Maler Gunter Damisch gestorben

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Der Maler Gunter Damisch ist am Samstag nach schwerer Krankheit gestorben. Er war ein charismatischer Künstler, großer Humanist, liebenswürdiger Mensch.

Er war nicht nur einer der charismatischsten Maler Österreichs. Er war nicht nur einer der einflussreichsten Lehrenden, über 20 Jahre lang leitete er die Klasse für Grafik an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Generationen von Künstlern, muss man sagen, haben hier jemanden gefunden, den man selten findet. Vor allem nämlich war er ein hervorragender, ein unendlich liebenswürdiger Mensch. Am Samstag ist Gunter Damisch gestorben, nach kurzer, schwerer Krankheit. An einem Frühlingstag, der alles versprach, was er so liebte – die meditative Arbeit in seinem Garten in Freidegg, in Niederösterreich, das Fliegenfischen, das Werken an seinen großen Skulpturen und den komplexen Drucken, die er 2013 in der Albertina ausstellte.

„Macro Micro“ hieß diese Schau damals – das Große im Kleinen, das Kleine im Großen, jedenfalls das Wesentliche, Spuren des Lebens überall zu finden und zu zeigen, dieser universellen Frage unserer menschlichen Wahrnehmung hat er sein ganzes Werk gewidmet. Früh schon hat er seine ganz eigene, unverkennbare Bildsprache gefunden, immer und überall tummelten, sammelten sich Miniaturfiguren um organische Formen, die man je nach Veranlagung als spirituelle Weltenlöcher, als soziologische Ballungen, als mineralogische Verdichtungen lesen konnte. Wie simple Striche, Flimmerhärchen oder Tentakel sahen diese anonymen Figuren auf den schnellen Blick aus, aber es waren Damischs „Steher“ und hervortretende „Flämmler“, stellvertretend für uns alle, die hier in seiner Kunst archaisch-fröhliche Gesellschaften bilden und in ihrer immerwährenden Wiederholung ganze archaisch-fröhliche Welten und Universen.

So viele Menschen haben einen Ausschnitt dieser intensiv bunten Universen zu Hause, leben damit, und leben gern damit. Mit ihren „Silberweltlochflämmlern“, „Roten Weltlochquerwegdichten“, „Eckweltkonstruktnebeln“, „Nächtlichen Weltweglochverschlingungsfaltkarten“ und wie sie alle heißen. In diesen Bildern haben alle Platz, sind alle gleich, zutiefst humanistisch sind sie, sind auch seine Skulpturen, deren Bedeutung in Damischs Werk erst in seiner letzten großen Ausstellung, 2013 im Landesmuseum Niederösterreich, so richtig klar wurde. Die filigranen, überlebensgroßen Türme waren aus Abgüssen aus der Natur zusammengebaut, aus abgegossenen Schwammerl, Pockerl, Blumenstängeln, Schneckenhäusern, Ästen, was Damisch in seinem herrlichen Garten alles unterkam beim Gärtnern. Er war ein leidenschaftlicher Gärtner, „ich gärtnere so vor mich hin“, erzählte er, „tauche ein ins Prozesshafte, komme in einen zeitlichen Rhythmus, das ist sehr genussvoll“. In seinen Skulpturen verschmolz die Liebe zur Natur mit der Liebe zu uns, zu seinen „Stehern“ und „Flämmlern“. Makro- und Mikrokosmen existieren hier nebeneinander, verbinden sich zu märchenhaften Konstruktionen. Ums Leben ging es immer. Ums gute. Und Damisch hatte ein gutes.

Privat und auch beruflich, eine Bilderbuchkarriere, könnte man im Rückblick sagen, zumindest für österreichische, europäische Verhältnisse. 1958 in Steyr geboren, besuchte er das Musikgymnasium Linz, wollte Mineraloge werden, studierte dann kurz und vieles, Medizin, Germanistik, Geschichte. Bis er Ende der 70er-Jahre nach Wien an die Akademie ging, wo er bei Maximilian Melcher und Arnulf Rainer studierte. Er sollte von hier nicht mehr weggehen, bis zuletzt hatte er die Grafik-Klasse inne, die er 1992 von seinem Professor übernahm. Er war stark engagiert, für seine Studierenden wie für die Studienpolitik, dabei am Ende aber immer verbindlich, versöhnlich.

Er war auch ein „Neuer Wilder“. Man wird nichts gravierend Negatives hören über ihn, auch nicht von seinen früheren Kollegen, mit denen er in den 1980er-Jahren den Kunstmarkt eroberte unter dem Titel „Neue Wilde“. Gleich nach Studienabschluss gab es Galerienausstellungen in Wien, in Deutschland, Damisch wusste, dass er viel Glück hatte, in dieser Aufbruchszeit seine Karriere starten zu dürfen. Seine frühe Malerei war auch tatsächlich groß, kräftig, bunt, ganz wie man sich die Bilder der „Neuen Wilden“ wie Siegfried Anzinger oder Hubert Schmalix eben vorstellt.

Doch Damisch war ein wenig jünger als die anderen, als „Zwischenfigur“ sah er sich selbst daher auch. Er stellte zwar mit ihnen aus, in der Wiener Galerie Ariadne etwa, an der Akademie waren diese charismatischen Malermänner aber nicht mehr, als Damisch dort studierte. Er zählte sich zur zweiten Welle der damals neu belebten, „wilden“ Malerei, zu Herbert Brandl, Hubert Scheibl, Gerwald Rockenschaub, Otto Zitko. Dem Narrativen, erzählte Damisch, standen sie schon skeptischer gegenüber, Ironie und Abstraktion, das Performative und Konzeptuelle rückte in den Mittelpunkt. Und in einer Punkband musste man natürlich ebenfalls spielen, die von Damisch hieß Molto Brutto, er spielte Bass und Orgel, man brachte Platten heraus, tourte sogar durch Deutschland. In der Wohnung des Sängers Fritz Grohs spannte Damisch damals bis zur Decke seine Leinwände auf, die er dann mit archaischen Wesen bemalte. Doch der Hype um die „Neuen Wilden“ war in den 90er-Jahren so schnell vorbei, wie er gekommen war. Immerhin, viele konnten leben von ihrer Malerei, man war plötzlich arriviert und weise, manche jedenfalls, Damisch gehörte sicher dazu. So sah er seinen „Job des Lehrers“ nicht darin, punktgenaue Vorschläge zu machen, erklärte er, „sondern eine Haltung zu fördern und Unterstützung zu geben, eigene Entscheidungen treffen zu können. Die Lösungen für ihre Generation müssen die Studierenden selber finden.“ In Zukunft auch ganz allein. Könnte man sagen. Aber so sah sie nicht aus, die Sicht von Gunter Damisch. Allein war man nie vor seinen Bildern, in seinen Bildern. Sein Menschenbild wird uns fehlen wie er selbst. Seine Menschenbilder sollten es aber auch vermögen, uns zu trösten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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