Comme des Garçons: Markenspagat

(c) Comme des Garçons
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Auf der einen Seite geht das japanische Modelabel Comme des Garçons eine Kooperation mit Louis Vuitton ein, auf der anderen turtelt es mit H&M. Das wirft die Fragen auf: Was bringt das? Und wem?

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Mode scheint schon aus Prinzip in einem Dauerdilemma zu stecken. Das Gleichgewicht zwischen Kreativität und einem guten Geschäft ist in den seltensten Fällen ausgelotet. Ist etwas zu kreativ, verkauft es sich nicht, verkauft es sich, fehlt es oft am Design-Anspruch.

Um Kreativität und Business anzunähern, wird verkuppelt, was das Zeug hält. Kooperationen werden eingegangen und Designer auf Austausch geschickt. Zwei Kooperationen stechen dabei besonders ins Auge. High-End-Luxus von Louis Vuitton trifft auf Mode-Avantgarde, die wiederum mit dem Massenmarkt von H&M eine temporäre Affaire eingeht. Und bei beiden spielt das japanische Avantgarde-Label Comme des Garçons rund um Frontfrau Rei Kawakubo die zentrale Rolle. Was passiert also, wenn zwei scheinbar so gegensätzliche Welten ein gemeinsames Ding machen? Wer profitiert von wem und wieso macht man das überhaupt?

Mode für den Intellekt. Glaubt man Rei Kawakubo, geht es ihr dabei um alles mögliche, nur nicht um ökonomische Hintergründe. Es ist das Neue, das Unerwartete, das sie immer noch reizt. Denn seit sie 1969 das Label Comme des Garçons (franz.: „wie Buben“) in Tokio gründete, beschäftigt sie sich mit der radikalen Veränderung von Kleidung. Ihre Arbeit gleicht weniger einem Label als einem Universum, das in seiner Ganzheit dem eines Ralph Lauren nicht unähnlich ist. Als sie 1981 ihre erste Pret-à-porter-Show in Paris abhielt, hinterließ sie den Eindruck einer wilden Halluzination von Out of Space. Kleider hatten riesige Löcher und wurden von Tauen zusammengehalten. Akzeptierte Silhouetten wurden negiert und die gängige Idee von Schönheit schien wie weggewischt.

Kawakubos Schönheit spricht den Intellekt an, nicht den Körper. Ihre Schnitte sind ausgebeult, übergroß und asymmetrisch. Sie zerknittert Seide oder kocht Wolle so lange, bis sie wie ein Panzer wirkt. Ein Oberteil hat schon mal zwei Ausschnitte oder drei Ärmel. Eigentlich so etwas wie Anti-Mode. Unzufrieden ist die Designerin nur, wenn den Menschen ihre Kollektionen auf Anhieb gefallen. Dann hat sie nämlich das Gefühl, ihre Kundschaft nicht ausreichend gefordert zu haben. Doch die Mode als Teil eines Gesamtkonzeptes ging auf. Die öffentlichkeitsscheue Rei Kawakubo wird von ihren Anhängern wie eine Ikone verehrt und ist stolz darauf, sich einen Luxus nie geleistet zu haben: jenen, auf Grund zu schwacher Verkaufszahlen Handtaschen produzieren zu müssen.

West trifft Ost. Diese Aufgabe hat sie jetzt für Louis Vuitton erledigt.  Marc Jacobs, seines Zeichens Kreativdirektor der Edelmarke, begrüßt die Zusammenarbeit enthusiastisch und reiht sich auch gleich in die Garde der Verehrer ein. In einem offiziellen Statement spricht er davon, wie unmöglich es ist, dem immensen Einfluss Kawakubos auf die Mode zu entkommen.

Zum 30-jährigen Jubiläum von Louis Vuitton in Japan hat Kawakubo nun das LV-Logo äußerst dezent neu interpretiert, sechs exklusive Taschen designt, zwei davon neu interpretiert und den dreimonatigen Guerilla-Laden in Tokio auf das bekannteste Monogramm der Welt getrimmt. Kawakubos „Party-Bags“ haben zum Teil zwar mehrere Henkel, sind aber ansonsten völlig frei von Unverständlichkeiten. Für Louis Vuitton geht es beim Einkauf der Avantgarde in erster Linie um eines: Image. Selbst wenn die LV-Produkte höchster Qualität entsprechen, in der geschmacklichen Wahrnehmung wollen sie der Masse gefallen. Es spricht also durchaus für den französische Luxuswarenlieferanten, ausgerechnet in Japan, jenem Markt, in dem er die meisten seiner Produkte verkauft, in einem Anfall von „act local“ die bekannteste japanische Designerin für seine Zwecke zu engagieren. Yves Carcelle, Vorstand von Louis Vuitton, findet es wunderbar, diese beiden gegensätzlichen Welten miteinander zu vereinen. Für ihn bedeutet dieses Projekt einen neuen Zugang zu Luxus, und auch er wird nicht müde zu beteuern, dass das alles rein gar nichts mit Geld zu tun hat. Vor allem hofft man aber, ein paar Comme-Fans anzusprechen, die üblicherweise nicht bei Louis Vuitton einkaufen.

Geld und Ruhm. Für H&M ist die Sache mit dem Geld sicher nicht die vordergründige Motivation gewesen, mit Comme des Garçons eine Kooperation einzugehen. Muss sich der Textilriese aus Schweden sonst den Vorwurf einer Design-Kopiermaschine gefallen lassen, kann man mit einer derartigen Zusammenarbeit in Sachen Prestige punkten. Wichtige Designer, wie zuvor schon Lagerfeld, Stella McCartney oder Roberto Cavalli, arbeiten in diesen Fällen sozusagen freiwillig für den Konzern. Für H&M designt Kawakubo nun Frauen- und Männeroutfits, einige Teile für Kinder, Accessoires und ein Parfum. Im typischen Comme-Stil wird es ab Anfang November gepunktete Beinkleider für Männer oder Röcke im viktorianischen Stil für Damen geben. Das Straßenbild wird dieser Look vermutlich nicht dominieren. Dem Image von H&M schmeichelt es aber gewaltig.

Und Comme des Garçons gewinnt auf jeder Ebene. Flächendeckende Medienberichterstattung, das Label in aller Munde und ein extrem aufgebessertes Taschengeld. Obwohl es in Insiderkreisen immer heißt, Rei Kawakubo hätte mit ihrem Label zig Millionen verdienen können. Sie wollte es aber nicht. Wer weiß, vielleicht muss sie es jetzt.

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