Von Hundeleben, Rehkitzen und Pferdegeduld

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Themenbild(c) Ann-Cathrin May
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Tierstudien. Die Veterinärmedizinische Uni Wien wird 250 Jahre alt. Seit damals hat sich in der Beziehung Tier-Mensch viel getan.

Zwischen Freund, Jagdbeute und Nahrungsquelle: Das Verständnis für Tiere hat sich seit den ersten Jahren der Vet-Med Uni Wien sehr differenziert. Neben medizinischer Intervention und Forschung beschäftigt man sich heute stark mit der Beziehung von Tier und Mensch, etwa im gleichnamigen Masterstudium der Vet-Med. Kürzere Weiterbildungen gibt es zahlreiche, zu den unterschiedlichsten Themen. Drei Beispiele:

Von Hund und Herrl: Da geht es zum einen um den besten Freund des Menschen – und darum, die Freundschaft zu erhalten. Wenn manche Star-Hundeflüsterer selbst als „harte Hunde“ auftreten, um Vierbeiner zur Konsequenz zu erziehen, mag das im Einzelfall weiterhelfen. Dass dabei manchmal die Seriosität auf der Strecke bleibt, ist dem Kommerz oder der Zeitknappheit von Liveshows geschuldet. Dabei ist das Interesse an den Problemen des Hundelebens groß. „Kynologie hat heute einen anderen Stellenwert als früher. Die Wissbegierde von Hundehaltern ist da, es gibt aber auch selbst ernannte Gurus, die Trainings anbieten, die nicht wissenschaftlich fundiert sind“, sagt Karl Weissenbacher vom Messerli Forschungsinstitut für Mensch-Tier-Beziehung der Vet-Med Wien. Weissenbacher hat Europas erste akademische Weiterbildung für Hundewissenschaften aufgebaut, den Universitätslehrgang für Angewandte Kynologie. Der viersemestrige Lehrgang hat die Möglichkeit, auf die Experten des Messerli Forschungsinstituts zurückzugreifen, zu dem auch ein Clever Dog Lab und ein Wolf Science Center gehören. Weissenbacher selbst ist zudem Leiter der Koordinierungsstelle des Instituts für Tierschutzqualifizierte Hundetrainer. Das Gütesiegel, das 2013 ins Leben gerufen und bisher von rund 100 Hundetrainern erworben wurde, stellt europaweit die einzige staatlich anerkannte Ausbildung für Hundetrainer dar.
Der Vet-Med-Lehrgang behandelt neben Medizin und Verhaltensforschung auch Recht, Kulturgeschichte, Fragen der Jagd, der Zucht und Ethik. „Angewandte Kynologie ist nicht gleichbedeutend mit einem Trainerkurs, es geht hier darum, das Hundehalterwesen in Österreich unter allen Aspekten verstehen zu lernen.“ Zugangsvoraussetzung ist die Hochschulreife. Da es für die 30 Plätze doppelt so viele Bewerber gibt, wird ein Aufnahmeverfahren durchgeführt.

Hoch zu Ross: Ähnlich wie zu Hunden wird auch zu Pferden ein eigenes Studium angeboten – und zwar ein Bachelor: Pferdewissenschaft. In der Weiterbildung dagegen stehen Pferde klar als Therapietiere im Mittelpunkt. Das Österreichische Kuratorium für Therapeutisches Reiten etwa bietet eine 15-monatige Weiterbildung für Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten (HPV/R) an. HPV/R bedeutet die Förderung und Begleitung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mithilfe eines Therapiepferdes. Sonder- und Heilpädagogen, Psychologen und Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, und Kindergartenpädagogen können darin eine ideale Ergänzung zu ihrem Tätigkeitsfeld finden. Voraussetzung ist der Nachweis der Reit-Lehrwartprüfung. Das Österreichische Kuratorium für Therapeutisches Reiten ist die einzig anerkannte Ausbildungsstätte für HPV/R. „Die Absolventen anderer Kurse kommen oft nicht aus den Berufsgruppen, die wir voraussetzen, und können die Therapie deshalb mit Ämtern wie der Landesregierung nicht abrechnen.“ Über mangelnde Nachfrage braucht man sich nicht zu beklagen, die positiven Auswirkungen der Therapie sprechen sich laut Bossler nicht nur bei den Eltern betroffener Kinder, sondern auch bei vielen Organisationen herum. „Die Kollegen, die die Ausbildung gemacht haben, wenden sich an überweisende Stellen, wie zum Beispiel an Jugendämter, Therapiezentren oder Kinderärzte.“

Auf der Jagd: Einen ähnlichen Anspruch – wenn auch mit völlig anderer Thematik – hat der Universitätslehrgang Jagdwirt/in der Universität für Bodenkultur Wien. „Warum werden in schlechten Zeiten eher Bockkitze geboren? Welchen Einfluss hat die EU-Agrarpolitik auf den Lebensraum von Feldhasen im Marchfeld? Welche Herausforderungen bringt die Jagd im urbanem Gebiet?“ Um solche und andere Fragen geht es laut Christine Thurner vom Lehrgangsmanagement. Rund 50 Lehrende der Boku, der Vet-Med und ausländischer Unis stehen zur Verfügung, die Teilnehmer kommen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, Südtirol und Liechtenstein. Nur rund ein Drittel hat vor Beginn einen beruflichen Bezug zum Thema, etwa als Berufsjäger, Förster, Falkner, Tierarzt oder auch Tierfutterproduzent. „Berufsneuorientierung ist für viele eine starke Motivation“, sagt Thurner. „Manchen gelingt es auch.“ Abgesehen davon gewinnt der Grad eines akademischen Jagdwirts für manche Berufe an Bedeutung. „In der Schweiz ist das mittlerweile ein Kriterium für Ausschreibungen geworden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2015)

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