Renaissance einer Jugendkultur

Die Hipster gab es schon in den 1950ern, die Gemeinsamkeiten mit der heutigen Generation halten sich trotz Namensgleichheit in Grenzen.

Der Hipster ist eigentlich gar nicht mehr so jung: Die Begriffe „Hipster“ respektive „hip“ tauchten erstmals in den 1940ern im Zusammenhang mit Jazzmusik auf – der Musiker Harry Gibson nannte sich etwa „The Hipster“.

Der Hipster als Subkultur trat dann in den 1950ern in den USA in Erscheinung, wie der Jugendforscher Philipp Ikrath in seinem Buch „Die Hipster“ ausführlich darlegt. Und zwar nur in den USA, in Europa war der Begriff damals nicht gebräuchlich, wobei es mit den sogenannten „Bohemiens“ eine vergleichbare Subkultur auch in unseren Breiten gab.

Zu den bekanntesten Beschreibungen der damaligen „Hipster“-Subkultur, die sich klar vom Mainstream abgrenzen wollte, zählen jene des bekannten Autors und Journalisten Norman Mailer. 1957 versuchte er in der Zeitschrift „Dissent“ eine Art Bestandsaufnahme des damaligen „Hipsters“, auch sein bekanntes Werk „The White Negro“ ist dem Hipster gewidmet.

Anders als die Hipster der heutigen Zeit waren jene der 1950er – geprägt vom Zweiten Weltkrieg und der Angst vor einem Atomkrieg – „Rebellen gegen gesellschaftliche Konventionen“, wie Ikrath schreibt: Der „Proto-Hipster“, wie ihn Ikrath nennt, sei eine „zerrüttete, vernichtete Existenz“ gewesen, „ein Träumer und romantischer Revolutionär, ein Wahnsinniger, Psychopath und Junkie“. Ein Untergrundphänomen. Der Beat-Poet Allen Ginsberg nannte die Hipster in seinem Gedicht „Howl“ „die besten Köpfe meiner Generation“, allerdings „zerstört vom Wahnsinn“.

Eine der wenigen Gemeinsamkeiten mit dem zeitgenössischen und gesellschaftlich viel verträglicheren Nachfolger ist auf der Ebene der Ästhetik zu finden: Man übernahm die Symbole (Mode etc.) einer benachteiligten Gesellschaftsschicht. Allerdings solidarisieren sich die heutigen Hipster nicht mit dem sogenannten white trash, deren Symbole (Holzfällerhemd, Trucker-Kappen etc.) sie übernahmen, während es den Hipstern der 1950er-Jahre – nicht nur optisch – um eine Solidarisierung mit der benachteiligten afroamerikanischen Bevölkerung ging. Der damalige Hipster trug etwa die gerade unter afroamerikanischen Jazzmusikern beliebten breitkrempigen Hüte ebenso wie die „Zoot-Suits“ – Anzüge mit breiten Schultern sowie breiten Hosenbeinen, die am Ende eng zulaufen. Auch musikalisch ließ man sich von dieser Gruppe beeinflussen und solidarisierte sich mit ihnen, viele Hipster waren Jazzmusiker oder Künstler. Mailer beschrieb sie weniger charmant auch als „Kleinkriminelle, Landstreicher, Schausteller oder freiberufliche Umzugshelfer in Greenwich Village“ (damals ein Szeneviertel New Yorks).

Was sie einte: Wohlhabend waren sie nicht, die prekären Verhältnisse – von denen auch die heutige Hipstergeneration betroffen ist – waren typisch für diese Generation an Nonkonformisten, die – wieder eine Parallele zu heute – viel Wert darauf legten, Individualisten zu sein.

Dass die Hipster mehr als 50 Jahre später wieder auftauchten – die Hipsterbewegung in den USA wird mit Anfang der 2000er datiert, bei uns wesentlich später –, überrascht, zumal die Parallelen überschaubar sind. Eine echte Renaissance, argumentiert Ikrath, sei das nicht, echte Bezugnahmen fehlten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2015)

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