Ich bin „schuhblind“

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Bereits vor Jahren habe ich den Richtigen gefunden: Er hat die perfekte Größe, ist schmal und gefällt mir immer noch ausgesprochen gut.

Ich sehe also keinen Grund, mich von meinem geliebten Laufschuh zu trennen. Dabei wäre es objektiv gesehen bitter nötig.

Ich zögerte die Trennung hinaus. Die Tatsache, dass der Schuh von einem Hund angeknabbert wurde, redete ich mir schön: Für mich war er dadurch unverwechselbar. Die Verschleißspuren versuchte ich durch einen Waschgang zu kaschieren. Monique, die Expertin in Tonys Laufshop, ließ sich davon aber nicht täuschen. Andere würden betriebsblind, ich sei mit der Zeit „schuhblind“ geworden, diagnostizierte sie nach einem kritischen Blick darauf.

Ich hätte wohl keine Beziehung zu meinem Schuh aufbauen, sondern es als Liaison verstehen sollen. Denn von meist nur wenig gedämpften Wettkampfschuhen sollte man sich schon nach 400, von gewöhnlichen Trainingsschuhen nach maximal 2000 Kilometern trennen. Das sind bei 20 Kilometern pro Woche nicht einmal zwei Jahre. Den Gelenken zuliebe musste ein Neuer her. Dafür wurden meine Füße abgetastet, mein Gang beobachtet und meine Trainingsgewohnheiten beleuchtet.

Ich schlüpfte in den ersten Schuh. Zu groß und zu breit fühlte er sich an. Dieses Gefühl dürften viele Läufer beim Probieren haben, denn die Expertin streckte mir wortlos ein Schild entgegen: „1. Ist der Schuh nicht zu groß? 2. Ist der Schuh nicht zu breit? Antwort: Nein, das gehört so!“, war darauf zu lesen. Laufschuhe sollten – wie ich nun weiß – je nach Wettkampfdistanz ein bis zwei Nummern größer als gewohnt gekauft werden. Mit zwei verschiedenen Schuhen an den Füßen durfte ich dann aufs Laufband. Per Video wurde die Passform und die Orthopädie überprüft. Von der Expertin gab es für beide Modelle das Okay. Ich durfte bzw. musste mich entscheiden. Es wurde das um abgewogene 50 Gramm leichtere Modell – ein Asics DS Trainer. Mal schauen, wie lange ich den neuen Schuh an mich binde.

Von einer endgültigen Trennung von meinem alten Laufschuh möchte ich übrigens (noch) nicht sprechen:Laut Expertin darf ich damit zumindest noch spazieren.

E-Mails an: julia.neuhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2015)

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