Der unstillbare Hang zum Selbstbetrug

Maut, Pensionen, Bankomat: Was man uns so alles erzählen kann.

Eine raschere Angleichung des Frauenpensionsalters an das der Männer würde die Arbeitslosigkeit erhöhen, hat das Wifo neulich herausgefunden. Das, erlauben wir uns anzumerken, stimmt so einfach nicht. Die Angleichung wird nur, genau so, wie das in den vergangenen Monaten schon durch die Erschwerung der Frühpension bei den Männern geschehen ist, bisher versteckte Arbeitslosigkeit sichtbar machen.

Und das ist gut so. Denn Probleme kann man in der Regel erst bekämpfen, wenn man sie erkennt. Wenn man Arbeitslosigkeit mittels Frühpensionierungen versteckt und sich dann angesichts der niedrigen Arbeitslosenrate für seine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik auf die Brust klopft, dann ist das nicht mehr als eine gepflegte Form des Selbstbetrugs.

Den sehen wir jetzt auch bei der Diskussion um mögliche Bankomatgebühren, die in der Vorwoche die halbe Regierung aufgescheucht hat: Ob die jetzt auf jede Transaktion aufgeschlagen oder, wie sich das der Finanzminister wünscht, über irgendwelche Pauschalien abgegolten werden, ist nämlich völlig irrelevant. Natürlich müssen alle Kosten, Steuern und Abgaben, die in einem Unternehmen anfallen, am Ende der Kette den Endkunden verrechnet werden. Die Bankkunden zahlen die Kosten der Bankomaten also auch schon jetzt. Halt nicht exakt nach dem Verursacherprinzip – und es ist ihnen meist auch nicht klar.

In diese Kategorie fällt übrigens auch die gestern von den Länder-Finanzreferenten angeheizte Diskussion über eine Lkw-Maut auch abseits der Autobahnen, die eine halbe Milliarde jährlich einspielen soll. Natürlich kann man die argumentieren. Aber am Ende des Tages findet sich die Maut zur Gänze im Ladenpreis der per Maut-Lkw antransportierten Waren wieder. Wetten?

Geplant ist also nichts anderes als eine zusätzliche Massensteuer zur Füllung der trotz Rekordsteuerquote leeren Länder- und Bundeskassen.

Wir sollten uns nicht zu viel erzählen lassen. Die Lust am Selbstbetrug mag das stagnative Umfeld erträglicher erscheinen lassen. Aber wirkliche Änderungen setzen voraus, dass man zuerst die Realität erkennt.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)

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