Bad für das Huhn, das grüne Eier legte

Es soll Hühner geben, die brüten lieber, als Eier zu legen.
Es soll Hühner geben, die brüten lieber, als Eier zu legen.(c) Ute Woltron
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Legehühner. Normalerweise neigen Legehühner nicht dazu, auf den Eiern sitzen zu bleiben, um diese auszubrüten. Diesen Trieb hat man ihnen weggezüchtet. Doch gibt es Ausnahmen und wildere Hendln, die einfach eigensinniger sind.

Die neuen Hühner sind gerade einmal 20 Wochen jung und noch sehr unbeholfen. Sie legen Eier von der Größe zierlicher Marzipanpralinen, aber nur alle paar Tage. Mehr kann man von ihnen noch nicht verlangen, sie müssen das anfangs üben, irgendwann haben es noch alle Hühner zur Meisterschaft im Eierlegen gebracht.

Doch halt, das stimmt ja gar nicht. Da war eines, das war anders. Das wollte nicht legen, sondern brüten. Glucken nennt man das in der richtigen Hühnerterminologie, doch was weiß der Mensch, der ohne Huhn lebt, schon von Hühnern, außer, dass sie, appetitlich zu Brüsten, Keulen, Flügeln zerteilt, gut schmecken und jeden Tag ein Ei legen? Wenig bis nichts, und selbst das ist falsch, denn es gibt Legehühner und Fleischhühner. Der Mensch hat sie auf die jeweilige Leistung gezüchtet.

Besagtes Huhn war unter den Legehühnern ein sogenannter Grünleger, also eines, das pistaziengrüne Eier liefert. Exkurs: Welche Farbe das Hühnerei haben wird, kann man an den Ohrscheiben des Huhnes erkennen. Das sind die unbefederten Flecken rund um die Ohrlöcher. Hühner mit weißen Ohrscheiben legen weiße Eier, solche mit roten Ohrscheiben legen braune. Wenn ein Huhn jedoch gluckt, legt es nicht mehr. Der Grünleger hatte graue Ohrscheiben. Er erledigte, wie gesagt, anfangs brav seine Pflicht, doch dann beschloss er, auf den Eiern sitzen zu bleiben, um diese auszubrüten.

Eier legen ohne Hahn

Wäre ein Hahn vorhanden gewesen, wäre das auch sinnvoll gewesen, und nach rund 21 Tagen wären flauschige Küken geschlüpft, von denen übrigens mindestens die Hälfte Hähne gewesen wären. Doch auch ohne Hahn legen Hühner Eier, womit eine oft gestellte Frage beantwortet wäre, und dass daraus trotz pflichtschuldigen Brütens niemals ein Küken werden kann, bedarf keiner ausführlicheren Erklärung.

In den Tagen, bevor sie schlüpfen, kann man die Küken durch die Eierschale schon piepsen hören, was nicht nur von der Glucke, sondern auch von deren Pflegepersonal mit Rührung begrüßt wird. In den Grünlegereiern piepste natürlich nichts, das Huhn wendete sie täglich mehrmals, weil das Hühnerart ist und verhindert, dass die sich entwickelnden Küken an der inneren Eischale ankleben. Es wendete sie jedenfalls unverdrossen so lang, bis ich unter seinen entrüstet gesträubten Pürzel griff und sie hervorholte. Ich tat das in der Hoffnung, das Huhn würde die Sinnlosigkeit seines Tuns einsehen, das Nest verlassen und so, wie alle anderen auch, draußen nach Käfern, Körnern, Würmern scharren.

Tat es aber nicht. Es setzte sich auf fremde Eier und brütete weiter. Was macht man mit gluckenden Hühnern? Die Großmutter steckte sie in ein Schaff voll kalten Wassers. Das, so die Legende, habe ihnen das Glucken ausgetrieben. Ein Huhn einzufangen ist eine große Kunst. Eine Glucke vom Nest zu heben ist die vergleichsweise einfachere Übung. Der Grünleger, der vom wochenlangen Brüten schon recht mager und von fahler Kammfarbe war, nahm also ein Bad. Da er mich dauerte, war es ein kurzes und nicht allzu kaltes Bad. Ich entließ ihn in den Hühnerhof, den er entrüstet und Wasserperlen verspritzend durchgackerte, im Lauf zwei, drei Körner aufpickte, um sich dann sogleich der Hendltreppe zuzuwenden und zurück in den Stall und auf das Nest zu kehren.

Das Bad war zu lau und zu flüchtig, dachte ich. Aber morgen kommst du in meine Gasse, Grünleger! Am folgenden Tag nahm das Huhn abermals ein Bad. Diesmal kalt und gestoppte drei Minuten lang. Ich hielt ihn fest, schwenkte seinen kräftigen und wehrhaften Hühnerleib, auf dass die kalten Wasser durch das eingefettete Gefieder bis an seine Haut durchdringen und den erforderlichen Kälteschock ausüben könnten. Zurück im Hühnerhof hielt sich der Grünleger diesmal nicht lang mit Körnerpicken auf, sondern flüchtete sofort zurück in den Stall und auf sein Nest. Dort saß er, ohne Witz, insgesamt vier Monate lang sinnlos herum.

Er war mein schönstes Huhn. Silbergraublau das Gefieder, und einen Hühnerpopsch, flauschig befedert und üppig wie ein gerüschter Unterrock längst vergangener Epochen. Als es schließlich, es war bereits Herbst, aufgab, sein Nest verließ und auf die Hühnerwiese zurückkehrte, war es ein Schatten seiner selbst. Doch Hühner erholen sich schnell.

In der strengen Hackordnung innerhalb der Hühnerschar musste es sich zwar erst wieder hocharbeiten, doch dieses Schicksal bleibt keinem erspart, der die Gemeinschaft verlässt und später zurückkehrt. Fast war es schade, es wieder in der Masse aufgehen zu sehen. Aus unerfindlichen Gründen war es, obwohl es im Gegensatz zu den pflichtbewussten Kolleginnen monatelang kein Ei gelegt hatte, mein Lieblingshuhn.

Lexikon

Hühnerhalten. Das kommt dieser Tage wieder groß in Mode und zahlt sich auch aus, denn die Hühner fressen jegliche Küchenabfälle, wandeln sie zu Eiern um, und niemals mehr werden Nahrungsreste sinnlos weggeworfen.

Hühnerfutter. Nein, nicht nur Körnern, sondern viel Protein brauchen Hühner! Sie legen schließlich bis zu 290 Eier pro Jahr. Wer nicht ausreichend proteinhaltiges Futter bereitstellt, quält seine Hendln unnötig.

Hühnerpflege. Stall, Legenester und eine Wiese sind erforderlich. Hühner brauchen zwar auch ein Sandbad zur Gefiederpflege, aber noch wichtiger ist, dass sie nicht auf nackter Erde, sondern im Gras spazieren gehen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2015)

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