, was aus heutiger Sicht offensichtlich ist.

In einem mehrjährigen und vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojekt haben die Etruskologin Petra Amann vom Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Uni Wien und der Archäologe Peter Ruggendorfer vom Institut für Kulturgeschichte der Antike der Österreichischen Akademie der Wissenschaften deren Deutung um einen wesentlichen Aspekt bereichert. „Wir stellten erstmals kulturübergreifende Zusammenhänge her und bezogen den sozialen, religiösen und kulturellen Hintergrund der sogenannten ,Randzonen‘ der antiken Welt mit ein“, so Amann.

Griechisches Vorbild

Das griechische Vorbild sei für die Darstellung von Bankettszenen zwar zentral gewesen, in den einzelnen antiken Kulturlandschaften habe man daraus jedoch etwas Eigenes gemacht. Dadurch veränderte sich die Bildbotschaft der Bankettszenen. Darauf sei in der Forschung vorher kaum eingegangen worden, dominiert habe eine gräkozentrische Sichtweise. Das heißt: Eine für das griechische Mutterland gültige Interpretation wurde auf andere Kulturlandschaften – etwa Etrurien im heutigen Mittelitalien oder Lykien, dem zu Vorderasien zählenden Teil der heutigen Türkei – übertragen.

Als Beispiel dafür nennt Amann die Darstellung von Frauen. In der Alltagswelt der griechischen Vasenmalerei wurden ehrbare Ehefrauen bei Symposien nicht abgebildet. Bei den anwesenden, häufig liegenden Frauen handelte es sich um ausgebildete Prostituierte – Hetären, die die Männer unterhielten. In Etrurien wurden die Bildmuster der griechischen Bankettszenen zwar übernommen, „die liegenden Frauen waren in der Regel aber Ehefrauen“, sagt die Historikerin.

In dem von Amann geleiteten Forschungsprojekt „Bankett und Grab. Vergleichende Untersuchung zu einem zentralen Bildthema der Sepulkralkunst und den damit verbundenen Wertvorstellungen im etrusko-italischen, mutterlandlandgriechisch-kleinasiatischen sowie levantinisch-vorderasiatischen Raum (8.–3. Jahrhundert vor Christus)“ entwickelte das Team eine erste Typologisierung antiker Bankettszenen, die nun zwischen Einzel-, Paar-, Familien- und Kollektivbankett unterscheidet. Warum bei Grabmälern in Lykien häufig Familienbankette dargestellt sind, das Bankettmotiv im griechischen Mutterland zwar auf Vasen und im Votivbereich, aber kaum im Grabkontext existiert und weshalb dieses Motiv in Etrurien mehrheitlich gerade dort vorkommt, hängt offenbar stark mit der jeweiligen Gesellschaftsordnung zusammen.

Im gesellschaftlich stark hierarchisch strukturierten Etrurien, wo Bankettszenen besonders häufig im Grabkontext vorkommen, vermittelten diese Darstellungen laut Amann „die Botschaft einer friedlichen, wohlhabenden Existenz und zeigten, dass man zu einer höheren sozialen Schicht zählte“. In der Grabkunst ging es in erster Linie um Selbstdarstellung und Selbstdefinition, da man davon ausging, dass einen im Jenseits dieselbe soziale Position erwartet wie im Diesseits.

Im klassischen Athen, wo eine demokratische Gesellschaftsordnung herrschte, hatten Bankettszenen bei Gräbern wiederum kaum eine Bedeutung. „Das liegt daran, dass alle männlichen Athener Vollbürger und damit mit denselben politischen Rechten ausgestattet waren. Da alle – mit Ausnahme von Frauen, Sklaven und Nichtgriechen – gleich waren, definierte man sich über die Rolle des Individuums in der Gemeinschaft, etwa Krieger, alter Mann oder bei Frauen über die Mutterrolle“ erklärt die Etruskologin.

In Lykien, einer Monarchie, kam das Familienbankett häufig vor. Für jene Mitglieder der gehobenen Schicht, die dort nicht dem engsten höfischen Kreis angehörten, war dies die geeignete Form der Selbstdarstellung, weshalb sich ehrbare Männer in Form des Familienbanketts, also samt Ehefrau und kleinen Kindern, abbilden ließen.

Die zwischen 2009 und 2013 im Projekt von den Forschern erstellte Datenbank umfasst rund 800 detaillierte Einträge. „Mit unserer Typologie gelang es uns, grobe Linien zu erstellen, die sich auch auf andere Bereiche umlegen lassen“, so Amann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2014)

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