Amazon, Star der „Wolke“

File photo of an Amazon box on a counter in Golden
File photo of an Amazon box on a counter in Golden(c) REUTERS
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Der Versandhändler schreibt wieder einmal Verluste. Doch Anleger jubeln – weil sich ein neuer Geschäftszweig als höchst lukrativ erweist.

Wien. Jeder kennt Amazon – und denkt dabei an Pakete aus Karton. Doch dass der weltgrößte OnlineEinzelhändler sein großes Geschäft längst ganz woanders macht als im Versand von Büchern, CDs und Videos, weiß man erst seit Freitag. Da hat der US-Konzern seine Zahlen für das erste Quartal vorgelegt. Sie fielen freilich alles andere als berauschend aus: Wieder einmal schreibt die Firma Verlust, 57 Mio. Dollar in nur drei Monaten.

Aber das kann die Anleger nicht erschüttern. Im Gegenteil: Im nachbörslichen Handel schoss der Kurs der Aktie um fast sieben Prozent in die Höhe. Denn was wirklich für Aufsehen sorgte, waren die erstmals veröffentlichten Zahlen für einen jüngeren Geschäftsbereich: die Vermietung von Speicherkapazität in den hauseigenen Rechenzentren über das Internet.

Diesen Dienst, eine Form von Cloud-Computing, bietet Amazon schon seit neun Jahren an. Aber wie er sich entwickelt, war bisher ein wohlgehütetes Geheimnis. Amazon Web Services (AWS) stand im Verdacht, ein großer Verlustbringer zu sein, denn der Aufbau der Serverfarmen erfordert sehr kostspielige Investitionen. Eben deshalb ist es für andere Firmen und Behörden attraktiv, sich die Hardware zu sparen und die eigenen Daten auszulagern. Umso größer nun die positive Überraschung: Im geheimnisumwitterten Segment schreibt Amazon bereits seit mindestens zwei Jahren Gewinne – und was für welche: Mit einer Umsatzrendite von 17 Prozent ist es um Welten profitabler als das eigentliche Kerngeschäft mit Waren und digitalen Medien, bei der nur zwei Prozent des Umsatzes als Gewinn bleiben – deutlich weniger übrigens als beim großen Konkurrenten Walmart.

Marktführer bei Speichermiete

Zwar machte Amazon im Vorjahr nur sieben Prozent des Umsatzes mit seiner Cloud, aber ihre Bedeutung steigt stark. Für den Gründer und Vorstandschef, Jeff Bezos, könnte sie sogar zum größten Geschäft seiner Firma werden. Heuer jedenfalls sollte sie über sechs Mrd. Dollar einbringen.

Damit spielt man in einer Liga mit den Branchengrößen Microsoft (wo man dafür heuer 6,3 Mrd. Dollar einplant) und IBM (acht Milliarden). Doch die Konkurrenten decken den gesamten Bereich des Cloud-Computings ab, auch die Nutzung von Software über das Internet. In dem Feld, in dem Amazon ausschließlich tätig ist, der Bereitstellung von Speicher für Daten, ist der Konzern sogar unangefochtener Marktführer – und treibt die anderen im Preiskampf vor sich her. Bereits 48-mal hat das Unternehmen aus Seattle seit dem Start seines Dienstes die Preise gesenkt. Bisher glaubten die meisten, der stets auf Angriff gebürstete Bezos mache hier wieder einmal das, was er am liebsten tut: Auf Teufel komm raus in den Markt investieren und Geld verbrennen. Mittlerweile fragt man sich eher, welche gewaltigen Margen ursprünglich dahinterstanden.

Ein guter Grund, die Zahlen bisher unter Verschluss zu halten. Dass Bezos damit nun doch an die Öffentlichkeit geht und zeigt, wie prächtig er am Vermiet-Geschäft verdient, ist durchaus riskant. Kunden könnten sich nun überlegen, ob sie nicht lieber selbst Datenzentren aufbauen, als teure Miete zu zahlen. Freilich empfiehlt sich die Alternative nur sehr finanzstarken und großen Unternehmen, die sich an die Investitionen wagen und ihre Server auslasten können.

Und die aktuellen Amazon-Verluste? Sie schrecken Analysten kaum. Bezos hat schon öfter bewiesen: Wenn er seinen unbändigen Drang zum Expandieren und Investieren eine Zeit lang zügelt, kann er mit Überschüssen aufwarten – auch in Krisenzeiten, in denen andere rote Zahlen schreiben. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)

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