Großer Auftritt der Urgöttin

Carolee Schneemann
Carolee SchneemannDie Presse
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Carolee Schneemann, Ikone der US-Performancekunst, stellt in Salzburg aus.

Orgiastische Szenen, beschmierte nackte Frauenleiber: In Europa ist man gewohnt, dass derlei aktionistische Fotos aus den 1960er-Jahren von Männern stammen. Doch mit Carolee Schneemann hatte die geschlossene Herren-Phalanx eine zeitgleiche weibliche Mitstreiterin über den Meeren. So werfen die Darsteller und Darstellerinnen in „Meat Joy“ von 1964 mit Fleisch und anderen Dingen umher, inszenieren ihre nackten Körper als Teil von ausgelassenen Materialschlachten, wie man das sonst nur von Nitsch und Muehl kennt. Wenn man auf Schneemanns inszenierten Fotos einen schönen nackten Frauenkörper sieht, der existenzialistische Kämpfe durchstehen muss für unser aller Körper, dann ist es ihr eigener, den sie nach ihrer eigenen Vorstellung gestaltet, er ist nicht Objekt männlicher Fantasien.

Das Salzburger Museum der Moderne widmet dieser Grande Dame der feministischen Performancekunst jetzt eine umfassende Retrospektive auf zwei Stockwerken. Allein wenn man den Weg in die Filmkammer zu „Fuses“ findet, ist man schon beglückt genug: Der 1965 fertiggestellte stumme Collage-Film ist der erste, bei dem tatsächlicher Sex in der (bildenden) Kunst gezeigt wird. Und das hat so gar nichts von Pornografie, sondern erzählt von Nähe, Beziehung, Liebe, ein unglaublich sensibles, malerisches Monument weiblicher Sexualität. Man sieht zwischen Schlieren, Überblendungen, Bildstörungen (das Filmmaterial wurde angebrannt) Schneemann und ihren langjährigen Partner – und die Katze Kitch, aus deren Perspektive das Geschehen aufgenommen wurde.

Schneemann hat einige kunsthistorische Großartigkeiten in ihrem Werk. Vielleicht wirken deswegen die schwächeren Arbeiten noch schwächer. Man muss hier nicht alles mögen, man freut sich etwa, dass sie nach den 1950er-Jahren zu malen aufgehört hat, man geht schneller durch große Installationen mit Feuerprojektionen und bleiernen Flügeln. Man erkennt vor allem, wie undankbar es eben ist, zwischen den Stühlen von Experimentalfilm und bildender Kunst zu sitzen. Schneemann hat es sich selbst nicht leicht gemacht, warum sollte sie es uns leichter machen? SP

Bis 28. 2. 2016.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2015)

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