Minions: Gelb und allgegenwiderwärtig

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Anfangs mögen sie ja noch süß gewesen sein. Doch mittlerweile ist es schon schwierig geworden, den gelben Figuren zu entkommen. Und die Minions beginnen, massiv zu nerven.

In Wirklichkeit kann man ja gar nichts gegen sie haben. Es wäre, als würde man einem jungen Hund, der mit großen Augen und treuherzigem Blick hinter einem Scheunentor hervorlugt, einen Tritt versetzen. Sie, das sind diese kleinen gelben Dinger – man kann sie ja nicht einmal Männchen nennen –, die in jüngster Zeit so ziemlich überall auftauchen, wo sie bislang weder da noch notwendig waren. Minions, so heißen sie – wobei man das vermutlich nur jenen erklären muss, die die vergangenen Wochen in völliger Abgeschiedenheit von der Zivilisation verbracht haben. Obwohl, selbst auf der Raumstation ISS wird man das Phänomen wohl schon mitbekommen haben.

Sie sehen aus wie die kleinen Kapseln aus den Überraschungseiern, nur dass sie Augen (mit Brillen), Münder und ein paar Haare haben – und Hosen tragen. Ein bisschen wie Sponge Bob – nur in rund. Und nicht ganz so frech – die Minions benehmen sich eher tollpatschig, stolpern durch die Weltgeschichte und unterhalten sich dabei in einem Gebrabbel aus unverständlichen Lauten mit eingestreuten Wörtern – „Banane“ zum Beispiel, was ja auch keine allzu große sprachliche Herausforderung ist. Und solange sie das alles nur im Kino machten, war die Welt noch in Ordnung. Erstmals 2010 im 3-D-Animationsfilm „Ich – Einfach unverbesserlich“ als Nebenfiguren aufgetaucht, begann schnell ihre steile Karriere. 2013 folgte eine Fortsetzung der Geschichte um den Superschurken Gru, der dank dreier Waisenkinder die nette Seite an sich entdeckt. Und in der die kleinen gelben Figuren erneut einen großen Auftritt hatten. Im Sommer 2015 war es schließlich so weit – die Nebenfiguren bekamen ihren eigenen Film („Minions“).

Potenzial als Werbeträger

Was ja auch noch kein Problem gewesen wäre. Schließlich hätten sie dort nur für all jene ihre Tollpatschigkeit ausleben können, die das per Kauf eines Kinotickets auch ausdrücklich wollten. Allein, die Universal Studios hatten bald das Potenzial der gelben Figuren als Werbeträger entdeckt. Oder, und das ist die wahrscheinlichere Variante, sie erst eigens dafür kreiert, weil sie sich so wunderbar als Testimonials für alles Mögliche und Unmögliche eignen.

Es gibt Capri-Sonne-Saftpackungen (in der Geschmacksrichtung BanApple – was sonst?) als „Limited Edition“. Die Tic-Tac-Zuckerln nutzen die Ähnlichkeit der Protagonisten mit dem Produkt. So wie auch der Batteriehersteller Varta, der die Figuren auf die Packungen druckt. Leibniz presst Butterkekse in Minions-Formen, Fruchtgummi-Minions von Haribo waren sowieso zu erwarten. Immerhin, zumindest Manner hat offenbar noch nicht daran gedacht, eigene Minion-Schnitten herauszubringen.

Es ist ein Effekt eingetreten, wie man ihn von „Star Wars“ kennt: Das Merchandising ist mittlerweile größer als der Film selbst. Apropos „Star Wars“, die Minions sind wie Jar Jar Binks aus der Science-Fiction-Reihe: geschaffen als tollpatschiger Sympathieträger. Mit dem Unterschied, dass der Gungan vom Planeten Naboo in eine an sich düstere Filmwelt gesetzt wurde und dort die echten Fans der Filmreihe nervte. Die Minions haben ihm gegenüber zumindest den Vorteil, dass ihre bunten Animationsfilme genau solche Protagonisten brauchen. Und sie damit nicht eine eigentlich zutiefst dramatische Handlung konterkarieren.

Und zugegeben, der Unterschied zwischen einer Filmfigur und einem Produkt wie einem Lebensmittel fällt bei den kleinen gelben Minions nicht ganz so groß aus – zumindest lassen sich Zuckerln in Minion-Form eher sinnvoll erklären als, sagen wir, der dunkle Sith Lord Darth Vader als Testimonial für Erdbeerjoghurt. Und doch hat ein gewisser Sättigungseffekt eingesetzt. Was auch daran liegen mag, dass die Werbekampagne für den Minions-Film, der Anfang Juli angelaufen ist, bereits im Dezember des Vorjahres gestartet wurde. Für Universal mag es profitabel gewesen sein – immerhin hat man durch Verträge mit großen Unternehmen à la Amazon oder McDonald's einen Gegenwert von 593 Millionen Dollar (ca. 543 Millionen Euro) erwirtschaftet. Doch bei den Konsumenten hat selbst die lustigste Werbeaktion irgendwann jenen Punkt überschritten, an dem man beginnt, genug davon zu haben. Der Begriff „Overkill“ ist in diesem Zusammenhang schon des Öfteren zu hören.

Hass auf die Minions

Gerade im Internet setzt an dieser Stelle oft ein Schub der kollektiven Kreativität ein – und es folgen regelrechte Wellen des Hasses auf die ungeliebten Figuren. Im Fall der Minions etwa in Form von Bildern, die eine säuberlich aufgeschnittene gelbe Figur zeigen – Untertitel: Filet Minion. In der Facebook-Gruppe „I Hate Minions“, in der diverse Grausamkeiten zu sehen sind, etwa wie Minions von einer Rakete getroffen werden und explodieren. Oder mit einem Bild, bei dem Chucky, die Mörderpuppe, einen Minion mit einer Schere attackiert.

Doch schon rein quantitativ haben die Fans gegenüber den Minion-Hassern wohl noch immer die Oberhand. Im Internet unter anderem auch deswegen, weil sich die Figuren gut als Emojis eignen – statt eines Smileys lässt man im Facebook-Chat eben einen Minion tanzen. Und im realen Leben schlägt die normative Kraft des Faktischen erbarmungslos zu – entkommen kann man ihnen ja doch nicht, also muss man sich mit ihnen arrangieren.

Schlümpfe vs. Minions

So wie man als Kind eben mit Schlümpfen (interessante Parallele: Alle Minions sind männlich; die Schlümpfe bekamen zumindest eine Schlumpfine) gespielt hat, haben die Kinder heute Minions im Zimmer liegen. So wie in den 1980ern Monchhichis (die kleinen Äffchen, Sie wissen schon) eine Hochblüte erlebt haben, sind es heute eben andere Wesen, für die sich die Kleinen begeistern.

Das ist es auch, was den Umgang mit den Minions erträglich macht – das Wissen, dass der Hype bald wieder vorbei sein wird. Künftige Generationen werden beim Wühlen in den Spielsachen der Eltern vielleicht gelbe Plastikfiguren oder leere Minion-Tic-Tac-Schachteln finden. Vermutlich werden sie sie dann auch süß finden. Warum auch nicht?, werden dann die Erwachsenen denken, die jetzt von den penetranten gelben Quälgeistern genervt sind. Denn in Wirklichkeit kann man ja gar nichts gegen sie haben.

Wer sind die Minions?

Der Film:
„Minions“ läuft seit Anfang Juli im Kino. Erzählt wird die Geschichte der kleinen gelben Wesen, die sich schon in Urzeiten entwickelt haben. Ihr Lebenszweck ist es, schrecklichen Verbrechern zu dienen. Allerdings zerstören sie durch ihre Tollpatschigkeit sämtliche ihrer Meister: vom T-Rex bis zu Dschinghis Khan, Dracula oder Napoleon. Also beschließen sie, einen neuen Meister zu suchen.

Die Figuren:
Erstmals tauchten die Minions 2010 im 3-D-Animationsfilm „Ich – Einfach unverbesserlich“ auf, in dem sie dem Superschurken Gru dienen, der im Lauf des Films drei Waisenmädchen aufnimmt und dadurch die gute Seite an sich entdeckt. Nach einem zweiten Teil folgte mit „Minions“ (2015) ein Prequel, das die Geschichte der gelben Figuren vor ihrer Zeit bei Gru erzählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2015)

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