Liebesbetrug: Überweisung statt Heirat

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Ein Traumpartner im Internet, den man noch nie getroffen hat – und der plötzlich Geld braucht. Tatsächlich fallen Menschen auf Love Scams herein.

Er ist Anfang 60, am Ende seiner erfolgreichen Laufbahn und hat durch ein tragisches Unglück seine Frau verloren; sie ist Mitte 20, von zierlicher Gestalt und als Model gefragt. Was beide Traumpartner gemein haben: Lässt man sich mit ihnen ein, werden sie innerhalb kürzester Zeit am anderen Ende der Welt Opfer tragischer Umstände, die es nötig machen, ihnen große Geldbeträge zu schicken.

Eine „Notwendigkeit“, die immer mehr Opfer dieser Love Scammer – also Betrüger in Sachen Internetliebe – als echt einschätzen: So sollen allein in den USA im zweiten Halbjahr 2014 ungefähr 6400 Betroffene 82 Millionen US-Dollar (knapp 90 Millionen Euro) überwiesen haben. Die Dunkelziffer wird bedeutend höher geschätzt, da viele Opfer aus Scham nicht zur Polizei gehen. 82 Prozent dieser Verluste mussten laut FBI Frauen verkraften, 18 Prozent Männer. Und bei diesen handelt es sich nicht um naive Teenager, denn auf Taschengeldbeträge sind die Scammer nicht aus. Zielgruppe sind vielmehr Menschen zwischen 50 und 60, die den Partner verloren haben und sich im fortgeschrittenen Alter unattraktiv oder zurückgewiesen fühlen. Auch übergewichtige Menschen gehören zur Zielgruppe der gut organisierten Scammer.

300.000 Dollar verloren

Erst kürzlich sorgte die 76-jährige Janet Cook für Schlagzeilen, weil sie 300.000 Dollar an einen Romance Scammer verloren hatte. Die seit 17 Jahren verwitwete Amerikanerin hatte sich online auf die Suche nach einer neuen Liebe gemacht, und war dabei gar zu schnell fündig geworden. „Ich mochte ihn sehr, weil er mir so süße Sachen gesagt hat, so charmant war und so ein warmherziges Auftreten hatte“, erzählte die Witwe dem Fernsehsender CBS. Gesehen hat Cook ihre vermeintliche Liebe nie, während ihrer viermonatigen „Romanze“ war er angeblich als Bauunternehmer in Südafrika tätig. Dort ereilte ihn dann auch dasselbe Schicksal wie so viele vorgeblich zukünftige Ehepartner: Er wurde schwer krank und brauchte eine Spenderniere, für die viel Geld transferiert werden musste. „Ich habe mir solche Sorgen um ihn gemacht und wirklich gedacht, er müsse sterben.“ Eine Sorge, die sie 300.000 Dollar überweisen ließ. Und das, obwohl die ältere Dame keine reiche Witwe ist, sondern trotz ihrer 76 Jahre noch als Bürokraft arbeitet, um ihr bescheidenes Einkommen aufzubessern. Das anders angelegte Pensions- und Sozialsystem in den USA macht es leichter, größere Summen Geld aus dem Rentenfonds zu nehmen oder das Eigenheim zu verpfänden. Weswegen mittlerweile auch der amerikanische Pensionistenverband AARP eindringlich vor den Praktiken der sogenannten 419-Scammer warnt.

Der Paragraf 419 beschreibt den nigerianischen Straftatbestand des Vorschussbetrugs, mit dem schon in den 1980er-Jahren organisierte Banden aus dem afrikanischen Staat Trickbetrügereien per Fax versucht haben. Heute wird das Internet genutzt, um neben den Romance Scams auch die bekannten Mails zu versenden, in denen um Hilfe beim Außerlandesbringen von Millionenbeträgen gebeten wird – gegen großzügige Beteiligung, sofern man nur in Vorkasse ginge. Während diese Art des Betruges bekannt ist und schlimmstenfalls finanzielle Verluste beschert, bleiben bei Liebesbetrügereien oft emotional schwer getroffene Menschen zurück. Die nicht nur den Verlust einer für sie realen Liebesbeziehung verkraften, sondern auch die Scham gegenüber Freunden und Familie ertragen müssen. Denn diese erkennen die Warnsignale oft schon früher, stoßen bei den Opfern aber häufig auf taube Ohren.

Gar zu schön klingt nämlich für den Betroffenen oft, was dem Beobachter von Anfang an suspekt vorkommt. So gehört zu den ersten Warnsignalen im Zusammenhang mit Love Scams die Geschwindigkeit, mit der die neue Internetbekanntschaft in Liebe entbrennt. Wenn das Gegenüber schon nach drei Wochen E-Mail-Kontakt Heiratsanträge aus der Ferne macht, ist Vorsicht genauso geboten wie bei Konstellationen, die zu schön sind, um wahr zu sein. Denn möglicherweise verbergen sich hinter dem erfolgreichen 25-jährigen Model, das sich online so unsterblich in den noch nie gesehenen Frührentner verliebt hat, eher Damen und Herren, die in einer ganz anderen Branche erfolgreich sind.

Ein weiteres Anzeichen für einen Romance Scam ist auch der Wunsch, möglichst schnell das Dating-Portal des Erstkontakts zu verlassen und sich über private Kanäle weiter auszutauschen. Damit wollen Scammer der Aufmerksamkeit entgehen, mit der Online-Partnervermittlungen versuchen, diese Betrüger von ihren Seiten zu verbannen. Sobald sich bei der großen neuen Liebe aus dem Internet die tragischen Vorkommnisse von schweren Krankheiten bis zu unrechtmäßigen Verhaftungen häufen, sollten spätestens dann alle Alarmglocken schrillen. Und geht die erste Anfrage nach Geldtransfers ein, sollte der Kontakt sofort abgebrochen werden, so schmerzhaft das zunächst auch sein kann.

Selbsthilfeforen. Manche Opfer finden nach einer solchen Erfahrung Trost darin, andere vor ähnlichen Erlebnissen zu schützen und organisieren sich auf sogenannten Scambaiter-Seiten. Dort werden Fotos und E-Mail-Adressen der Scammer ausgetauscht und erhaltene Liebesschwüre zu Vergleichszwecken online gestellt. Eine der bekanntesten Seiten hat auch einen deutschsprachigen Ableger, www.scambaiter-forum.info, zudem haben sich auf Facebook entsprechende Gruppen organisiert. Denn auch wenn die Sprachbarriere einen gewissen Schutz für Senioren aus dem deutschsprachigen Raum bietet, gibt es jüngere Frauen auf Datingseiten, die beliebte Ziele sind. Zu den populärsten Ködern für sie gehört der angebliche US-Soldat, der noch in Afghanistan stationiert ist, bald aber aus der Armee austreten und die Liebste mit ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten nehmen wird.

Verratene Liebe

6400 Menschen wurden nach Angaben des FBI allein im zweiten Halbjahr 2014 in den USA Opfer von Love Scams (Scam = Betrug). Die Schadenssumme beträgt 90 Millionen Dollar (knapp 82 Millionen Euro), die Dunkelziffer wird noch deutlich höher geschätzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2015)

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