Schöne neue Konsumwelt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sie muss gut aussehen und ethisch korrekt sein: Die kaufkräftigen Lohas entdecken Mode aus biologischem Anbau für sich. Und auch Ökomöbel verlassen langsam ihr Nischendasein.

Fünf Buchstaben. Und eigentlich ein blöder Begriff, sagt Lisa Muhr vom Designerkollektiv „Göttin des Glücks“: Lohas. Aber „natürlich sind wir das: Lohas“. Die für (andere) Lohas Mode entwerfen. Fair produziert, die Baumwolle aus ökologischem Anbau, ethisch korrekt.

Man füge noch „hochqualitativ“ und „gut designt“ dazu, schon hat man ein Produkt, das für die Lohas, diese junge, urbane, kaufkräftige Zielgruppe – das Akronym steht für Lifestyle of Health and Sustainability, also gesunden, nachhaltigen Lebensstil –, interessant ist. Wäre. Denn „Göttin des Glücks“ oder auch „Ainoah“ sind zwei von wenigen österreichischen Labels, die ganz auf Fair- Trade-Mode umgestellt haben. Anders als im Bereich der Lebensmittel, in dem sich „bio“ und „Fair Trade“ längst großflächig in die Regale gedrängt haben, hinkt die Ökomode noch ein bisschen hinterher. Auch wenn sie rasant aufholt: „Da ist noch viel mehr zu holen“, sagt der Jugend- und Trendforscher Philipp Ikrath von der tfactory. 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung, schätzt er, könne man zur (erweiterten) Gruppe zählen: Ikraths Muster-Loha: „Anfang 30, selbstständig, lebt in einem angesagten Innenstadtbezirk, gutes Einkommen, mag ethisch korrekte Produkte mit hoher Lifestylekomponente.“ Hedonisten quasi, nur auf bio. Die außerdem als „early adopters“ einen Trend vorleben, den die breitere Masse später aufgreift.

Danach sieht's zumindest aus. Denn ähnlich wie für Biolebensmittel sind 80% der Konsumenten, das hat eine Studie der Clean-Clothes-Kampagne gezeigt, bereit, mehr Geld für Kleidung auszugeben, wenn sie wissen, dass diese von ökologischem Anbau stammt oder Baumwollbauern fair entlohnt werden.

Probleme machen eher die Händler, sagt Muhr. Und auch Anna Bogner vom Wiener Kindermodelabel Mädchenwald: „Die sind kritisch und sehr, sehr vorsichtig, weil sie glauben, dass sie die Waren zu einem höheren Preis nicht verkaufen können.“ Denn natürlich, sagt Muhr, seien die Produktionskosten höher, seit „Göttin des Glücks“ 2006 komplett auf Fair Trade umgestiegen ist. Die Kunden sollen das aber kaum spüren, lieber verzichtet man auf Gewinn; die Kleidungsstücke kosten nur um zwei bis drei Euro mehr. Mädchenwald hat um zwei Drittel höhere Ausgaben, seit das Label auf Stoffe aus konventionellem Anbau, der die Böden auslaugt oder mit Pestiziden verunreinigt, verzichtet.

Für kleine Labels unleistbar. Eine weitere Startschwierigkeit gebe es mittlerweile nicht mehr: (Brauchbare) Stoffe aus Öko-Anbau seien heute leichter verfügbar. „Mit der Biobaumwolle von damals konnte man keine Damenkollektion machen“, sagt Bogner. Trotzdem entschied sie sich, aus Überzeugung (Loha!), für die Öko-Nische („Ich habe früher auch alle Schweinereien verarbeitet“) – und stellte auf Kinderkleidung um. Heute gebe es viel mehr, viel bessere Stoffe, auf Modemessen liege ihr Anteil schon bei 20%.

Bogner bezieht die Baumwolle von einem türkischen Bauern und lässt in Ungarn nähen. Eine der unzähligen Biozertifizierungen (siehe Überblick unten) hat sie noch nicht, noch heuer will sie das (strenge) Siegel GOTS bekommen. Auch wenn das für kleine Labels kaum leistbar ist. Bis zu 10.000 Euro muss sie dafür zahlen und jedes Jahr einen Anteil des Umsatzes abliefern. Mit dem Geld werden die Kontrollen bei den Zulieferbetrieben finanziert. Ohne Siegel, glaubt Bogner, werde es in Zukunft nicht gehen, „denn die Leute werden künftig mehr danach fragen“.

Kann aber noch dauern. Denn noch scheint das Wissen (und Bewusstsein), was hinter den diversen Labels steckt, nicht sehr ausgeprägt zu sein. Allein das Wort „öko“ auf dem T-Shirt-Etikett reicht vielen für ein gutes Gewissen. Ein Trugschluss. Denn die vielen hübsch (und ethisch korrekt) klingenden Eigenkreationen stehen nicht unbedingt für strenge Kontrollen. Von den großen Modeketten hat sich bisher nur Vero Moda dem strengen GOTS verpflichtet. Andere Ketten wie C&A, die das Potenzial ökologischer Kleidung erkannt haben, bringen ihre (stark wachsenden) Ökokollektionen unter eigenem Namen (H&M benennt seine „Organic Cotton“) auf den Markt. Was die Öko-Chose nicht übersichtlicher machtund Kunden mitunter bewusst täuscht. „Hinter den Ökolinien der großen Ketten steckt meist nur Biobaumwolle, so Michaela Knieli von der Umweltberatung, „die Verarbeitung wie Bleichen oder Färben ist wie gehabt.“ Soll heißen: Gefärbt wird weiter mit umweltschädlichen Chemikalien. Gerechte Arbeitsbedingungen und feste Mindestpreise garantieren überhaupt nur wenige wie Fair Trade. Im Jahr 2008, in dem erstmals Kleidung mit dem Fair-Trade-Label auf dem heimischen Markt war, wurden damit 1,7 Mio. Euro umgesetzt. „Das“, sagt Fair-Trade-Österreich-Chef Hartwig Kirner, „ist wirklich beachtlich.“ Für heuer rechnet Kirner mit einem Wachstum im zweistelligen Bereich.

Ökomöbel? Kinderschuhe! Während es mit fairer Mode langsam, aber doch aufwärts geht, stecken die fairen Möbel noch in den Kinderschuhen. Und die Hersteller, die den nachhaltigen Markt bedienen, bedienen vorerst noch eine Nische. Aber eine Nische, die altbackenes und verschrobenes Design längst über Bord geworfen und deren Produkte mit jenen aus italienischen Luxushäusern mithalten können. Wer heute ökologische Möbel kauft, kauft hip – was den Lohas wiederum gefällt.

Doch was bedeutet Nachhaltigkeit bei Möbeln eigentlich? Der Zugang der Hersteller ist unterschiedlich und doch ähnlich. Der Begriff kann für die Langlebigkeit eines Produkts, für dessen Recycelbarkeit, oder für regionalen Einkauf stehen. Schadstoffarme Herstellung oderdie gute Behandlung von Mitarbeitern spielen ebenso eine Rolle.

Beim heimischen Platzhirschen, Team 7, wie bei den meisten anderen Herstellern, ist die Herkunft des Holzes entscheidend. Und bei den meisten Herstellern herrscht vor allem in einem Punkt Einigkeit: Finger weg von Tropenhölzern. Bei Team 7 kommt der größte Teil des Holzes aus Österreich, aber eben nicht alles. „Das ist auch gar nicht möglich“, sagt Team-7-Chef Georg Emprechtinger. „Wir verwenden jährlich rund 20.000 Kubikmeter Holz. Das sind 1000 Lkw. So viel können wir in unserem Umkreis gar nicht schlägern.“ Daher weicht das Unternehmen unter anderem auch nach Ungarn aus. Wie Team 7, setzt auch „Grüne Erde“ auf regionalen Einkauf und auf heimische Produktion. Der Großteil der Grünen-Erde-Möbel wird in einer Tischlerei in Kärnten erzeugt. Matratzen, Kissen und Decken werden in Oberösterreich hergestellt.

Bei der Vorarlberger Möbeltischlerei Längle&Hagspiel etwa sind 95% der Möbel recycelbar „Das Holz, das wir nicht mehr verwenden, benutzen wir zum Heizen“, erklärt Geschäftsführer Günter Schobel.

So unterschiedlich Nachhaltigkeit gesehen wird, so unterschiedlich ist die Zielgruppe, die angesprochen wird. Die Frau als Entscheidungsträgerin und Personen mit höherem Bildungsniveau will Grüne Erde erreichen. „Je höher die Bildung ist, desto eher gibt es ein Bewusstsein für das Thema“, glaubt Grüne-Erde-Geschäftsführer Reinhard Kepplinger. „Und je höher das Bewusstsein, desto eher wächst der Markt.“ Bei L&H, die vor allem für andere Großbetriebe erzeugen, sind es Kunden die ganzheitlich denken. Und bei der Firma Mohr Polster, einem Vorarlberger Erzeuger von Polstermöbeln, ist man der Ansicht, dass es den Kunden einfach wichtig ist, Möbel nicht alle fünf Jahre neu beziehen zu müssen.

Doch keine Frage. Die Preise der Ökohersteller liegen weit über jenen von Möbelketten wie Ikea. Einen Beistelltisch um 7,99 Euro wird es wohl bei den wenigsten fairen Anbietern zu kaufen geben. Die Liga, in der etwa ein ökologischer Tisch spielt, liegt jenseits der 1000-Euro-Marke – nach oben sind den Preisen freilich keine Grenzen gesetzt. Doch die Kunden sind offenbar bereit zu zahlen und die Umsätze der Unternehmen steigen. Allein Team 7 hat seinen Umsatz in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt.

Betrachtet man die Lebenszeit der Produkte, sind faire Möbel langfristig billiger, argumentieren die Hersteller, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist allemal akzeptabel. „Wenn man es sich leisten kann, warum soll man dann nicht gute Produkte kaufen?“, fragt Emprechtinger. Die Lohas, denen ihr Nachhaltigkeitsdenken (Sustainability) in ihren Namen geschrieben wurde, sehen das wohl ähnlich. In der Theorie. In der Praxis müssen sie noch ein bisschen fleißiger einkaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2009)

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