Das wurmt den Steuerzahler

Rügen holte sich Würmer fürs Fußballstadion. Nun müssen sie weg.

Zum schwachen Trost: Öffentliche Mittel werden nicht nur hierzulande verschwendet. Auch die so schrecklich effizienten, vernünftigen und sparsamen Deutschen sind vor kommunaler Hybris mit angeschlossenem Finanzdebakel nicht gefeit. Der deutsche Bund der Steuerzahler hat sein aktuelles Schwarzbuch, ein Sündenregister mit 133 Fällen präsentiert.

Da wäre etwa dieser Rasen auf Rügen. Bei der Neugestaltung des Fußballstadions im Städtchen Bergen hat man beim Untergrund gepfuscht. Weil es dort oben an der Ostsee oft regnet, machten Lacken den Platz häufig unbespielbar. Aber die Stadtväter hatten 2009 eine geniale Idee: Sie kauften 200.000 eigens gezüchtete Würmer von einer holländischen Spezialfirma (8000 Euro). Sie sollten das zu feste Erdreich auflockern und das Wasser leichter versickern lassen. Machten sie aber nicht. Stattdessen produzierten sie zahllose kleine Erdhaufen, die den Boden wellten und zusammen mit den schleimigen Ausscheidungen der Wirbellosen jedes Match in eine Rutschpartie verwandelten.

Die erste Abhilfe: Neben dem Stadion wurde ein Hartplatz mit Kunstrasen aufgebessert – um eine Million Euro aus dem Konjunkturpaket des Bundes. Natürlich nur eine Notlösung. Ein Gutachten (10.000 Euro) empfahl: Da muss eine richtige Drainage her. Gesagt, getan und neu eingesät. Aber der Wurm ist immer noch drin. Und macht weiter Ärger, denn nun verstopft er den neuen Abfluss. Was die Politiker wieder kreativ macht: Sie wollen die Tierchen durch biologische Mittel an die Oberfläche treiben. Dort sollen Ehrenamtliche sie einsammeln und einer neuen Wirkungsstätte zuführen. Was noch einmal 19.500 Euro kostet. Immerhin gibt die Bürgermeisterin zu, dass sie in einer „Provinzposse“ agiert.

Worauf man sich in der Hauptstadt nicht ausreden kann. In Berlin bedroht ausgerechnet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Passanten mit herabstürzenden Fassadenteilen. Doch statt die Behördenfront wenig repräsentativ einzurüsten, schmückte man den Gehsteig mit einem wurmartigen Fußgängertunnel, in dem die Beamten auf Schautafeln ihre tollen Projekte präsentieren. Was in Summe mit 206.000 Euro zu Buche schlug.

Aber der Wahnsinn blüht auch im Verborgenen. Im Cloppenburger Land baute eine Gemeinde ein Gewerbegebiet samt Autobahnanschluss. Trotzdem sollten zwei Buslinien die Öffi-Willigen zu Bahnhöfen bringen, die zehn und 15 Kilometer entfernt liegen. Flyer warben dafür. Doch rasch war klar: Mehr als ein bis zwei Fahrgäste pro Tag sind beim besten Willen nicht drin. Dennoch fuhren die Geisterbusse noch fast ein Jahr weiter. Nun gruselt es die Steuerzahler in Niedersachsen, die dieser Starrsinn 90.000 Euro kostet. Und wir Ösis dürfen aus der Ferne lachen.

Emails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2015)

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