Montanuniversität Leoben

Das 175-Jahr-Jubiläum der Montanuniversität Leoben erinnert daran, dass es einst visionäre und tatkräftige Menschen gab, deren Ideen bis heute wirken. Wo sind diese heute?

Erzherzog Johann war zweifelsohne ein interessanter Mensch: Er wurde schon als Revolutionär, Rebell, erster Sozialist, Großbürger, Großbauer, Großindustrieller oder Freimaurer bezeichnet – „viele Gruppierungen bedienen sich seiner Aussagen, um ihre eigenen Thesen zu stützen ohne Rücksicht auf sein eigentliches Wollen“, so Franz Harnoncourt-Unverzagt, ein weitschichtiger Nachfahre des legendären Habsburgers – und setzt diesen Ansichten eine andere entgegen: „Er hat die überlieferte Tradition auf ihre Werte geprüft, um das Gute daraus als Basis für seine Zukunftsmodelle in Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik zu verwenden“, schreibt er in der Festschrift zum 175-Jahr-Jubiläum der Montanuniversität Leoben, die Ende dieser Woche im Rahmen der Feierlichkeiten präsentiert wurde.

Auf seinen Reisen durch die Monarchie lernte Johann, der Bruder von Kaiser Franz, auch die Steiermark und deren Probleme kennen und tat forthin vieles, um diesem Land mit großer Geschichte und damals bescheidener Gegenwart die Moderne zu bringen. Auf einer Fahrt nach England 1815/16 erlebte Johann den Boom der Eisenindustrie und des Maschinenbaus (manche bezeichnen diese Reise gar als Werkspionage). Demgegenüber war die jahrhundertealte Eisenverarbeitung um den steirischen Erzberg ziemlich gestrig.

Schon ab 1811 hatte der Erzherzog den Plan verfolgt, am neu gegründeten Joanneum (Museum und Lehranstalt) eine Lehrkanzel für Hüttenkunde einzurichten. Das scheiterte vorerst aus Mangel an Geld und an einer geeigneten Lehrerpersönlichkeit. Doch er ließ nicht locker: Inzwischen selbst Eisengewerker in Vordernberg geworden, fand er Mitte der 1830er-Jahre den richtigen Mann, Peter Tunner, den er gleich einmal auf eine mehrjährige Studienreise durch halb Europa schickte.

1840 wurde schließlich in Vordernberg die Steiermärkisch-ständische berg- und hüttenmännische Lehranstalt gegründet – im ersten Jahrgang mit neun ordentlichen und drei außerordentlichen „Bergeleven“. 1849 übersiedelte die Anstalt nach Leoben. Der Rest ist ein wichtiges Stück österreichischer Hochschul-, Forschungs- und Industriegeschichte: Heute, 175 Jahre nach ihrer Gründung, ist die Montanuniversität ein zwar kleine, doch sehr feine und international erfolgreiche Universität, von der unverändert Impulse zum Wohl des Landes und der Menschen ausgehen – so wie es Erzherzog Johanns Intention war.

Wo sind heute solch visionäre Geister? ?

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2015)

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