Googles Pakt mit einzelnen Medien

A neon Google logo is seen as employees work at the new Google office in Toronto in this file photo
A neon Google logo is seen as employees work at the new Google office in Toronto in this file photo(c) REUTERS (MARK BLINCH)
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150 Millionen Euro will Google in den europäischen Journalismus investieren. Acht Zeitungen wie „Guardian“, „Zeit“ und „FAZ“ sind an Bord. Lassen sie sich kaufen?

Ein Satz sagt mehr als tausend Worte. Als Mathias Müller von Blumencron, Digital-Chef der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die Nachricht über den überraschenden Deal seines Verlags mit Google vertwitterte, schrieb er: „Wir sind skeptisch optimistisch.“ Zeitungen wie der „Guardian“ und die „Financial Times“, die spanische „El Pais“ und die italienische „La Stampa“ gaben am Dienstag in London bekannt, dass sie sich an der „Digital News Initiative“ beteiligen, für die Google in den kommenden drei Jahren 150 Millionen Euro locker machen will.

Gar nicht optimistisch, dafür umso skeptischer sehen dies nicht nur die meisten anderen Medien Europas, sondern auch Wettbewerbshüter und Verlegerverbände, wie der VÖZ in Österreich. Denn es entsteht der Eindruck, Google kaufe sich bei renommierten Medienhäusern frei, um die kritischen Stimmen gegen den Digitalriesen einzudämmen. VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger sagt: „Google hat Kreide geschluckt, sein Geschäftsmodell hat der Web-Gigant jedoch beibehalten.“

Belohnung für „brave Medien“

Tatsächlich sieht der Deal bei näherer Betrachtung nach einem geschickten Marketingzug von Google aus. In Europa hat der Suchmaschinenriese einen Marktanteil von 90 Prozent – auch deswegen weht dem Unternehmen seit einiger Zeit ein rauer Wind entgegen. Die EU-Kommission hat Mitte April nach fünfjähriger Prüfung eine Kartellklage gegen Google eingebracht. Sie wirft dem Unternehmen vor, seine marktbeherrschende Stellung in Europa missbraucht zu haben. Als Frankreich vor zwei Jahren die Einnahmen von Google versteuern wollte, ließ das Unternehmen 60 Millionen Euro springen. Und die Steuerpläne waren vom Tisch. Bestechung geglückt, hieß es damals. Und schließlich haben große deutsche Verlage, wie Springer („Bild“, „Welt“) und Burda lange um eine „Lex Google“ gekämpft, ein Gesetz, das Suchmaschinenanbieter verpflichtete, für die kurzen Anreißer von Zeitungsartikeln zu bezahlen.

Das Gesetz kam 2013, doch Google drohte, die Texte einfach nicht mehr anzuzeigen – und die Verlage knickten aus Angst vor sinkenden Zugriffszahlen ihrer Webseiten ein und erteilten dem Suchmaschinenanbieter eine „widerrufliche Gratiseinwillung“. Eine peinliche Posse. Nun machen ausgerechnet Medien wie „Die Zeit“ und die „FAZ“, die sich aus der Leistungsschutzrecht-Debatte heraushielten, gemeinsame Sache mit Google. Natürlich müssen sie sich gefallen lassen, dass manche munkeln, hier würden „brave“ Medien nachträglich belohnt.

Besser Kooperation als Konfrontation – mit diesem Motto will Google Europas Verlage überzeugen. Schon bisher gab es sich bei Medientagungen gerne als hilfsbereiter Partner der (Digital-)Journalisten. Die „Digital News Initiative“ geht über die Partnerschaft mit den acht Gründungs-Medienhäusern hinaus: Google will Innovationen im digitalen Nachrichtenjournalismus finanzieren. Vorschläge dafür einreichen kann jeder Verlag, jedes Online-Medium, jedes IT-Startup. Dazu wird es Schulungen für Digital-Kompetenz geben. Es sieht so aus, als habe Google die Vision, dass irgendwann jeder Journalist sagen kann, er sei in dieser oder jener Sache von Google unterstützt worden.

Während in London die Details des Google-Medien-Pakts präsentiert wurden, diskutierte man in Wien bei der Präsentation des aktuellen ORF-Public-Value-Jahresberichts darüber, ob „Google, Apple und Co. die digitale Welt von morgen beherrschen“ werden. ORF-Chef Wrabetz betonte zwar, „was Google zur medialen Entwicklung beigetragen habe“, sei nicht zu unterschätzen. Dennoch würde es jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag an Werbung aus Europa abziehen. Er zweifle also, ob die 150 Millionen Euro an ausgewählte Verlage „ein Angebot auf Augenhöhe“ seien, „oder ob da nur ein paar Glasperlen an Einzelvertreter lokaler Eliten verteilt werden.

Deutlich optimistischer sind übrigens Experten wie der US-Professor Jeff Jarvis. Er glaubt an die neue Initiative, Zusammenarbeit sei besser als Protektionismus. Warnender sind die Worte von Matthew Ingram. Dem Online-„Profil“ sagte der Digitalexperte gerade wieder, wie viel Einfluss Google und Facebook schon heute auf die Verbreitung von Nachrichten haben: „Sie sind wie ein Magier, der nicht in seine Trickkiste blicken lassen will“, sagte er bezogen auf ihre undurchschaubaren Algorithmen. Bleibt die Frage, ob man mit dem Magier Geschäfte machen will, auch wenn er einem seine Tricks nie erklärt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2015)

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