Automobil: Wer braucht das schon . . .

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"Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung": große und kleine Fehlprognosen großer und kleiner Geister.

Mit manchen Dingen kann man sich beim besten Willen nicht aufhalten, wenn man ein Weltreich zu führen hat, das wusste auch Napoleon Bonaparte: „Was, bitte sehr, veranlasst Sie zu der Annahme, dass ein Schiff gegen den Wind und gegen die Strömung segeln könnte, wenn man nur ein Feuer unter Deck anzünde? Bitte entschuldigen Sie mich. Ich habe keine Zeit, um mir so einen Unsinn anzuhören“, verkündete er im Jahr 1810 im Brustton der Überzeugung.

Womit er nicht das einzige Staatsoberhaupt gewesen ist, das mit seinen Prognosen mächtig danebenlag. Auch Kaiser Wilhelm II. ist mit seiner Aussage „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung“ eher nicht als Seher in die Menschheitsgeschichte eingegangen und Maggie Thatcher verkündete noch im Jahr 1973: „Es wird noch viele Jahre dauern – und dies nicht zu meiner Lebzeit – bevor eine Frau britischer Premierminister wird.“

Norbert Golluch hat in seinem jetzt im Riva Verlag erschienenen Buch „Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung“ diese und andere Weisheiten, die sich als nicht ganz so zutreffend erwiesen haben, gesammelt, und sorgt damit für äußerst unterhaltsame Einblicke in die Denkweisen vergangener und gar nicht so vergangener Epochen. „Im Fall unserer aktuellen Wirklichkeit zum Beispiel war das Internet den Visionären einfach entgangen: Niemand sah das Netz aller Netze mit seinen Suchmaschinen und E-Commerce-Möglichkeiten von Amazon bis eBay voraus“, hält Golluch fest, und untermauert dies mit jeder Menge Weisheiten, die seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts verkündet wurden.

So erscheint es durchaus verzeihlich, dass in den 1940er-Jahren manches noch unvorstellbar schien, als der amerikanische Unternehmer Thomas Watson mit seinem inzwischen berühmten Sager, „Ich bin überzeugt, dass es weltweit einen Bedarf für vielleicht fünf Computer gibt“, an die Öffentlichkeit trat.

Wie oft aber auch sonst eher erfolgreiche Visionäre der Neuzeit sich geirrt haben, zeigen etliche Aussagen Bill Gates' aus der jüngeren Vergangenheit. So behauptete dieser 1994 noch: „Im Internet ist für uns nichts zu verdienen“, 1995 sagte er: „Das Internet ist nur ein Hype“, und 2004 meinte er: „In zwei Jahren wird das Spam-Problem gelöst sein“, und 2010 behauptete er tapfer „Aus dem iPad wird nichts, den Netbooks gehört die Zukunft!“ Doch der Microsoft-Gründer ist bei Weitem nicht der einzige, der von den (eigenen) Entwicklungen überholt wurde. Noch 1982 stellte Philips-Vorstand Jan Timmer hinsichtlich der Compact Discs die Frage „Wer braucht eigentlich diese Silberscheibe?“, der „New York Times“-Kolumnist Paul Krugmann verkündete 1998: „Das Internet wird nicht mehr Einfluss auf die Wirtschaft haben als das Faxgerät“ und noch 2001 schrieb Zukunftsforscher Matthias Horx in der „Welt“: „Das Internet wird kein Massenmedium, weil es in seiner Seele keines ist.“

Schlaflose Nächte. Den Geist der Zeit nicht ganz erfasst zu haben, ist aber bei Weitem kein neues Phänomen – und dürfte so manchem wenig erfolgreichen Seher im Nachhinein schlaflose Nächte bereitet haben. Wie zum Beispiel dem Verantwortlichen der Plattenfirma Decca Records, der den Beatles 1962 verkündete: „Uns gefällt Ihr Sound nicht, und Gitarrenmusik ist ohnehin nicht gefragt.“

Oder Gary Cooper, der seine Entscheidung, die Hauptrolle in „Vom Winde verweht“ abzulehnen, mit den Worten kommentierte: „Ich bin nur froh, dass es Clark Gable sein wird, der auf die Fresse fällt, und nicht Gary Cooper.“ Womit er möglicherweise eine andere berühmte Hollywood-Fehlprognose aus dem Jahr 1927 rehabilitierte, als H. M. Warner von den Warner Brothers sagte: „Wer in drei Teufels Namen will schon Schauspieler reden hören?“

Was aber treibt die Menschen, so viele Neuerungen als unwichtige und vorübergehende Erscheinungen einzustufen? Das Streben nach Balance, wie Personal- und Organisationspsychologe Alfred Lackner erklärt: „Die menschliche Kulturgeschichte lebt von den beiden Polen Verändern und Bewahren. Einerseits wird die Kulturentwicklung von den Pionieren vorangetrieben, die über den Tellerrand hinaus sehen. Andererseits werden diese aber wieder von den Bewahrern auf den Boden zurückgeholt, die sagen, das ist alles Blödsinn und alles bleibt, wie es ist, nur schlechter.“ Entsprechend gäbe es immer wieder Publikationen, die den Standpunkt der einen oder der anderen Richtung beleuchten.

So auch in Golluchs Buch, auch wenn die Weissager, die in ihrem Optimismus etwas über die Realität hinausgeschossen sind, in der Minderheit sind. Wie etwa Staubsaugerhersteller Alex Lewyt, der 1955 vorhersagte: „Staubsauger, die durch Kernkraft angetrieben werden, sind vermutlich in zehn Jahren Realität.“ Was uns glücklicherweise erspart blieb. Den Optimismus von Flugpionier Otto Lilienthal hätte man dagegen nur allzu gern wahr werden sehen: „Durch Flugmaschinen werden die Grenzen der Länder ihre Bedeutung verlieren [. . .] und sie werden uns daher den ewigen Frieden schaffen.“

Das Buch

Norbert Golluch: „Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung. Kuriose Prognosen, die knapp danebengingen“, Riva-Verlag, Taschenbuch, 192 S., ab 8,99 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2016)

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