Pädagogik: Souverän im Klassen-Kampf

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Österreichs Klassenzimmer werden bunter, unruhiger, herausfordernder. Beispiele für Lehrgänge, die Pädagogen den Rücken stärken können.

Die zunehmende ethnische und nationale Buntheit, die aufgrund von Migrations- und Flüchtlingsströmen in Österreich eingekehrt ist, bildet sich auch in den Klassenzimmern ab. Kinder und Jugendliche aus mehr als 160 Staaten besuchen hierzulande die Schule – was im besten Fall zu einer großen Bereicherung beiträgt, im schlechtesten zu großen Problemen führt. Dazu kommen andere Herausforderungen, von Sprachbarrieren über den Umgang mit Mobbing, Süchten oder Traumatisierungen, der Förderung von Schülern mit besonderen Bedürfnissen, aber auch mit Hochbegabung, bis zu den steigenden Anforderungen der Schulbürokratie und den ständig wechselnden fachlichen Vorgaben, wie sie beispielsweise die Zentralmatura mit sich bringt.

Migration und Schule

Um Pädagogen im Umgang mit Migrantenschülern zu professionalisieren, bietet die PH Salzburg seit einigen Jahren den viersemestrigen Fortbildungslehrgang Migration und Schule an. Der Lehrgang steht Lehrern aus Salzburg (bei freien Plätzen auch aus anderen Bundesländern) und aller Schultypen offen. Er soll Grundwissen über interkulturelle Kommunikation und Konfliktmanagement, den Umgang mit Mehrsprachigkeit und über Deutsch als Zweitsprache vermitteln.

Silvia Kronberger, Leiterin des Instituts für Gesellschaftliches Lernen und Politische Bildung der PH Salzburg, ist ab Dezember 2015 erstmals für den Lehrgang verantwortlich und wird auch ihren persönlichen Forschungsschwerpunkt Geschlechterpädagogik vermehrt einbringen. „Bis vor 20, 30 Jahren hatten Mädchen vom Land die schlechtesten Bildungschancen. Nachdem dieser Missstand inzwischen behoben ist, kommen neue Studien zu dem Ergebnis, dass die schlechtesten Chancen heute Buben mit Migrationshintergrund und bildungsfernen Eltern haben. Offenbar passt Schulbildung nicht zu ihrer männlichen Identität, während Mädchen mit demselben Hintergund in der Schule gut sein dürfen.“

Entsprechende Konzepte seien in dem Lehrgang unbedingt zu diskutieren. Wichtige Themen werden auf jeden Fall Mehrsprachigkeit und religiöse Diversität sein, aber auch etwa das veränderte Freizeitverhalten von Schülern mit migrantischem Hintergrund. „Heute ist es sehr leicht, Fernsehen und Internet in der Muttersprache zu empfangen. Damit verbringen viele Kinder, vor allem wenn beide Eltern berufstätig sind, den Nachmittag.“ Dadurch würde der Erwerb der deutschen Sprache verzögert, sagt Kronberger. Das neue Programm soll den Absolventen die Möglichkeit geben, bei genau solchen Situationen praxisbezogen reagieren zu können. Vorbild und Ziel sind dabei Ganztagesschulen mit verzahntem Unterrichts- und Freizeitangebot.

Einfach? Achtsamkeit anwenden

Eine neue und relativ kompakte Möglichkeit der Weiterbildung für Personen in pädagogischen und psychosozialen Berufsfeldern soll das ab Herbst geplante zweisemestrige Certified Program der Donau-Universität Krems „Achtsamkeit in pluralistischen Gesellschaften“ werden. Das Prinzip und die Praxis der Achtsamkeit, die ein zentrales Element in buddhistischen Traditionen bilden, kann dort innerhalb von sieben Präsenzseminaren erlernt werden.

Theologe Ernst Fürlinger, der nicht nur den neuen Lehrgang leitet, sondern auch das Zentrum für Religion und Globalisierung der Donau-Uni, sieht im Erlernen von Achtsamkeitsübungen eine große Chance für Lehrer und Schüler: „Mehrere empirische Studien haben deren positive und nützliche Wirkung auf Kinder und Jugendliche gezeigt“.

So wird im Programm erlernt, wie die Aufmerksamkeit, die Konzentrationsfähigkeit und das Wohlbefinden durch Achtsamkeit verbessert werden können. Mit relativ einfachen Mitteln sollen sich Pädagogen etwa die Skills dazu aneignen, die Selbstakzeptanz und Klarheit des Denkens der Schüler zu fördern und negative Emotionen zu verringern. Ein Aspekt der Weiterbildung liegt auch im Umgang mit Internet und sozialen Medien. „Damit gehen häufig Ablenkung und Informationsoverload einher, von denen gerade Jugendliche betroffen sind“, sagt Fürlinger.
Der neue Kremser Lehrgang soll sich durch den akademischen, nicht konfessionellen Rahmen und seinen Fokus auf den psychosozialen Bereich abheben, außerdem laut Fürlinger „durch ein kritisches Verständnis von Achtsamkeit, das das Prinzip nicht auf ein kurzfristiges individuelles Management von Stress und negativen Emotionen reduziert“.

Wer sich dem Thema in Kurzform nähern möchte: Der MBSR(Mindfulness Based Stress Reduction)-Verband Austria führt einen achtwöchigen Kurs „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ durch. Neben den Übungen, grundlegenden Informationen zur Stresspsychologie und -physiologie sowie zum Umgang mit Angst, Schmerz und Belastungen werden auch Strategien erlernt, um die Kursinhalte im Alltag umsetzen zu können. In Ausnahmefällen kann ein MBSR-Kurs auch kompakt über den Zeitraum von vier Wochen angeboten werden. Die Kurse basieren auf dem an der University of Massachusetts Medical School entwickelten MBSR-Programm. Im angelsächsischen Bereich (USA und Großbritannien) existieren bereits mehrere fundierte Achtsamkeitsprogramme in Schulen, die wissenschaftlich begleitet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.