NS-Widerstand: Männlich, kommunistisch und alt

Symbolbild: Akten aus der NS-Zeit
Symbolbild: Akten aus der NS-ZeitAPA
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Der Historiker Wolfgang Neugebauer hat anhand von Akten der Gestapo und Gerichtsverfahren Österreichs organisierten Widerstand rekonstruiert.

Spätestens mit dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich 1938 formierte sich der österreichische Widerstand gegen das NS-Regime. Anhand von Akten der Gestapo sowie zu Gerichtsverfahren erarbeitete Historiker Wolfgang Neugebauer Struktur und Zusammensetzung des organisierten Widerstandes: Er war männlich dominiert, relativ alt und politisch meist links orientiert.

Mehr als 6300 Gerichtsverfahren wegen Widerstandsdelikten vor dem Volksgerichtshof (VGH) sowie den Oberlandesgerichtshöfen Wien und Graz hat Neugebauer, langjähriger Leiter des Archivs des Österreichischen Widerstandes (DÖW), für sein Werk "Der österreichische Widerstand 1938-1945" analysiert. Am Dienstagabend wird die um statistische Daten erweiterte Neuauflage im Zuge der Wiener Vorlesungen präsentiert.

Frauen bei Regimegegnern unterrepräsentiert

Denn bisher musste man sich bei der Untersuchung vor allem auf Schätzungen verlassen. Nun könne man - zumindest für den organisierten Widerstand - tatsächliche Bilanz ziehen, erklärte Neugebauer. Ein Befund: Frauen waren bei den Regimegegnern unterrepräsentiert. Das lag laut dem Historiker einerseits an der durchaus patriarchalen Struktur der Widerstandsgruppierungen, andererseits aber auch an dem Vorgehen der NS-Behörden.

"Frauen wurden häufig nur als Mittäterinnen bzw. Helferinnen und als weniger gefährlich betrachtet und dementsprechend geringer bestraft", so Neugebauer. Während Männer meist des Hochverrats, der Wehrkraftzersetzung oder des Landesverrats angeklagt und oft auch zum Tode verurteilt wurden, entgingen Frauen in Österreich diesen Urteilen häufig. Etwa 15 Prozent aller Angeklagten vor dem VGH waren weiblich. Jedoch ergingen von 321 vom VGH ausgesprochenen Todesurteilen nur 19 (5,9 Prozent) an Frauen.

Politische Ausrichtung ausschlaggebend

Auch die politische Ausrichtung von als Widerständler verhafteten Personen bedeutete bei den Gerichtsverfahren durchaus Unterschiede. Während Regimegegner mit sozialdemokratischem oder kommunistischem Hintergrund meist innerhalb weniger Monate verurteilt und hingerichtet wurden, erging es Angeklagten mit legitimistischen oder katholisch-konservativer politischer Einstellung zumindest zunächst besser. Denn die von Hitler persönlich 1939 erlassene "Führerstopanordnung" untersagte die Durchführung von Hochverratsprozessen gegen österreichische "Separatisten" - sie wurden bis 1943 in Untersuchungshaft behalten.

Grundsätzlich lag der Altersschnitt der vor dem VGH angeklagten Widerstandskämpfer bis 1941 bei etwa 30 Jahren, danach kletterte das Durchschnittsalter auf 40 Jahre. Zum einen sei das darauf zurückzuführen, dass die politische Sozialisierung der meisten Regimegegner schon vor 1934 in sozialdemokratischen Organisationen (danach verboten) bzw. teilweise bis 1938 in katholischen und "ständestaatlichen" Verbänden erfolgt war. "Danach lag das Meinungsmonopol - gerade in Bezug auf die junge Generation - bei der Hitlerjugend", schilderte der Historiker. Die Einziehung zur Wehrmacht dezimierte zudem den Pool junger Männer, die angeworben werden konnten.

(APA)

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