Wettbewerb: Wirklich wichtig sind nur wenige

Ford vehicles on sale at a car dealership in Tokyo Japan on January 26 2016 Ford Motor Co annou
Ford vehicles on sale at a car dealership in Tokyo Japan on January 26 2016 Ford Motor Co annouimago/AFLO
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Nur fünf Prozent aller Unternehmen bringen eine Volkswirtschaft wirklich voran. Sie bestimmen die Leistung und Wettbewerbsfähigkeit eines Landes mehr als Politiker und Banker.

Was entscheidet über Erfolg oder Misserfolg einer Volkswirtschaft? Der Steuerhunger der Politiker? Die Spendierfreudigkeit der Notenbanker? Der Fleiß der vielen Klein- und Mittelbetriebe? Weit gefehlt.

Nur eine Handvoll von großen Unternehmen beeinflusst das wirtschaftliche Schicksal eines Landes tatsächlich, sagen Ökonomen. Ihre gewagte These: Neun von zehn Unternehmen braucht es nicht unbedingt. Sie können der Volkswirtschaft keine entscheidenden Impulse geben. Der Rest, die „happy few“, beschäftigen allein den Großteil der Menschen, exportieren die meisten Güter und sind für einen Gutteil der Wirtschaftsleistung eines Landes verantwortlich.

Beispiele gefällig? Im Jahr 2003 machte der finnische Handyhersteller Nokia weltweit 37 Milliarden US-Dollar Umsatz – mehr als ein Viertel der finnischen Wirtschaftsleistung. Die Wirtschaft des Landes wuchs kräftig. Heute ist Nokia Geschichte – und Finnland ist der neue kranke Mann Europas.


100 Firmen steuern die USA. Nokia ist ein Extrembeispiel, aber wohin man blickt, der grundsätzliche Befund ist überall gleich. In den USA, immerhin die größte Volkswirtschaft der Welt, bestimmen nur hundert Unternehmen ein Drittel des amerikanischen BIP-Wachstums, errechnete der Ökonom Xavier Gabaix. Auch die Einkommen der Amerikaner hängen mitunter stark an einzelnen Konzernen. Als Microsoft im Dezember 2004 eine Sonderdividende von 24 Milliarden Dollar an seine Aktionäre ausschüttete, stieg das Einkommen jedes Amerikaners in diesem Monat um 3,1 Prozent an – natürlich nur in der Statistik.

In Europa ist das nicht anders, zeigen die Bruegel-Ökonomen Thierry Mayer und Gianmarco I.P. Ottaviano. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes hängt stark von einigen großen Firmen ab, argumentieren sie. Ein Zehntel der international tätigen Unternehmen ist demnach für 80 Prozent aller Ausfuhren verantwortlich. Nur fünf Prozent treiben auch den strukturellen Wandel einer Volkswirtschaft voran, sagt Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung. Das gelte in Österreich genauso wie überall sonst in der Welt.

Die Mitglieder dieses exklusiven Klubs haben eines gemeinsam: Alle sind im Ausland aktiv – und diese Konkurrenz macht sie stärker. Obwohl sie höhere Löhne bezahlen, liegen ihre Lohnstückkosten deutlich unter dem Branchenschnitt. Die besten zehn Prozent sind bis zu viermal effizienter als das unterste Zehntel, sagt Helmenstein. „Prinzipiell ist Ungleichheit bei Unternehmen wünschenswert, sie bringt erst Produktivitätszuwächse. Unser hoher Wohlstand fußt auf enormen Fortschritten in der Produktivität von gestern.“ Heute ist davon wenig zu sehen. Seit Jahren tritt Österreich in Sachen Arbeitsproduktivität pro Kopf auf der Stelle. Länder wie Frankreich, Deutschland oder Großbritannien machen hingegen Fortschritte. Einer der größten Vorteile der heimischen Industrie droht, verloren zu gehen.


Es fehlt an Mut und Geld.
Was kann nun aber ein Land machen, um mehr Unternehmen zu den „happy few“ zu machen? Die simple Parole „Steuern runter!“ schadet zwar nicht, ist aber auch kein Allheilmittel. Die Ökonomen Mayer und Ottaviano fordern daher: Politiker sollten sich bemühen, möglichst vielen zusätzlichen Firmen den Gang ins Ausland zu erleichtern. So wie es heimischen Betrieben in den Nullerjahren mit der Expansion nach Osteuropa geglückt ist. Seither stockt Österreichs Internationalisierung.

Auch kleinere Unternehmen könnten eine Volkswirtschaft voranbringen, wenn man ihnen die Chance dazu gibt, so die Forscher – eine weitere Baustelle in Österreich. Geld gibt es hier vor allem von der Bank. Und sie zwingt den Unternehmen oft allzu solide Geschäfte auf. Für innovative, neue Produkte fehlt es an Mut und Risikokapital.

Fakten

Die Wirtschaft eines Landes hängt stark an der Entwicklung einiger großer Unternehmen, sagen Ökonomen. 100Firmen in den USA sind etwa für ein Drittel der BIP-Schwankungen verantwortlich.

In Europa ist es ähnlich. Hier sorgen zehn Prozent der international tätigen Unternehmen für 80Prozent aller Exporte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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