Südsudan: Reise durch ein verfluchtes Land

THEMENBILD: CARITAS PRESSEREISE IN DEN SUeDSUDAN
THEMENBILD: CARITAS PRESSEREISE IN DEN SUeDSUDANAPA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

4,5 Millionen Menschen im Südsudan taumeln in eine Hungerkatastrophe, zwei Millionen sind vor dem Bürgerkrieg geflohen. Wie die Caritas einem ausgebluteten Land helfen will, dessen Regierung völlig versagt.

Von oben sieht alles noch verheißungsvoll aus, fast schon paradiesisch: sattes tropisches Grün, so weit das Auge reicht. Doch dann kommt die Landung. Die äthiopische Propellermaschine setzt auf einer Schlaglochpiste auf, in deren Kratern sich kleine Seen gebildet haben. Es regnet nur noch leicht, eine Mitarbeiterin des Bodenpersonals bedeckt ihren Kopf mit einem gestreiften Plastiksackerl, ihre Füße stecken in Flipflops. Ein Chauffeur in einer grünen Pelerine lässt die Passagiere in einen alten chinesischen Schulbus steigen, außen gelb und innen rostig, und fährt Slalom zur Ankunftshalle, vorbei an wuchtigen Frachtflugzeugen, auf denen in großen Lettern die Namen internationaler Hilfsorganisationen prangen: WFP (World Food Programme), Rotes Kreuz, alles da – und dazwischen eine weiß lackierte namenlose Cargo-Maschine, um deren aufgeklappten Bauch sich südsudanesische Soldaten scharen. Eine Waffenlieferung wahrscheinlich.

Willkommen in Juba, Hauptstadt des jüngsten Staats der Welt, Dorfmetropole enttäuschter Hoffnungen, sinnloser Kriege, bodenloser Korruption und haarsträubenden Elends. Im Südsudan ist eine ganze Horde apokalyptischer Reiter unterwegs. Das wird schon vor der Passkontrolle klar. Der erste Weg führt die Neuankömmlinge nach einem Sprung über (oder in) eine schlammige Regenpfütze in ein Zelt der Weltgesundheitsorganisation. Dengue-, Gelbfieber, Typhus, Malaria, Cholera – hier grassieren so ziemlich alle Seuchen. Neue Viren und Bakterien sollen nicht dazukommen. Und deshalb hält ein Beamter jedem einzelnen Passagier im Sekundentakt gelangweilt ein altersschwaches Plastikgerät an die Stirn; er misst Fieber. In der Ankunftshalle hängen Spinnweben von der Decke. Die Luft steht, die Schweißperlen geraten in Bewegung und werden zu Bächen. Die Reise durch den Südsudan beginnt. Caritas-Präsident Michael Landau führt die Delegation an. Er will den Journalisten in seinem Schlepptau ein Bild vermitteln von der Not in diesem zerrissenen Bürgerkriegsland, ihnen die lokalen Projekte seiner Organisation zeigen – und zur Hungerhilfe aufrufen.

4,5 Millionen Menschen im Südsudan sind akut von Hunger bedroht, fast ein Drittel der gesamten Bevölkerung. Die Schwächsten trifft es am härtesten. Das Kinderhilfswerk Unicef hat die Tragödie in Zahlen gegossen: 31 Prozent der südsudanesischen Buben und Mädchen unter fünf Jahren sind unterernährt, werden körperlich und geistig zurückbleiben, falls sie noch längere Zeit so wenig essen. Die UNO schlägt Alarm. Gerät die Situation vollends außer Kontrolle, könnten im Südsudan in den kommenden Monaten 250.000 Kinder verhungern.


Gierige Kinderhände. Im Lologo-Zentrum, einer Oase der Barmherzigkeit inmitten der Slums am südlichen Stadtrand von Juba, warten ungefähr 80 kleine Kinder auf ihr Essen. Sie sitzen geduldig zu fünft im Kreis, auf einem großen Tuch im Sand unter einem gerüstartigen Baldachin. Sie lärmen nicht, vielleicht sind sie zu hungrig dafür. Und dann langen fünf Kinderhände gleichzeitig zu, greifen tief hinein in die Messingschüssel in ihrer Mitte, stopfen sich die Mäuler voll mit Reis und Linsenbrei. Mit Besteck wird hier nicht gegessen.

Dreimal pro Woche dürfen Kinder unter fünf Jahren zur Ausspeisung ins Baby-Feeding-Center der Vincent-de-Paul-Gemeinschaft. Denn zu Hause in ihren Lehmhütten und Zelten werden sie nicht satt. Insgesamt 500 bis 600 Kinder aus der Nachbarschaft kommen so über die Runden. Die älteren Geschwister hätten oft auch gern einen Happen. Sie müssen abgewiesen werden. Es ist nicht genug da.

Am Rand des Baldachins kauert eine Mutter mit ihrem 14 Monate alten Baby. Sie kann keine Milch mehr geben, den Reisbrei aber will das Kind nicht so recht essen. So bekommt der dreijährige Bruder mehr. Fünf Kinder muss die Mutter durchbringen. Sie heißt Laura, ist 33, sieht aber viel älter aus. Ausgezehrt und erschöpft sitzt sie da. Auf ihren Mann kann sie nicht zählen, er hat ein Bein im Krieg verloren, 2012 in den Nuba-Bergen. Das war das Ende seiner zehnjährigen Soldatenlaufbahn. Nun ist er zu nichts zu gebrauchen, und eine Invalidenrente erhält er noch immer nicht. Laura muss Kleider waschen für andere Leute. So verdient sie 50 sudanesische Pfund in der Woche, auf dem Schwarzmarkt entspricht das nur noch fünf Dollar. Welche Zukunft sie sich für ihre Kinder erträumt? „Ich will, dass meine Kinder studieren. Aber das Geld reicht nicht fürs Essen.“

Susan Abalo unterrichtet Englisch und Mathematik im Lologo-Zentrum, nebenbei gibt sie bei den Kleinen das Essen aus. Sie macht es gern, weil sie weiß, wie oft die Kinder hungrig ins Bett gehen. Einen Job hat in dieser Gegend kaum jemand. Hier leben arme Leute, viele Vertriebene des Krieges, die bei ihren Verwandten untergekommen sind.

In Susan Abalos brütend heißen Klassen drängen sich 60 bis 80 Schüler. Nicht alle haben Hefte und Bücher. Der Unterrichtsstil erinnert ans Militär, nicht nur der grün-gelben Uniformen wegen. In einer der Klassen stehen heute Minusrechnungen auf dem Programm. „Subtraktion“, sagt der Lehrer laut, und seine fünf Dutzend Schüler müssen es fünfmal im Chor nachsprechen. „Subtraktion.“ Nun kennen sie wenigstens das Wort. Zu addieren gibt es in ihrem Leben wenig.


Sinnloser Tod. „In diesem Land stirbst du an nichts und für nichts“, sagt Matthias Fettback, als er uns in einem Geländewagen auf der Rumpelpiste zum Lologo-Zentrum begleitet. Der 60-jährige drahtige Deutsche hat mehr als drei Jahrzehnte Afrika-Erfahrung, seit ein paar Jahren arbeitet er nun schon als technischer Landwirtschaftsberater der Caritas im Südsudan. Doch wie sinnlos der Tod hier seine Ernte einfährt, setzt ihm bis heute schwer zu. „Die Leute sterben oft an einfachen Krankheiten, weil sie sich den Transport ins Spital oder die Behandlung nicht leisten können. Der letzte Ausweg ist dann für viele der traditionelle Heiler.“

Der Ärztemangel im Südsudan ist dramatisch. Im ganzen Land, das fast so groß ist wie Frankreich, gebe es gerade einmal vier orthopädische Chirurgen und vier Kinderärzte, sagt Yousif Deng Riak. Der 47-Jährige arbeitet für die britische Lepramission im Südsudan, nebenbei schaut er einmal pro Woche im Vincent-Center vorbei. Ärzte ohne Grenzen seien nur in den Notfallgebieten im Einsatz, die staatlichen Spitäler heillos überlastet. Wer rechtzeitig behandelt werden will, braucht Beziehungen und Geld. Aufklärung und Information sind für Riek die wichtigsten Waffen. Viele Seuchen seien auf verschmutztes Wasser zurückzuführen. Neulich brach wieder die Cholera aus.

Der Tod hatte schon immer leichtes Spiel im Südsudan. Seit dem Ende der britischen Kolonialherrschaft 1956 war mit ein paar Jahren Unterbrechung immer Krieg. In zwei blutigen Bürgerkriegen erkämpfte sich der christliche schwarze Süden die Freiheit vom muslimisch-arabischen Norden. Doch die Euphorie währte nach dem 9. Juli 2011, dem Tag der südsudanesischen Unabhängigkeit, nur kurz. Im Dezember 2013 brach im jungen Staat ein offener militärischer Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir, einem Dinka, und seinem ehemaligen Stellvertreter Riek Machar, einem Nuer, aus. Schießereien in zwei Militärbaracken weiteten sich in Windeseile zu einem neuen Bürgerkrieg aus. Die Stämme der Dinka und der Nuer überzogen einander mit Rachefeldzügen, vor allem im Norden. Zehntausende Menschen wurden seither getötet, zwei Millionen in die Flucht getrieben.

In drei von zehn Bundesstaaten tobt ein unglaublich brutaler Krieg, wie die UNO vergangene Woche in einem Bericht dokumentiert hat. Soldaten der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) und ihre verbündeten Milizen plündern, vergewaltigen und verbrennen ihre Opfer bei lebendigem Leib. Auch vor Kindern macht die Gewalt nicht halt. Die Zahl der Kindersoldaten wird von der UNO mittlerweile auf 13.000 geschätzt. Sieben Versuche des ostafrikanischen Staatenbundes Igad, ein Friedensabkommen zwischen Salva Kiir und Machar Riek herbeizuführen, sind bisher gescheitert. „Beide Seiten glauben offenbar immer noch, militärische Vorteile erzielen zu können“, sagt John Ashworth, ein Ex-Priester, der seit 32 Jahren im Südsudan lebt und die Kirche politisch berät.

Auf der Strecke bleiben die Menschen. Die 32-jährige Abao hat das Grauen gesehen, in Malakal, einem heftig umkämpften strategischen Knotenpunkt im ölreichen Norden des Landes. Einst war Malakal die zweitgrößte Stadt des Landes, heute ist es eine Geisterstadt mit 2000 Einwohnern. „Ich bin auf der Flucht über Leichen gestiegen. Rebellen haben meinen Mann getötet.“ Die Witwe will nicht viel darüber reden. Sie ist außer sich über die Zustände in dem Flüchtlingslager in Juba, das auf dem Gelände einer ehemaligen muslimischen Schule gleich nach Kriegsbeginn aus dem Boden geschossen ist und nun aus allen Nähten platzt.

6400 Menschen sind auf engstem Raum zusammengepfercht. „Schau in mein Zelt, schau in mein Zelt“, schreit sie und lüftet die Matte. „Alles voll mit Schlamm.“ Wütend schleudert die Witwe einen feuchten Erdklumpen auf den Boden. Hätte sie nicht drei Kinder zu versorgen, wäre sie wohl schon wahnsinnig geworden. Ein Zelt reiht sich ans nächste, Plastikplanen, die über Holzpflöcke gestülpt sind. Durch die Zeltreihen führen schmale sandige Pfade, einen halben Meter breit. Töpfe, verkohlte Feuerstellen und Plastikkanister verstellen den Weg. Eine Mutter und ihr Baby liegen teilnahmslos da, umschwirrt von Fliegen. Die Hitze ist sengend. Kann man sich so die Hölle vorstellen? „Wir haben nichts zu essen, keinen Platz zum Schlafen“, sagt Asbel mit monotoner Stimme. Auch sie hat sich von Malakal bis hierher durchgeschlagen, mit fünf Kindern.


Happy Dance. Das Lager ist dramatisch unterversorgt. Das World Food Programme hat viele Flüchtlinge noch nicht registriert. Die Vincent-Gemeinschaft und die Caritas versuchen einzuspringen. Doch es reicht nicht. „Seit drei Tagen können wir keine Nahrungsmittel verteilen“, sagt Mayen Kur Kuer, einer der Stammeshäuptlinge im Lager. Viele Familien hätten auch nicht ausreichend Trinkwasser. Vor der alten Schule tanzen Frauen einen Happy Dance, sie hüpfen im Kreis und stoßen schrille Jubellaute aus. Zu Ehren der Gäste. Lindern kann das Elend in diesem Land scheinbar nur die Lust der Südsudanesen an der Freude.

Die Regierung streitet vehement ab, dass die Lage außer Kontrolle geraten ist. „Es gibt keine Hungerkatastrophe im Südsudan“, sagt John O. Kanisio, Generalsekretär des südsudanesischen Rates für Ernährungssicherheit, lächelnd in seinem gut gekühlten Büro. Das ist die offizielle Linie, die später auch der Koordinator für humanitäre Hilfe nachbeten wird. Und ein zweiter Satz wiederholt sich: Die Regierung arbeite „hart an einem Frieden“. Von der Zukunft ist auch viel die Rede: vom Südsudan als Kornkammer Afrikas und von den 1000 Traktoren, die der Präsident neulich ins Land gebracht hat.


Kein Staat. „Es gibt hier keinen Staat“, sagt Bruder Hans bei einem nächtlichen Gespräch am Nilufer. Ein paar Monate ist er schon hier für die Comboni-Brüder, ein Zusammenschluss verschiedener Orden. Was er bisher gesehen hat, entsetzt ihn. Auch die Nichtregierungsorganisationen (NGO) stehen bei ihm nicht hoch im Kurs. „Sie kommen und gehen. Die Kirche bleibt.“ In Juba hat sich ein NGO-Business etabliert. Die Preise sind in die Höhe geschossen. Für ein Apartment, das westlichen Standards genügt, muss man bis zu 4000 Dollar pro Nacht hinblättern, für eine Nacht in einem Hotel mit funktionierender Dusche und Internetanschluss mehr als 200 Dollar. Juba hat wahrscheinlich einer der höchsten Dichten an Geländewagen der Welt. Ohne SUV kommt man nicht weit. Nur wenige Kilometer Straße sind asphaltiert. Ein Liter Diesel kostet mittlerweile 13 sudanesische Pfund. Der Treibstoff ist knapp geworden. Der Südsudan produziert nur noch 165.000 Fass Öl pro Tag , vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Dezember 2013 waren es 235.000 Fass. Die Schlangen vor den Tankstellen können lang werden. Straßenverkäufer bieten deshalb an jeder Ecke Diesel in Plastiktrinkflaschen an, gestreckt vermutlich.

Wo die verbliebenen Öleinnahmen versickern, ist die große Frage. Das Budget für das laufende Jahr sieht vor, dass 45 Prozent der Mittel ans Militär fließen. Und von dort vermutlich noch weiter. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein paar mächtige Familien dieses arme Land ausnehmen und das gestohlene Geld nach Kenia, Uganda oder in den Westen transferieren.

Was der südsudanesische Staat unter Verantwortung versteht, konnten die Salesianer in ihrer Missionsstation in Gumbo, 20 Kilometer von der Hauptstadt, erleben. 2040 Flüchtlinge haben sie seit Dezember 2013 aufgenommen. Die Armee hat die Vertriebenen zu ihnen umgeleitet. Sie wohnen in Zelten am Rand der Mission. Ein Zaun zum Lehmdorf nebenan schützt die Frauen vor Vergewaltigungen. Die hygienischen Bedingungen gelten als gut. Es gibt Toiletten. Nur zu essen gibt es auch im Gumbo zu wenig. Das Budget ist aufgezehrt, die rasende Inflation hat die Mittel weggefressen. Und die Regierung verpflichtet die Hilfsorganisationen, Euro und Dollar zum offiziellen Kurs zu wechseln – zu einem Viertel des Werts auf dem Schwarzmarkt.

Der Südsudan muss praktisch alles importieren, sogar Gemüse, das kommt teuer in einem Land, dessen Verkehrswege sich binnen Stunden in tiefe Schlammlöcher verwandeln können. Vor einem Jahr kostete eine Packung Kekse 30 Pfund, inzwischen fünfmal so viel. Im Lager klagen alle über die schlechte Versorgung. Pater David, der Missionsleiter, denkt Tag und Nacht nach, wie er die Flüchtlinge durchfüttern kann; er will verstärkt auf dem Areal der Salesanier-Mission Lebensmittel anbauen. Auch die Straße zur Mission möchte er gern befestigen. Bei Regen bleiben die Autos im Schlamm hängen. Für die Straße aber fehlt das Geld. Zuerst das Fressen, dann die Straße.

Pater David treibt die Kinder der Vertriebenen in die Schule. Früher lockte er sie: mit Frühstückskeksen, doch es sind nicht mehr genug da. Demnächst soll mit den Mitteln der Caritas eine neue Schule gebaut werden. Pio unterrichtet derzeit bis zu 100 Kinder unter freiem Himmel. Der 48-jährige Lehrer ist selbst ein Flüchtling. Er kam nach der Unabhängigkeit aus Khartum, der Hauptstadt des Sudan. Sein Hab und Gut hat er noch immer nicht zurückerhalten. Es hängt fest, in irgendeinem Lager am Nil. „Vielleicht es auch längst gestohlen worden.“ An den Ausbruch des neuen Bürgerkriegs kann er sich gut erinnern. Die Kämpfe begannen in der Nähe. Granaten schlugen in Gumbo ein. „Der Krieg zerstört alles in diesem Land.“ Pio setzt auf die Jugend. Er will die Talentierten zusätzlich in Abendklassen unterrichten. „Nur sie können den Südsudan aufbauen.“ Pio ist ein Idealist. Lehrer verdienen im Südsudan 300 Pfund pro Monat, umgerechnet 30 Dollar. Polizisten sind angesehener. Sie erhalten 700 Pfund.

Die Himmel über dem Flüchtlingslager von Gumbo verfinstert sich. Ein Gewitter kündigt sich an. Der aufkommende Wind weht Grillgeruch daher. Eine alte Frau hockt über eine Feuerstelle und brät drei Ziegenfüße.

Über das Flugfeld von Yambio, der Provinzhauptstadt von Western Equatoria, gellt ein Pfiff. Die Anrainer müssen nun schneller über die Erdlandebahn im Regenwald laufen. Eine Cessna ist im Anflug. Der fruchtbare Süden an der Grenze zum Kongo war früher die Kornkammer des Landes, könnte es wieder werden. Theoretisch. Die Ressourcen wären da. Mangobäume schießen hier aus dem Boden wie Bohnenstangen. Die Caritas unterstützt deshalb Kleinbauern, um die Landwirtschaft voranzutreiben. Wir fahren auf der roten Straße aus gepresster Lateriterde in den Süden. Pater Mark, ein athletischer Mann mit kerzengerader Haltung und ernstem Gesicht, erwartet uns im Regenwald. Seine Leute haben den Weg in den Dschungel mit Macheten freigeschlagen. Nach 20 Minuten Fußmarsch geraten wir auf eine Lichtung. Die Bauern haben Auberginen, Bittertomaten, Wassermelonen und Mais angepflanzt. Das Wasser pumpen sie aus den Sumpfgewässern der Umgebung. Justin Morris begleitet uns. Er ist ein Arrow Boy, beschützt mit einer Miliz die Dörfer vor den Kämpfern der Lord's Resistance Army. Der 39-Jährige kennt die kriegerische Sekte des Joseph Kony aus eigener Erfahrung. Er war 28 Jahre alt, als ihn LRA von hier entführte. Sie schlugen und folterten ihn, dann machten sie ihn mit „schwarzer Magie“ zu einem Mörder: Sie schnitten ihn mit Rasierklingen und rieben heiße Kohle in die Wunden. Nach dem Initiationsritual tötete und plünderte Justin. Doch er wollte weg von der Bande: Mit einem Kongolesen, den er selbst entführt hatte, gelang ihm die Flucht. Doch damit war sein Martyrium noch nicht beendet. Er konnte sich nicht mehr einfügen in seinem Dorf. „Ich musste erst wieder lernen, mich und andere zu lieben. Ich musste lernen, in den Menschen keine Tiere mehr zu sehen, die man abschlachten kann.“ Es war ein harter Weg, heute will er gemeinsam mit Pater Mark anderen LRA-Rückkehrern helfen. Er hat viel zu tun. Die LRA entführte 3000 Menschen in der Gegend. Für Frauen wie Clementine, die von einem LRA-Kämpfer vergewaltigt und geschwängert wurde, ist die Heimkehr besonders schwer. Das Dorf hat sie und ihr Kind zunächst ausgestoßen. Der Krieg greift von allen Seiten nach den Südsudanesen.


Zurück in die Vergangenheit. Rund um Yambio versucht Caritas-Mitarbeiter Matthias Fettback, Bauern zu schulen, Kooperativen zu bilden, sie an ihr altes Wissen zu erinnern. Sie bauen Ananas und Gemüse an, alles, was ein bisschen Geld bringt. Es ist ein langer Weg.

Zurück in die Vergangenheit: 40 Kilometer von Yambio entfernt steht eine Industrieruine. Die Briten hatten hier ein Zentrum für Holz- und Textilverarbeitung, bauten Baumwolle an und machten Geschäfte mit Teakholz. Die Lager sind leer, die großen Sägeblätter verrostet. Nur das Geschäft mit dem Teakholz blüht noch. Die Bevölkerung hat nichts davon. Der Südsudan war schon einmal weiter, vor 80 Jahren.

Mindestens fünf Flüche lasten auf diesem landschaftlich gesegneten Land: Krieg, Hunger, Korruption, Inflation und eine unfähige Regierung. Ist dem Südsudan überhaupt zu helfen? Doch was will man sonst tun? Die Menschen verrecken lassen? „Wir müssen schnell helfen. Sonst ist es zu spät“, sagt Caritas-Präsident Landau am Ende der Reise.

Hinweis: Die Caritas hat einen Teil der Reisekosten übernommen.

Spenden

Dieser Ausgabe ist ein Erlagschein beigelegt. Die Spende kommt hungernden Menschen in Nahost und Afrika zugute. Mit 30 Euro erhält eine Familie in den ärmsten Ländern Afrikas Gemüsesaatgut und Geräte zur Bodenbearbeitung. Mit 20 Euro unterstützen Sie ein syrisches Flüchtlingskind einen Monat mit Lebensmitteln, Kleidung und Hygieneartikeln.

Caritas-Spendenkonto PSK:

IBAN: AT926000 0000 0770 0004 BIC: OPSKATWW

Kennwort: Hungerhilfe

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.