Insolvenz: "Je früher die Anmeldung, desto besser"

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Die Zahlungsunfähigkeit muss noch nicht das Ende des Unternehmens bedeuten. Zur Vermeidung weiteren Schadens ist aber rasches Handeln gefragt – und gesetzlich vorgeschrieben.

Wie die eingetrübte Wirtschaftslage die Unternehmen erreicht, spiegelt sich unter anderem in der Anzahl der heimischen Insolvenzen wieder. Exakt 4103 Insolvenzen registrierte der Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870) in Österreich in den ersten neun Monaten des Jahres 2014 – ein Zuwachs von rund zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wie sollte sich ein Unternehmen im Rahmen des Verfahrens idealerweise verhalten?

1) Was versteht man unter einer Insolvenz und wann muss ein Unternehmen in Insolvenz gehen?

Ein Unternehmen ist de facto insolvent, wenn Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vorliegen. „Zahlungsunfähigkeit bedeutet, dass die fälligen Zahlungen nicht mehr geleistet werden können – im Unterschied zur Zahlungsstockung, bei der lediglich Rechnungen ein wenig später bezahlt werden. Von Überschuldung ist die Rede, wenn die Verbindlichkeiten höher sind als das Vermögen und es keine positive Fortbestandsprognose gibt“, erklärt Christian Marek von Marek Huber & Partner Steuerberatung.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist der Schuldner gesetzlich verpflichtet, unverzüglich, spätestens jedoch 60 Tage nach Eintreten der Zahlungsunfähigkeit, bei Gericht einen Insolvenzantrag zu stellen (zuständig sind in Wien das Handelsgericht und in den Bundesländern die Landesgerichte). Achtung: Wird diese Frist versäumt, haftet der Geschäftsführer persönlich.

2) Was spricht dafür oder dagegen, den Insolvenzantrag so früh wie möglich zu stellen?

„Bei der Antragstellung kann der Schuldner entscheiden, ob er ein Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung oder ein Konkursverfahren anstrebt. Damit es für eine Sanierung nicht zu spät ist, gilt: Je früher die Anmeldung, desto besser. So wird kein Geld mehr unnötig ,verbrannt‘“, erläutert Hans-Georg Kantner, Leiter Insolvenz KSV1870. Wird zu lange gewartet, verliert das Unternehmen noch mehr Substanz und auch der Schaden für die Gläubiger vergrößert sich.

3) Unter welchen Voraussetzungen kann ein Unternehmen trotz Insolvenz weitergeführt werden?

Grundsätzlich ist ein Insolvenzverwalter verpflichtet, das Unternehmen weiterzuführen. „Nur, wenn dadurch den Gläubigern eindeutig ein zusätzlicher Schaden entstehen würde, ist das Unternehmen zu schließen. Ist das Unternehmen hingegen ,überlebensfähig‘, dann hat jeder Schuldner 90 bis 100 Tage Zeit, um den Gläubigern ein fundiertes Sanierungsplanangebot vorzulegen“, so Kantner. Für die Weiterführung des Unternehmens sei Kapital notwendig, das von neuen Kapitalgebern oder den bisherigen Eigentümern zugeführt werden muss. „Ohne ausreichende Kapitaldeckung ist eine Weiterführung oder ein Neuanfang nicht anzuraten, da aufgrund der Insolvenz Vorauszahlungen bei Bestellungen anfallen und somit mehr Kapital notwendig ist, als wenn ein Unternehmen ,läuft‘“, gibt Marek zu bedenken.

4) Welche rechtlichen oder betriebswirtschaftlichen Fehler sind bei einer Insolvenz zu vermeiden?

Von rechtlicher Seite sind vor allem Insolvenzverschleppung (kein fristgerechter Antrag bei Gericht) und vorsätzliche Krida (betrügerische Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit) zu nennen. „Ebenso dürfen weder Gläubiger bevorzugt noch Gelder, die in der Krise vom Unternehmer zur Verfügung gestellt wurden, aus dem Unternehmen abgezogen werden“, so Marek.

Sobald ein Verfahren eröffnet wird, obliegt die operative Geschäftsführung dem Masseverwalter. Für weitere Fehler des Unternehmers ist kaum mehr Spielraum. Ausnahme: „Wenn es sich um ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung handelt, steht der Unternehmer weiter an der Spitze. Er arbeitet dann sozusagen unter Supervision weiter“, so Kantner. Die Gefahr hierbei ist, dass er die Lage falsch einschätzt und dementsprechend falsche Prognosen und Pläne erstellt. „Aber dazu gibt es den Sanierungsverwalter, der drei Wochen nach Eröffnung des Verfahrens eine fundierte Meinung dazu abgeben muss. Das kann dann dazu führen, dass die Eigenverwaltung entzogen wird und der Fall zu einem Konkursverfahren wird“, so Kantner. Was nicht zwangsläufig das Aus bedeutet. Es kann ein neuerlicher Anlauf für einen Sanierungsplan unternommen werden – jedoch mit mehr Vorlaufzeit und unter voller Einbindung des Masseverwalters.

INFORMATION

Das Insolvenzverfahren wurde mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 reformiert und damit für Schuldner attraktiver gestaltet. In dem reformierten Verfahren gibt es neben dem Konkursverfahren (Zerschlagung des Unternehmens) ein Sanierungsverfahren, das gegenüber dem früheren Ausgleichsverfahren wesentlich attraktiver ist. Dieses kann mit (30Prozent Eigenkapital-Mindestquote) oder ohne Eigenverwaltung (20 Prozent Mindestquote) ausgestaltet sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

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