Frankreichs Bauernrevolte eskaliert

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Trotz Zugeständnissen durch die französische Regierung blockieren die Landwirte Straßen, um Billigimporte zu verhindern. Jetzt werden die EU-Agrarminister eingeschalten.

Paris. Die Zugeständnisse, welche die französische Regierung gemacht hat, reichen nicht aus, um die Wut der protestierenden Viehzüchter und Milchbauern zu besänftigen. Die Aktionen gehen weiter: In der Nacht auf Montag haben diese nun auch im Elsass sechs Straßen zwischen Deutschland und Frankreich blockiert. Sie kontrollieren dabei die Ladungen der Lastwagen: Falls es sich um Lebensmittel aus der deutschen Landwirtschaft handelt, drohen die französischen Bauern damit, alles auf die Straße zu kippen. Mehrere Dutzend Lastwagen wurden so zur Umkehr gezwungen. In derselben Weise haben die Landwirte auch in Südfrankreich „Grenzkontrollen“ durchgeführt, wo sie spanische Billigimporte nach Frankreich verhindern wollen. Mit diesen Aktionen wollen sich die französischen Bauern gegen einen „verzerrten Wettbewerb“ in Europa wehren.

Damit wird der französische Konflikt zu einem europapolitischen Thema. Auf französischen Wunsch hin findet am 7. September ein außerordentliches Treffen der EU-Landwirtschaftsminister statt. Dabei soll es auch um die ungleichen Arbeitsbedingungen und die Sozial- und Umweltnormen gehen, die in Europa bei den auseinanderdriftenden Produktionskosten in der Landwirtschaft stark ins Gewicht fallen.

Als drastisches Beispiel nennt Franck Sander vom elsässischen Bauernverband FNSEA den Spargel: In Deutschland koste die Arbeitsstunde nur fünf Euro, in Frankreich wegen des für alle geltenden Arbeitsrechts und Lohnniveaus zwölf Euro. Die Arbeitskosten aber fallen bei den Produktionskosten im Spargelanbau mit 80 Prozent ins Gewicht. Das innereuropäische Ungleichgewicht ist hier besonders krass.

Zugeständnisse reichen nicht

Vorerst aber sucht die französische Regierung nach einem provisorischen Ausweg aus dieser Krise. Wie die Bewegung zu Ende gehen soll, weiß niemand in Frankreich. Die Zugeständnisse, die sie unter dem Druck der Proteste gemacht hat, reichen den Bauern nicht. Diese misstrauen den Zusicherungen: Sowohl beim Rind- und Schweinefleisch als auch bei der Milch sollen die Preise zugunsten der Produzenten leicht erhöht werden. Zudem will der Staat den verschuldeten Betrieben finanziell unter die Arme greifen.

Die Landwirte, die weiter Straßensperren errichten, meinen dazu, die Hilfsmaßnahmen wie die Stundung von Abgaben oder die Steuererleichterungen seien „bloß Pflästerchen“. Seit vielen Jahren sei die Wut nicht mehr so groß gewesen wie heute, meint auch Xavier Beulin, der Vorsitzende des Bauernverbands FNSEA, der die Kontrolle über die Protestbewegung verloren hat. Beulin selbst wurde an einer Straßensperre bei Lyon von zornigen Bauern mit Milchpackungen beworfen. Vor allem die über ihre Zukunftsperspektiven verzweifelten jungen Landwirte hätten das Gefühl, nicht mehr verlieren zu können, meinte der FNSEA-Präsident nachsichtig.

Wie immer, wenn wütende Bauern mit ihren Traktoren den Verkehr behindern, ausländische Produkte stoppen und auf die Straße kippen oder sogar Verwaltungsgebäude verwüsten, spricht man in Anlehnung an die Geschichte der Bauernrevolten fast achselzuckend von „Jacqueries“. So bezeichnet man seit dem großen Aufstand der besitzlosen Bauern (damals „Jacques“ genannt) Ende des 14. Jahrhunderts diese regelmäßig wiederkehrenden und oft gewaltsamen Proteste. Wie groß die Angst der jeweils Regierenden vor diesen unberechenbaren Wutausbrüchen ist, bewies unlängst die Kapitulation der Staatsführung vor dem Widerstand gegen eine Schwerverkehrsabgabe.

Panik vor Revolten

In der Bretagne hatten sich 2013 und 2014 Bauern zusammen mit Gewerbetreibenden nach dem historischen Vorbild der (blutig niedergeschlagenen) Steuerrevolte der „Roten Mützen“ zur Zeit des Sonnenkönigs, Louis XIV., gegen einen Beschluss der Pariser Zentralmacht gewehrt.
Der Verzicht auf die Schwerverkehrsabgabe hat den Staat mehr als eine Milliarde Euro gekostet. Die Panik, mit der die Regierung 2014 auf die „Roten Mützen“ und heute auf die Forderungen reagiert hat, belegt, wie sehr diese bäuerlichen Revolten für sie immer noch einen politischen Albtraum darstellen. Sie hat fast automatisch die öffentliche Meinung gegen sich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2015)

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