Bayerns Wunderheiler vom Spielfeldrand geht in die Knie

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Mannschaftsarzt und Klub-Legende Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt hat überraschend gekündigt. Trainer Pep Guardiola geht als Sieger aus dem Machtkampf hervor.

München. Sprintstar Usain Bolt vertraute ihm, die Spieler des FC Bayern München sowieso. Doch nun ist Schluss für Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der langjährige Vereinsarzt der Bayern trat mit seinem kompletten Stab zurück. Grund dafür ist ein Streit mit Trainer Pep Guardiola, der dem Star-Mediziner offenbar nie richtig Glauben schenkte. Dabei galt der 72-Jährige seit seinem Amtsantritt 1977 als eine Art Wunderheiler, der Orthopäde betreut weiterhin die deutsche Fußball-Nationalmannschaft.

Nach der 1:3-Abfuhr im Viertelfinale der Champions-League gegen Porto teilte Müller-Wohlfahrt in einer Presseerklärung mit, dass „aus uns unerklärlichen Gründen die medizinische Abteilung für die Niederlage hauptverantwortlich gemacht“ worden sei. Man sehe dadurch das für eine erfolgreiche medizinische Arbeit notwendige Vertrauensverhältnis nachhaltig beschädigt. Tatsächlich werden die Bayern derzeit von einer Verletzungsmisere heimgesucht, darunter auch David Alaba.

Zwischen Müller-Wohlfahrt und Guardiola ist es bereits in der Vergangenheit zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, das Verhältnis galt als belastet. Ein Grund ist Guardiolas Lieblingsspieler Thiago. Guardiola holte den Spanier von seinem Ex-Klub Barcelona. Was dann folgte, ist eine bis heute mysteriöse Verletzungsgeschichte, die dazu führte, dass das Verhältnis zwischen Trainer und Vereinsarzt öffentlich diskutiert wurde. Thiagos Innenbandriss wurde nämlich nicht von Müller-Wohlfahrt behandelt, sondern bei einem Vertrauten Guardiolas in Spanien. Der Mittelfeldstar erlitt daraufhin zwei weitere Risse und war über ein Jahr außer Gefecht, erst vor wenigen Wochen gab er sein Comeback. Das Vertrauen von Müller-Wohlfahrt in Guardiola war jedenfalls dahin, das Verhältnis konnte nur mühevoll wieder gekittet werden, hieß es damals.

Ein anderer Streitpunkt war die von Guardiola erwünschte Anwesenheit des Arztes auf dem Bayern-Trainingsgelände. Müller-Wohlfahrt lehnte ab und behandelte lieber in seiner Praxis in der Münchner Innenstadt. Als Kompromiss stellten die Bayern Müller-Wohlfahrts Sohn Kilian ein, der die medizinische Versorgung am Trainingsplatz übernahm.

Auch Jürgen Klinsmann forderte schon bei seiner nur zehn Monate währenden Amtszeit in München in der Saison 2008/09 einen ständigen Arzt am Vereinsgelände. Müller-Wohlfahrt ließ sich daraufhin von seinen Aufgaben entbinden. Am Tag nach der Trennung des FC Bayern von Klinsmann kehrte er umgehend zurück.

„Kann energisch werden“

Müller Wohlfahrt, der in Deutschland und vor allem in München Prominenten-Status genießt, erklärte einst in einem Interview seinen Anspruch am Spielfeldrand: „Ich kann energisch werden und sagen: Du kommst jetzt raus! Dann gebe ich das Zeichen zum Wechseln, und der Trainer weiß, da geht nichts mehr.“ Zur Situation, dass der Verein einen Spieler nach einer Verletzung rasch wieder einsetzen will, meinte Müller-Wohlfahrt: „Da habe ich das Glück, dass ich Uli Hoeneß hinter mir weiß. Der sagt eher: Nimm dir die notwendige Zeit.“ Ohne Rückendeckung von Ex-Präsident Hoeneß, der seine Haftstrafe verbüßt, ist Müller-Wohlfahrt mit dem vom Erfolg besessenen Star-Trainer Guardiola in einen Machtkampf geraten. Schließlich hat noch kein anderer Bayern-Trainer im Verein so frei agieren dürfen wie der Katalane.

Müller-Wohlfahrt will und wird sich noch äußern. „Aber nicht heute, es ist zu früh“, sagte er. Gut möglich also, dass er zurückkehrt, sobald die Ära Guardiola bei den Bayern beendet ist. (joe)

ZUR PERSON

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt war seit April 1977 Mannschaftsarzt von Bayern München. 1995 übernahm er außerdem die Betreuung der deutschen Fußballnationalmannschaft. Der 72-jährige gebürtige Niedersachse wird vor allem für seine diagnostischen Fähigkeiten geschätzt.

Seinen Rücktritt als Vereinsarzt begründete Müller-Wohlfahrt mit den Vorkommnissen nach der Niederlage der Bayern im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen den FC Porto. Der Orthopäde unterhält eine 1600 Quadratmeter große Praxis im Zentrum Münchens. Zu seinen Patienten gehörten unter anderem Usain Bolt, Andy Murray, Bono und Luciano Pavarotti.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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