Lippenstift: Schwarz sehen, rot malen

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Was nach seltsamer Farbenlehre klingt, hat einen Grund. Der Lippenstift-Index besagt: Bei schlechter Wirtschaftslage steigt der absatz von Lippenstift enorm. Kein Wunder bei diesen Stiften.

Wirtschaftlich schlechte Zeiten sind gute Make-up-Zeiten. Das hat sich in der  Kosmetikbranche längst herumgesprochen. Wenn alle schwarzmalen, tragen Frauen Rot: und zwar auf den Lippen. Was dem Parfümerie-Einzelhandel auch dieses Jahr einen äußerst stabilen Umsatz bescheren wird. Den Zusammenhang zwischen Lippenstiftverkäufen und Wirtschaftskrisen, den sogenannten Lippenstift-Index, entdeckte Leonard Lauder, Vorsitzender des Kosmetikunternehmens Estée Lauder. Wenn für Kleider und teure Accessoires das Geld fehlt, dann investiert man eben in den kleinen Luxus: in Lippenstifte. In Zeiten von verstärkter Konsum-
unlust ist erstaunlicherweise die Nachfrage nach Lippenstiften und dekorativer Kosmetik im Allgemeinen besonders hoch. Frei nach dem alten Revlon-Werbeslogan: „On a bad day there is always a lipstick.“ Bei Estée Lauder reibt man sich schon mal die Hände, die Umsätze in diesem Bereich sind um einen zweistelligen Prozentsatz gestiegen. Bei anderen Kosmetikproduzenten wird die Sache nicht viel anders aussehen.

Ähnlich lief es auch nach den Ereignissen am 11. September 2001 ab. Ernüchternde Wirtschaftslage und ein steil nach oben schnellender Lippenstift-Index. Die Verkäufe aller Lauder-Marken wie Clinique, MAC, Estée Lauder oder Bobbi Brown verdoppelten sich damals in den USA. Wenn man also diesen Winter besonders viele rote Lippen sieht, dann hat sich Lauders Theorie erneut bestätigt.

Lippenbekenntnisse. Und man wird sie sehen. In den neuen Make-up-Looks strahlen Lippen in den kräftigsten Farben. Nur einer kann dem Lippenstift in diesen Zeiten zu schaffen machen: sein kleiner Bruder, das Lipgloss. Es ist unschlagbar und bleibt das meistverkaufte Kosmetikprodukt der Welt. Jährlich werden 700 Millionen Stück davon unter das Volk gebracht. Damit wandern weltweit
gesehen 23 Lipgloss in der Sekunde über den Ladentisch.

Während man in Asien Pink bevorzugt, darf es in den USA und Europa nach wie vor das ruchlose Rot sein. Eine Farbe, die Frauen seit nunmehr 5000 Jahren auf ihren Lippen bevorzugen. Schon im alten Mesopotamien zermahlte man Halbedelsteine, um sie auf den Lippen aufzutragen. Im 16. Jahrhundert unter der englischen Königin Eliza-
beth I., die blutend rote Lippen zu ihrem Markenzeichen erkor, waren die Stifte schon aus Bienenwachs und pflanzlichen roten Farbpigmenten. In Zeiten der Französischen Revolution sicherte man sich mit roten Lippen einen Fixplatz auf der Guillotine, galten sie doch als aristokratie-sympathisierendes Zeichen.

Im Jahr 1883 wurde der Lippenstift dann auch in dieser Bezeichnung auf der Weltausstellung in Amsterdam vorgestellt. Allerdings war er damals lediglich in Seidenpapier gewickelt, was unglaubliche Sauereien in der Handtasche hinterließ. Zudem lockte er selbst ernannte Sittenwächter aus der Reserve, die das schöne Rot als skandalträchtiges Phallussymbol verdammten wie den Teufel höchstpersönlich. Aber die Frauen ließen sich ihren Lippenstift nicht nehmen: Immerhin feiert er heuer sein 125-jähriges Jubiläum.

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