"Wer geht nach Traiskirchen?"

Children of asylum seekers stand behind the fence of an asylum processing center in Traiskirchen
Children of asylum seekers stand behind the fence of an asylum processing center in TraiskirchenREUTERS
  • Drucken

Bei der Bevölkerung der Stadt mit dem Erstaufnahmezentrum herrscht auch nach dem jetzigen Notfallplan der Bundesregierung Misstrauen gegenüber Zusagen von Politikern.

Sie sind von Landes- und Bundespolitikern enttäuscht. Versprechen über Entlastungen des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen von Flüchtlingen haben sie hier schon oft gehört. Das gilt auch für den am Freitag von Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sowie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angekündigten Notfallplan. Mit dem kann der Bund künftig Gemeinden Flüchtlingsquartiere aufzwingen. Zugleich hat das Land eine Aufnahmesperre für neue Asylwerber verhängt. Selbst da herrscht Misstrauen, weil er nicht sofort gilt: „Was heißt da Mittwoch?“, fragt ein 53-jähriger Traiskirchner im Zentrum der 20.000-Einwohner-Stadt im niederösterreichischen Bezirk Baden.

Faktum ist, dass nach wie vor rund 4500 Flüchtlinge in der Betreuungsstelle des Bundes an der Otto-Glöckel-Straße untergebracht sind. Auf 1800 soll deren Zahl durch Verlegungen reduziert werden. Im Vorjahr war noch von maximal 480 Flüchtlingen die Rede gewesen. An diesem ersten August-Samstag lagern zahlreiche Flüchtlinge noch immer in Zelten oder gar unter freiem Himmel unter Föhren auf dem Gelände um die Gebäude. Eine Flüchtlingsfamilie spielt auf einer Decke mit ihrem Kind. Mütter suchen mit Kinderwägen im Schatten Schutz.


Kritik an Pröll. „Was uns die Regierung erzählt, glaubt in Traiskirchen keiner mehr“, pflichtet eine Frau dem Mann Samstagvormittag im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ bei. Dabei macht die Bevölkerung offenbar keinen Unterschied, von wem Zusagen über eine Verbesserung der Situation für Traiskirchen gemacht wurden. Weder Innenministerin Mikl-Leitner noch die Bundesregierung noch Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll werden da ausgenommen. „Vom Pröll hat man lange Zeit überhaupt nichts gehört“, beklagt die Frau. Und fügt schnippisch hinzu: „Wo der doch so allmächtig ist.“

Die Verlegung weiblicher Flüchtlinge aus dem Lagergelände in die nahe gelegene Sicherheitsakademie wird in Traiskirchen eher als Hohn empfunden: „Wir haben's jetzt in der Sicherheitsakademie.“ Eine Entlastung haben sich die Menschen hier wenige Kilometer südlich von Wien jedenfalls ganz anders vorgestellt.


„Einfach zu viele“. Dabei wird versichert, dass man grundsätzlich mit der Unterbringung im Erstaufnahmezentrum kein Problem habe, wohl aber mit der hohen Anzahl an Flüchtlingen. Man ist mit dem Zustrom vertraut. Er sei 53 und mit Asylanten aufgewachsen, schildert der Mann, manche seien sogar Freunde geworden. „Aber jetzt sind's einfach zu viele“, bekräftigt die Frau. „Man lässt eigentlich die Traiskirchner und die Asylanten im Stich.“

Auf jene Politiker in den anderen Bundesländern, die sich gegen die Erfüllung der 2004 ausgemachten Quoten zur Unterbringung von Flüchtlingen sträuben, ist man hier auch nicht gut zu sprechen. Nur einen Politiker nehmen sie ausdrücklich von der Kritik aus: den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler. Er hat heuer bei der Gemeinderatswahl mit der SPÖ auch einen Zugewinn auf 73,1 Prozent verbucht. „Sind wir froh, dass wir unseren Bürgermeister haben“, lautet das Lob für ihn.

Über den Stadtchef lässt auch der Traiskirchner Hartmut Eszterwitsch nichts kommen, er arbeite sehr gut. In Wien sei Babler freilich nach der Kundgebung mit den Einwohnern „ein bisschen aufs Abstellgleis“ gestellt worden. Er bezweifelt, dass die Regierung durchgreifen werde, um viele Flüchtlinge rasch aus Traiskirchen zu verlegen, und hegt die Befürchtung, dass „es irgendwann einmal eskalieren wird“. Zuletzt bei den Demonstrationen von Flüchtlingsunterstützern am vergangenen Sonntag sei die Situation schon angespannt gewesen.

Längerfristig gebe es ohnehin negative Auswirkungen auf die Entwicklung wegen des Flüchtlingslagers: „Wer geht heute noch nach Traiskirchen?“

Fakten

Knapp 20.000 Einwohner zählt die Stadt Traiskirchen im Bezirk Baden.

Rund 4500 Flüchtlinge waren zuletzt im Erstaufnahmezentrum untergebracht. Deren Zahl soll zumindest auf 1800 reduziert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

FLUeCHTLINGSLAGER TRAISKIRCHEN
Österreich

Asyl: Plan für "Schutz auf Zeit"

Innenministerin Mikl-Leitner wird mit der SPÖ über Änderungen verhandeln.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.