China: Xi Jinpings pompöser Machtbeweis

Es ist die größte Militärparade in der Geschichte Chinas.
Es ist die größte Militärparade in der Geschichte Chinas.REUTERS
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Mit einer gigantischen Militärparade will der Staatschef nach innen und außen Stärke zeigen. Trotz jüngster Turbulenzen dürfte der starke Mann an Chinas Spitze fest im Sattel sitzen.

Wien/Peking. Alles soll perfekt laufen. Nicht umsonst strahlt der Himmel über Peking so blau wie lange nicht mehr. Denn wenn China heute die Kapitulation Japans am 2. September 1945 feiert, soll sich die Volksbefreiungsarmee von ihrer besten Seite zeigen: 12.000 Soldaten übten wochenlang in Reih und Glied über den Tian'anmen-Platz zu marschieren. Weiße Markierungen am Boden der Prachtpromenade Chang'an sollen jeden Fehltritt verhindern.

500 der „weltweit modernsten“ Waffensysteme, darunter Atomraketen, will China präsentieren. Die Luftwaffe wird mit einer Show aus 200 Kampfjets aufwarten. Um zu verhindern, dass Jungvögel in die Turbinen der Flieger geraten, setzte man im Vorfeld Affen, Falken und Hunde als Tötungstrupps ein.

Offiziell heißt es, China wolle sich mit der Parade zum Gedenken an den „70. Jahrestag von Chinas Sieg im Widerstandskrieg gegen Japan“ als verantwortungsbewusste Friedensmacht präsentieren – in Wahrheit aber, sagt Nadine Godehardt von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, ist die Parade eine Demonstration der Stärke. „Xi Jinping will damit zeigen, dass China nicht mehr nur eine aufsteigende Macht, sondern bereits aufgestiegen ist.“ Und damit vor allem ein Signal an Japan und die USA senden, meint der deutsche Journalist und China-Kenner Christian Schmidt.

Öffentlich gibt Peking nicht zu, dass international nur die zweite Liga vertreten ist: Außer Russland nehmen Länder wie Kuba, Pakistan und Serbien teil. Mit der Zurschaustellung der Macht – und vor allem der harschen Japan-Rhetorik der Medien im Vorfeld der Parade – bedient Chinas Staatschef zugleich den Nationalismus der Bevölkerung. „Ein großer Teil der Chinesen ist ja ziemlich stolz darauf, dass China weltweit wieder eine wichtige Rolle spielt“, sagt Schmidt.

Probe für Partei-Legitimität

Während China seinen einstigen Triumph heute in makelloser Perfektion feiern wird, läuft anderwärtig nicht alles wie geplant. Nach dem größten Einbruch des Aktienmarkts seit 2007 sprachen vergangene Woche sogar Staatsmedien von einem „Schwarzen Montag“. Die Sorge, dass die Kommunisten ihren marktwirtschaftlichen Reformkurs nicht einhalten, sondern versuchen, die schwächelnde Wirtschaft durch panische Ad-hoc-Maßnahmen anzukurbeln, schickte Märkte weltweit auf Talfahrt.

Dadurch sei die wirtschaftspolitische Glaubwürdigkeit der Kommunistischen Partei in Gefahr, meint Sandra Heep vom Berliner Merics-Institut. Auch ihre Legitimität werde durch Finanzturbulenzen und sinkende Wachstumsraten bedroht. „Denn diese beruht seit Jahrzehnten vor allem darauf, dass die KP für einen wachsenden Wohlstand der Bevölkerung sorgte“, erklärt sie. Dass sich Chinesen an einstellige Wachstumsraten gewöhnen müssen, merke man in Peking „bisher nur daran, dass sich die neuesten Shopping Malls nicht mehr mit Luxusboutiquen füllen“, so Schmidt. „Selbst Peking braucht nur 30 Gucci-Filialen und nicht 50.“

Dennoch dürfte die Stagnation Sorgen bereiten. Die Studentin Qiling etwa fürchtet, keinen Job zu finden. Zudem offenbarten die Explosionen von Tianjin mit 158 Toten und 700 Verletzten nicht nur große Lücken bei Sicherheitsbestimmungen sowie grassierende Vetternwirtschaft: Sie sorgten besonders im Internet für offenen Unmut über das Krisenmanagement der Partei. Sogar das Propagandablatt „Global Times“ rief lokale Beamte in die Pflicht, sich in Krisen bereitwilliger an die Öffentlichkeit zu wenden. Es hatte eine Woche gedauert, bis der Tianjiner Bürgermeister sich in einer Pressekonferenz stellte, nach einer Explosion mit einem vom Weltall aus sichtbaren Feuerball. Selbst drei Wochen nach dem Unglück bleiben kritische Fragen offen und lösen heftige Spekulationen aus.

Die Bevölkerung wisse genau, dass die Zentralregierung inzwischen gegen zwei Dutzend Verantwortliche vorging, um den „größtmöglichen Schaden für die Partei zu verhindern“, sagt Godehardt. Selbst die pompöse Militärparade könne nicht in den Schatten stellen, was sonst passiere, meint sie.

Auch Studentin Qiling ist unzufrieden. „Dieses Unglück sollte die Regierung daran erinnern, dass die Sicherheit und das Glück der Bevölkerung die Bedingungen für Wachstum sind. Die Gesundheit der Bürger für das BIP zu opfern, ist ein zu hoher Preis.“

Kontrolle in allen Bereichen

Trotz allem hat Xi die Zügel in der Hand. „Er versucht, zu kontrollieren; in Partei und Führung so wie in allen Bereichen der Gesellschaft und Wirtschaft“, sagt Godehardt. Erst am Sonntag hat China knapp 200 Personen „bestraft“, im Internet falsche Gerüchte über die Börsenturbulenzen verbreitet zu haben. Mit der rigorosen Anti-Korruptionskampagne versuche Xi zudem nicht nur das Vertrauen der Bürger zu gewinnen. Er habe es geschafft, „sich in der Führungselite so zu positionieren, dass er im Idealfall Reformen mit allen Konsequenzen durchsetzen kann“, sagt sie.

„Die Frage ist: Findet die Zentralisierung statt, um notwendige Neuerungen einzuführen, oder ist es eine reine Machtansammlung.“ Gewiss ist jedenfalls: Der Mann an Chinas Spitze weiß seine Stärken zu demonstrieren.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2015)

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