Schmuck: Das Material tritt in den Hintergrund

(c) Alja & Friends
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Die Wiener Designerinnen Alja & Friends setzen auf Schmuckkunst. Bezahlt wird das Handwerk.


Der Werkbereich fällt einem sofort auf. Im Atelier von Alja & Friends kann ein Besucher den drei Schmuckdesignerinnen beim Arbeiten zusehen, während rundherum die bereits fertigen Schmuckstücke vor großen Altbaufenstern ausgestellt sind. Die Arbeitstische der drei Frauen sind voll mit Werkzeug und Materialien. Pergament, Rosshaare, Gold, Silber, Blech – alles Mögliche verwenden die drei, um ihre eigene Art von Schmuck zu kreieren. „Wir setzen sehr auf Understatement“, sagt Alja Neuner zur „Presse am Sonntag“. Und ihre Kollegin Elisabeth Habig fügt hinzu: „Bei uns ist der Wert des Schmucks oft erst auf den zweiten Blick erkennbar.“

Tatsächlich werden Edelmetalle wie Gold oder Silber bei Alja & Friends nicht glänzend, sondern im Gegenteil, fast schon versteckt, präsentiert: etwa unter einer Patina aus Grau, Braun, Grün, je nachdem, wie man das Metall in das Feuer hält. Bei der Kette, die Neuner um den Hals trägt, wurden die grau patinierten Silberkugeln mit Pergamentkugeln kombiniert. So wie eine Kette, an der mehrere Planeten hängen.

Material tritt in den Hintergrund. Dahinter steckt eine radikale Änderung der Form, wie Schmuck präsentiert wird. Das Material tritt in den Hinter-, das Handwerk in den Vordergrund. „In der Schmuckkunst definiert sich alles über das Handwerk. Weil das Material dahinter ja oft nichts wert ist“, erklärt Neuner. Und demonstriert das gleich mit einem Beispiel: Sie legt eine Brosche in Korallenform auf den Tisch. Ein fast faustgroßes Gebilde, nur, dass die Koralle eigentlich aus Reis besteht, den die Künstlerin geschickt mit der Hand zu einer Koralle geformt und mit einer Art Lack überzogen hat.

„Wir versuchen, den Kunden die unterschiedlichsten Handwerkstechniken näherzubringen“, erklärt Neuner das Konzept ihres Ateliers, das gleichzeitig eine Galerie ist. Von kleinen Holzfiguren, die verarbeitet werden, bis zu Ästen, von denen die Form genommen und anschließend zu Ringen geformt wurde.
Noch vor zehn, 15 Jahren, ist sich Neuner sicher, wäre das in der Form nicht möglich gewesen. Zu sehr wurde noch in klassischen Kategorien gedacht: Gold und Silber als Wertanlage, je schwerer desto besser.

Mittlerweile würden die Kunden allerdings umdenken. „Man merkt schon, dass die Kunden beginnen, das Handwerk hinter einem Schmuckstück zu sehen“, sagt Elisabeth Habig. Sie sind auch bereit, dafür zu zahlen. 1400 Euro kostet die Pergament-Silber-Kette, die Neuner um den Hals trägt. Dafür ist das Stück ein Unikat. Die Kunden würden den Unterschied zum industriegefertigten Schmuck schätzen. Besonders zu wichtigen Anlässen.

Dabei ist freilich nicht nur eine gute Verarbeitung wichtig, sondern auch die Herkunft des Materials. Neuner und ihre Kolleginnen verwenden etwa ausschließlich recyceltes Gold. „Gold, das immer wieder verwendet wird, hat über Jahrhunderte einiges an negativer und positiver Energie gewonnen“, sagt Neuner.

Belastung für Umwelt. Zwar gebe es auch die Möglichkeit, Fair-Trade-Gold zu verwenden, verwenden will sie es trotzdem nicht, da der Abbau eine große Belastung für die Umwelt sei. Diamanten, sagt sie, seien mittlerweile alle zertifiziert; auch bei Edelsteinen gebe man darauf acht, dass nur solche verwendet werden, bei denen kein Raub beim Abbau stattgefunden habe. Bei allen anderen Materialien wird auf lokale Produktion geachtet, was sich in der Nähe eben so findet.

Mit der Entscheidung, das alte Juweliergeschäft der Eltern zu verändern, das diese vor 35 Jahren gründet haben, und ihre zwei Mitarbeiterinnen Elisabeth Habig und Angelina Kafka zu Partnerinnen zu machen, hätte sich auch die Kundenstruktur geändert. „Wir bekommen jetzt immer jüngere Leute“, sagt Habig.
Was wohl auch mit deren Offenheit für Neues zu tun hat. Denn extravaganter Schmuck, wie ihn die drei produzieren, muss einmal getragen werden. „Uns freut es, dass sich auch komplizierte Künstler verkaufen“, sagt Neuner.

Erst kürzlich wurde bei einer Ausstellung in der Galerie eine „fliegende Kartoffel“ verkauft – also eine Kartoffelskulptur mit Flügeln darauf. In den Vitrinen in ihrem Atelier finden sich auch jetzt die unterschiedlichsten Schmuckdesigns: Anhänger, die im 3-D-Drucker gefertigt wurden, Ketten, die aus Holz oder Stein mit Silber gearbeitet sind. Angelina Kafka hat wiederum einen Schliff entwickelt, der stark an einen Fächer erinnert. Das nächste Galerieprojekt ist eine Ausstellung zum Thema Farbe, bei der verschiedene Künstler ihre Werke (u. a. Schmuckarbeiten aus Reis) präsentieren (von 13. April bis 7. Mai).

Freilich, es geht auch weniger extravagant. Ihre Facettenringe seien derzeit bei den Kunden ziemlich beliebt, sind sich die drei einig. Es sind Ringe aus verschiedenstem Edelmetall, manche auch mit Diamanten verziert, die außen nicht rund, sondern zum Teil kantig geschliffen sind. Fast schon schlicht im Vergleich zu den mutigen Designs, die sonst in der Galerie zu finden sind. Bei aller Liebe zur Extravaganz – ganz ohne Klassik geht es eben doch nicht.

Auf einen Blick

Alja & Friends. Der Wiener Innenstadtjuwelier wurde von Alja und Mark Neuners Eltern vor 35 Jahren gegründet. Mittlerweile hat Goldschmiedin Alja ihre zwei Mitarbeiterinnen zu Partnerinnen gemacht und setzt auf Schmuckkunst. Sie verbinden ausgefallene Designs und ungewöhnliche Materialien: Gold und Silber etwa mit Rosshaaren, Keramik, Pergament etc. www.aljaandfriends.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2016)

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