Zwölf Schüler in der Schule – und vor der Kamera

Tableau Noir
Tableau Noir(c) Polyfilm Verleih
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Yves Yersin porträtiert in „Tableau Noir“ eine Schweizer Zwergschule, die geschlossen werden musste.

Auf einer Wiese in 1153 Metern Höhe im hintersten Winkel des Schweizer Kantons Neuenburg steht ein Gebäude, das wie ein größeres Einfamilienhaus aussieht. Es ist eine Schule, die letzte der Region. Zwölf Schüler zwischen sechs und zwölf Jahren werden hier gemeinsam unterrichtet. Ihr Lehrer, Gilbert Hirschi, ist gleichzeitig Mentor für alle Lebenslagen: Er lehrt die Kinder die Grundregeln der Mathematik und französischen Rechtschreibung, rüstet sie mit seinen Ratschlägen für das Leben, schnitzt mit ihnen Speere im Wald und chauffiert sie als Schulbusfahrer durch die Schweizer Hügel.

Ein Jahr lang hat der Schweizer Dokumentarfilmer Yves Yersin die kleine Schule begleitet. Sie wirkt wie eine Oase der unbeschwerten Kindheit, doch ist sie zu klein, um weiter bestehen zu können. Die Behörden wollen sie schließen, 2008 haben sie es schließlich getan. In den zwei Stunden langen Film schleicht das drohende Ende sich nur langsam – etwa, wenn der Lehrer die Schließungsgerüchte durch das Autofenster mit den Dorfbewohnern bespricht, oder, wenn sein Diktat wie eine Streitschrift zur Erhaltung seines pädagogischen Konzepts anmutet.

Natürlich wirken auch die Tränen

Dieses will Yersin weder idealisieren noch kritisieren, er beobachtet schlicht. Und das recht ausführlich und in langen, leicht wackeligen Einstellungen: Er zeigt die Kinder bei der Klassensprecherwahl, beim Schwimmunterricht, bei diversen Ausflügen, bei Theaterproben und beim Kräutersammeln im Wald – und fängt sogar ihre geflüsterten Gespräche in der Klasse ein. Der Unterricht scheint so kreativ und praxisnah zu sein, wie er nur in einer so kleinen Klasse stattfinden könnte. Beschönigt wird aber nichts: Die Kamera bleibt – zum Teil unangenehm lang – auch auf dem weinenden Mädchen, das elf Fehler beim Diktat hat, oder beim grübelnden Buben, der sich schwertut, bis 30 zu zählen.

Das gibt dem doch über lange Strecken ereignisarmen Film eine wunderbare Authentizität. Die Kinder waren verkabelt und von Kameras umgeben, wirken aber komplett natürlich. Wie auch ihre Tränen, als sie die Schule schließlich zum letzten Mal verlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2015)

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