Tagesschau.de gegen Trolle: „Nicht füttern!“

(C) ARD/ Screen Webseite
  • Drucken

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ will auch die ARD die Kommentare auf ihrer Internetseite beschränken

Bis zu 2000 Kommentare täglich landen auf Tagesschau.de, der Internetseite der ARD. Könnte man das, was dort so geschrieben wird, eins zu eins veröffentlichen – es wäre ein digitales Paradies der freien Meinungsäußerung. Doch es wird auch gepöbelt, beleidigt und desavouiert, wie es wohl nur unter dem Schutzmantel der Anonymität denkbar ist. Oder wer würde es wagen, anderen Worte wie „Ihr gehört an Euren Innereien an der Reichstagskuppel aufgehängt“ oder „Machen Sie das absichtlich oder reicht der Intellekt vielleicht nicht aus?“ ins Gesicht zu schleudern? Von Injurien wie „F*** dich“ oder Anreden wie „Du schizophrenes Nazischwein“ ganz zu schweigen.

Derlei wird von Usern tatsächlich online geschrieben, berichtete Tagesschau.de diese Woche und auch schon im Mai, als die Initiatorinnen des Hashtags #Aufschrei, die sich gegen sexuelle Übergriffe und deren Bagatellisierung starkmachen, Ziel massiver Attacken im Internet wurden. Wer sich für die Kommentarfunktion von Tagesschau.de anmeldet, muss zwar die „Netiquette“ akzeptieren – also zustimmen, sich nicht ehrverletzend, beleidigend oder rassistisch zu äußern und keine persönlichen Angriffe zu starten. Aber das ist noch keine Garantie. Wie viele andere seriöse Internetseiten sortiert auch Tagesschau.de Entgleisungen der User gleich aus und stellt sie nicht online. Aber das macht Arbeit – und schützt den Redakteur nicht davor, derlei Frechheiten zumindest einmal durchlesen zu müssen.

Vor allem „Trolle“ sind gefürchtet, also User, die ganz bewusst angreifen und provozieren. „Don't feed the trolls! Bitte nicht füttern!“, warnt daher der Medienpsychologe Frank Schwab von der Uni Würzburg auf Tagesschau.de. Man solle sie einfach ignorieren, das sei „wie bei kleinen Kindern eine gute Strategie“.

Online diskutieren, aber mit Respekt

Wie man Störenfriede sicher fernhält, das exerziert seit 1.September die Internetseite der „Süddeutschen Zeitung“ vor: Dort wurde die generelle Kommentarfunktion komplett eingestellt. Stattdessen gibt es täglich moderierte Onlinediskussionen zu zwei bis drei großen Themen, dieser Tage etwa zur Frage: „Rente mit 63 – Kann sich Deutschland das noch leisten?“ Nicht nur das Thema und die Dauer der Debatte werden von der Redaktion vorgegeben – es geht auch nicht jeder externe Beitrag automatisch online. Ein Moderator wählt die besten Antworten aus. Hinweise aus dem Kreise der User werden wiederum an die Redaktion weitergeleitet, Antworten der Autoren fließen in die Diskussion ein. Und auch hier gelten Regeln und es wird um „respektvolle Ansprache“ und den Verzicht auf „rassistische, sexistische, homophobe oder andere Beleidigungen“ gebeten.

Nun will man auch bei Tagesschau.de aktiv werden: „Wir wollen die Kommentarfunktion natürlich nicht abschaffen“, sagt Redaktionsleiterin Christiane Krogmann. „Aber auch wir denken über neue Konzepte nach, wollen etwas genauer schauen: Was sind für uns die Themen, die am Tag eine Diskussion wert sind? Und wir denken durchaus auch darüber nach, Themen einzuschränken.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.