Generation Y: Was die Jugendlichen ausmacht

Teenager in einer Strassenbahn
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Noch nie war die Jugend so gut ausgebildet wie heute. Dafür stehen junge Menschen unter Druck wie kaum eine Generation vor ihnen.

Sie haben viele Namen, die meisten haben sich freilich Menschen ausgedacht, die gar nicht mehr dazugehören: Digital Natives nennt man die Jugendlichen etwa, weil sie die erste Generation darstellen, die mit moderner Technologie, dem Internet und der Allzeit-Erreichbarkeit über diverse Kanäle aufgewachsen sind. Millennials, weil sie um die Jahrtausendwende geboren wurden oder schon im Teenageralter waren. Oder, weniger schmeichelhaft vielleicht, Generation Ego, wie ein aktueller Buchtitel sie beschreibt.

Auch wenn man die Jugendlichen nicht allesamt in einen Topf werfen kann, ja, die jungen Menschen noch nie so eine heterogene Gruppe waren wie heute, gibt es doch vieles, was sie eint. Etwa, dass die heutigen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen in wenig unbeschwerten Zeiten groß geworden sind: Für die GenerationY (noch so eine Bezeichnung!), die etwa von 1990 bis 2010 im Jugendalter war und die nachfolgende GenerationZ (für die wohl noch ein treffenderer Name gefunden wird) war und ist das Aufwachsen von Krisen geprägt: Die Terroranschläge vom 11.September 2001 waren für viele das prägende Ereignis ihrer Jugend. Es folgten Kriege von Afghanistan bis Irak, Wirtschafts-, Finanz- und Eurokrise, die wachsende Jugendarbeitslosigkeit, die sie auch persönlich betrifft oder betreffen könnte. Oder wie es Kerstin Bund in ihrem Buch („Glück schlägt Geld“) über ihre GenerationY formuliert: „Wir kennen nur Krise.“

Die Krise – und den Konkurrenzkampf. Das Sich-verkaufen-müssen, das Besser-sein als die anderen, um eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Keine Generation vor ihnen hat den Leistungsdruck so intensiv erlebt: Die Hälfte der Jugendlichen sagt, dass sie in Schule, Studium und Beruf stark unter Druck stehen. Weitere 50 Prozent meinen, dass der Stress von Jahr zu Jahr größer werde. Das Bemerkenswerte daran: Die Jugendlichen haben sich zu einem großen Teil damit abgefunden.

Wenn die Arbeitsplätze rar sind, eine Jobgarantie eine Utopie, die Chance auf ein planbares Leben gering ist, muss man mehr bieten, mehr leisten, sich in noch mehr (schlecht bezahlten) Praktika Zusatzqualifikationen holen. Drei Viertel der Jugendlichen akzeptieren dem Buch „Generation Ego“ zufolge das lebenslange Lernen. Tatsächlich war noch nie eine Generation so gut ausgebildet: 87,4 Prozent der 20- bis 24-Jährigen in Österreich haben laut Statistik Austria zumindest die Sekundarstufe II abgeschlossen – also eine Lehre absolviert oder Matura gemacht. Noch nie war dieser Anteil so hoch, 1995 betrug er etwa erst 79,2 Prozent.

Gleichzeitig gibt es naturgemäß auch eine nicht zu geringe Zahl junger Menschen, die sich dem System verweigert oder nicht mithalten können. Die sogenannten Early School Leavers etwa (siehe auch Artikel unten). Nicht ganz so karriereorientiert wie die Mehrheit sind auch jene etwa 22 Prozent der Jugendlichen, die das Institut für Jugendkulturforschung als Hedonisten bezeichnet: Gemeint sind damit Spaß- und konsumorientierte Jugendliche, die sich dem Arbeitsethos nicht verschrieben haben, „sondern die Arbeit eher als Mittel zum Geldverdienen sehen“, sagt Jugendforscher Philipp Ikrath, um sich eine erfüllende Freizeit leisten zu können. In dieser Gruppe sind Jugendliche aus bildungsfernen Schichten und damit auch jene mit Migrationshintergrund, überdurchschnittlich stark vertreten.

Vorrangig geht es vielen Jugendlichen um das eigene Vorankommen. Für – plakativ formuliert – eine bessere Welt setzt sich die Mehrheit heute nicht mehr ein. Sofern sie überhaupt auf der Straße demonstrieren, „steht meist ein egoistisches Anliegen im Zentrum: Arbeitslosigkeit, Kritik am Uni-System“, sagt Ikrath. „Für Solidarität für Guantánamo-Inhaftierte protestiert heute niemand mehr. Früher wurden die großen weltpolitischen Themen bei den Demos zumindest mitgenommen.“

„Amoralische Egoisten“ nennen Mitautor Bernhard Heinzlmaier und Ikrath in ihrem Buch diese Generation, wobei sie das nicht als Vorwurf an die Jungen verstanden wissen wollen. „Sie wachsen in einer Zeit auf, in der jede Entscheidung immer ökonomisch begründet wird“, sagt Ikrath. „Moralische Debatten sind auch in der Politik immer nachgeordnet. An erster Stelle steht der Nutzen, die Konkurrenzfähigkeit oder die berufliche Anwendbarkeit.“



Warum? Wieso? Die Bezeichnung Generation Y findet Ikrath daher aus mehreren Gründen passend. Nicht nur als (alphabetisch) logischen Nachfolger der Generation X, sondern auch wegen der Doppeldeutigkeit des Y. Englisch ausgesprochen steht das Y, sprich „Why?“, für die pragmatischen Entscheidungen, die junge Menschen heute treffen müssen: Warum sollte ich das tun? Was bringt mir das?

Das „Why?“ bringe aber auch die Sinnkrise, das ständige Sich-hinterfragen-müssen, gut auf den Punkt, findet Ikrath. „Sie gehen immer opportunistisch vor, müssen immer flexibel sein und wissen nicht, was sie in fünf oder zehn Jahren erwartet.“

Flexibel, belastbar, offen: Tugenden, die generell den Jungen zugeschrieben werden, sind heute auch für Ältere auf dem Arbeitsmarkt immer bedeutender. In fast jeder Jobausschreibung wird etwa Flexibilität gefordert. Leichter haben es die Jungen damit aber weder auf dem Arbeitsmarkt (siehe unten) noch insgesamt in der Gesellschaft. Trotz des seit Jahrzehnten vorherrschenden Jugendkults, trotz des Bestrebens vieler, möglichst lang als jugendlich zu gelten (was sich etwa im Kleidungsstil manifestiert), sind Jugendliche heute nicht mächtiger als früher. „Die Jugend hat die kulturelle Meinungsführerschaft übernommen“, sagt Jugendforscher Ikrath , „aber das ist nicht mit einem realpolitischen Machtzuwachs einhergegangen“.

Und das, obwohl sich die meisten Menschen heute länger jung fühlen als früher: Die Familiengründung wird nach hinten verschoben, der Vollzeit-Berufseinstieg ebenso. Mitte/Ende 20 wohnt immer noch ein großer Teil zu Hause bei den Eltern. Auch, weil er es muss: Mit Teilzeitjobs während des Studiums etwa ist eine eigene Wohnung, früher Statussymbol, in weite Ferne gerückt. Das Ausziehen von daheim, sagt Ikrath, „hat heute nicht mehr die gleiche symbolische Bedeutung wie noch vor zehn, 15 Jahren.“ So leben drei Viertel der 20 bis 24-jährigen Männer noch bei ihren Eltern, in der Gruppe der 25- bis 29-Jährigen immer noch mehr als jeder Dritte.

Anders als in früheren Generationen fühlen sich junge Menschen heute den alten Traditionen kaum noch zugehörig. Statt sich einer Partei oder etwa der Kirche über lange Jahre zu verschreiben, fühlen sich drei Viertel der jungen Leute einer oder mehrerer Jugendszenen zugehörig. Im Vordergrund stehen dabei auch nicht die gemeinsame ideologische Überzeugung, sondern Freizeitinteressen: 12,2 Prozent der 14- bis 29-Jährigen fühlen sich der Metalszene zugehörig, 26,9 Prozent der Fitnessszene, fast ebenso viele der Computerszene.

Letzteres ist keine große Überraschung: Denn junge Menschen sind heute always on, stets online, permanente Erreichbarkeit über WhatsApp oder Facebook ist der Normalzustand. Wobei die ständige Vernetztheit auch den Jungen zu viel wird: 28 Prozent der Jugendlichen haben einer noch unveröffentlichten Studie des Instituts für Jugendkulturforschung zufolge schon einmal eine digitale Diät gemacht, waren also bewusst via Internet und Smartphone unerreichbar – und das im Schnitt für neun Tage. Das zeige, sagt Ikrath, „dass auch die Digital Natives mit der Dauer-Erreichbarkeit überfordert sind. Sechs von zehn Befragten meinen, dass die Zeit, die man im Internet verbringt, oft verschwendet ist.

Buch

„Generation Ego“ Bernhard Heinzlmaier u. Philipp Ikrath. Promedia Verlag. 224 Seiten, 17,90 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2014)

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