Die gläsernen Stifter sitzen in der Falle

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Künftig soll jeder das Vermögen von Stiftungen einsehen können. Eine grobe Verletzung der Privatsphäre, warnen Juristen. Für die Begünstigten würden Stiftungen endgültig vom Segen zum Fluch. Denn heraus können sie nicht mehr.

Wien. Es ist alles eine Frage der Kultur: Wer in den USA zu Geld gekommen ist, lässt die Öffentlichkeit gerne wissen, wie viel er besitzt. In Österreich sind Vermögensverhältnisse meist ein gut gehütetes Geheimnis. Als Regel gilt: je reicher, desto diskreter. Vermögende weichen damit schiefen Blicken, Neid und Missgunst aus. Vor allem Stiftungen, der übliche Hort größerer Besitztümer, sind hierzulande ein negativ besetztes Reizthema.

Vor diesem Hintergrund gewinnt ein gut versteckter Passus, den die Arbeiterkammer in ein Sammelgesetz hineinreklamiert hat, ungeahnte Brisanz: Privatstiftungen, die Unternehmensanteile halten, müssen demnach künftig ihren Jahresabschluss im Firmenbuch offenlegen, genau wie Kapitalgesellschaften. Die Folgen: Auch jedes Grundstück und jedes Sparbuch, all das, was Begünstigte gemeinsam besitzen, wäre für Jedermann einsichtig – die gläserne Stiftung am Silbertablett.

FMA für Offenlegung

„Das gibt es für keinen anderen Staatsbürger“, klagt Christoph Kraus, Leiter des Stiftungsverbands. Und Rechtsanwalt MaxEiselsberg, der für die Interessenvertretung eine Stellungnahme für das Begutachtungsverfahren geschrieben hat, sieht darin einen „Eingriff in die Privatsphäre“, der „nicht unserer Rechtsordnung entspricht“.

Die Änderung würde die meisten der rund 3.200 Privatstiftungen in Österreich betreffen. 70 Prozent ihres Vermögens sind Anteile an Firmen, meist das vom Stifter aufgebaute Familienunternehmen. Daneben halten sie Immobilien (20 Prozent) und Finanzanlagen (zehn Prozent). Die Streuung ist typisch und notwendig, um immer liquide zu sein: Vorstände und Prüfer kosten, Begünstigte wollen Ausschüttungen – auch in Jahren, wo das Unternehmen nichts abwirft.

Das Argument des Juristen Eiselsberg: Im Gegensatz zur GmbH oder AG sei eine Stiftung reine Privatsache – ohne Gläubiger, ohne Haftungen, ohne Aktionäre. Damit bestehe auch kein allgemeines Interesse an der Offenlegung: „Wenn ich als Privatmann OMV-Aktien besitze, muss ich ja auch nicht einen konsolidierten Jahresabschluss veröffentlichen.“ Für VerbandschefKraus ist der einzige legitime Interessent der Fiskus, für den heute schon „alles transparent ist“. Damit sei die Forderung „rein populistisch“, nach dem Motto: „Schaut her, was die haben!“

Die Stellungnahme ist aber nicht die einzige geblieben. Die Finanzmarktaufsicht begrüßt die Offenlegungspflicht. Die Aufseher sehen Stiftungen wie eine Konzernspitze. Sie hoffen, sich ein besseres Bild über „gruppeninterne Transaktionen“ machen zu können, die Ergebnisse der Firmen verzerren können. Für Eiselsberg ist das ein Irrtum: Eine „bewusste Ergebnissteuerung“, etwa durch Management- und Lizenzverträge oder versteckte Fremdfinanzierung, sei Stiftungen ohnehin nicht erlaubt.

Auch die Politik ist gespalten: Die SPÖ will die Offenlegungspflicht, die ÖVP lehnt sie ab. Die Begutachtungsfrist ist am Dienstag abgelaufen. Bis zum Jahreswechsel muss die Novelle mit dem sperrigen Titel „Rechnungslegungsänderungsgesetz 2014“ jedenfalls stehen, weil sie in anderen Teilen eine EU-Richtlinie umsetzt.

Wahre Werte unbekannt

Was für Stifter einst segensreich war, würde damit endgültig zum Fluch. Als der damalige SPÖ-Finanzminister Lacina die Privatstiftung 1992 „erfand“, konnte man mit ihr noch Erbschafts- und Schenkungssteuer sparen. Das zog auch Vermögen aus dem Ausland an und führte zum Boom. Zwischen 80 und 100 Mrd. Euro stehen heute in ihren Büchern. Genauer ist der Wert laut Finanzministerium nicht zu haben. Die Grünen wittern dahinter eine Verschleierung. Ihr Budgetsprecher Bruno Rossmann hat deshalb schon zwei parlamentarische Anfragen gestellt. Jedenfalls ist die wahre Summe durch stille Reserven der Firmen noch deutlich höher.

Dabei sind die steuerlichen Vorteile längst dahingeschmolzen. Seit 2008 die Erbschafts- und Schenkungssteuer fiel, sind Stiftungen sogar in Summe benachteiligt. Wer aber sein Vermögen herausholt, zahlt volle Länge Steuer – was Juristen die Mausefalle nennen. Vollends schnappt sie bei der Auflösung der Stiftung zu. Allenfalls lassen sich Stiftungen entleeren, wenn Stifter oder Begünstigte auswandern oder eine Substiftung in Liechtenstein gründen. Da zu solch radikalen Lösungen nicht viele greifen, bleiben die Privatstiftungen Österreich vorerst erhalten – womöglich gar in gläserner Form.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2014)

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