„Rosenkavalier“: Das schönste Geschenk für Strauss

„Rosenkavalier“
„Rosenkavalier“ (c) Staatsoper/ Michael Poehn
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Kirill Petrenko setzte mit einem phänomenalen „Rosenkavalier“ den Schlusspunkt hinter die Repertoire-Aktivitäten zum 150. Geburtstag des Komponisten.

Das hat's seit Kleiber nicht mehr gegeben“, raunen sich die Münchner Opern-Habitués über ihren Generalmusikdirektor zu. Gottlob hat Kirill Petrenko zwischendrin auch noch hie und da ein wenig Zeit für die Wiener Staatsoper. Einen „Rosenkavalier“, wie er ihn gerade im Haus am Ring dirigiert, hat man tatsächlich seit Carlos Kleibers legendären letzten Auftritten, 1994, nicht mehr gehört.

So detailverliebt modelliert, so herzhaft musiziert: Man spürt förmlich, wie viel Spaß es den philharmonischen Musikern macht, den fanatisch abgestuften dynamischen und artikulatorischen Vorgaben dieses grandiosen Gestalters zu folgen. Dass Richard Strauss jede Pointe, ja sogar jeden Hintergedanken, der in Hugo von Hofmannsthals Text mitschwingt, in musikalische Bilder und Farben umgesetzt hat, weiß man. Das Stück hat den Ruf, allzu angereichert mit Aperçus und klingenden Fußnoten zu sein. Vieles bleibt daher in aller Regel Notenpapier, denn unterm Jahr spielt man notgedrungen über zahlreiche der vielen Nuancen hinweg.

Stimmungsvolle Präzisionsarbeit

Wenn freilich ein solcher Dirigent am Pult steht, dann wird jeder einzelne Philharmoniker zum Märchenerzähler, und alle miteinander realisieren die sonst als unrettbar überladen geltende Partitur, als wär's durchsichtigste Kammermusik.

Allein die Valeurs, die die Holzbläser schon in den ersten Minuten der Oper finden, abschattiert vom fröhlichen Vogelgezwitscher bis zur vorgetäuschten morgendlichen Migräne der Feldmarschallin, sind ereignishaft. Wie das philharmonische Kollektiv dann den lockeren, duftigen Parlando-Ton in die lyrischen Passagen herüberrettet und etwa die Duette von Sophie und Octavian im zweiten und dritten Akt mit zartesten Pinselstrichen untermalt, das zählt zu den außerordentlichen Momenten in der Wiener Interpretationsgeschichte.

Noch dreimal haben Musikfreunde die Chance, Petrenkos bei aller Perfektionsarbeit doch mit dramatischem Ungestüm zur ungemein stimmungsvollen, spannungsgeladenen Einheit gebundene Interpretation zu erleben. Wer sich das entgehen lässt, vergibt eine Chance, die so schnell nicht wiederkehren wird.

Denn auch die Sängerbesetzung dieses Abends ist exzellent. Soile Isokoskis Marschallin mit ihren melancholisch weichen Kantilenen hat auch temperamentvoll-herrische Züge, wenn sie ihrem Vetter Ochs auf Lerchenau in die Schranken weist. Den gibt Peter Rose dankenswerterweise nicht als ländlichen Poltergeist, sondern macht die gern zur Karikatur verzeichnete Figur mit den Mitteln des Schöngesangs doch zu einem Landadeligen, der, wie's so schön heißt, „quasi doch noch eine Standsperson“ bleiben darf.

„Sprechen Sie Wienerisch?“

Einziger Wermutstropfen: Ein wenig Nachhilfe im wienerischen Tonfall würde Rose nicht schaden – Lehrmeister stünden sicher mit Vergnügen bereit, ob der idiomatisch wirklich firme Faninal von Clemens Unterreiner oder Staatsopern-Urgestein Alfred Šramek, hinreißend komödiantisch als Notar und Polizeikommissar. An der Lektion könnte Rosenkavalier Alice Coote gleich teilhaben, auch sie vokal bestechend, sowohl dank größter Wortdeutlichkeit im Dialog mit der Marschallin, als auch in den geradezu geflüsterten Zwiegesängen mit der zarten, trotz gemeldeter Indisposition blitzsauber phrasierenden Sophie der Chen Reiss.

Dass Otto Schenk seine längst zum Klassiker avancierte Inszenierung jüngst aufgefrischt hat, bewährt sich bei sämtlichen Ensemblemitgliedern bestens. Nun ist auch die musikalische Komponente wieder auf Hochglanz poliert. Einen schöneren Schlusspunkt hätte die Staatsoper nach der nicht minder fulminanten „Ariadne“ unter Thielemann hinter ihre Aktivitäten zum Richard-Strauss-Jahr kaum setzen können.

Weitere Termine: 23., 26., 28.November, 18 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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