Retrospektive: Ein Filmemacher mit unverstelltem Blick

Das Filmarchiv Austria würdigt das Schaffen von Georg Wilhelm Pabst.

Bei Georg Wilhelm Pabst weiß man nicht, wo anfangen – derart vielgestaltig ist das Werk des großen Regisseurs. Im Lauf seiner Karriere war Pabst in fünf verschiedenen Ländern tätig und erfand sich dabei immer wieder neu. Viele seiner Arbeiten sind unanfechtbare Klassiker, in Wien ist sogar eine Gasse nach ihm benannt – doch wer sich schwer einordnen lässt, fällt leicht dem Vergessen anheim. Erfreulich: Das Filmarchiv Austria widmet Pabst bis 25. Mai eine umfassende Retrospektive.

Pabst, geboren im böhmischen Raudnitz, begann seine Karriere als Theaterschauspieler. 1925 brachte „Die freudlose Gasse“ (mit Greta Garbo) den Durchbruch als Kinoregisseur: Die schonungslose Klassenkontrastmontage im inflationsgebeutelten Nachkriegs-Wien gilt als Paradewerk der Neuen Sachlichkeit. Siegfried Kracauer bewunderte, wie darin „reales Rohmaterial einzig im Verlangen nach Wahrhaftigkeit“ arrangiert wurde, doch Stilwillen war Pabst nicht fremd: Im Psychoanalysedrama „Geheimnisse einer Seele“ flirren die Traumsequenzen, später folgten Abenteuer („Die weiße Hölle des Piz Palü“) und Phantastik („Die Herrin von Atlantis“). Für „Die Büchse der Pandora“ besetzte er den US-Bubikopf Louise Brooks als Lulu: Ein Glücksfall – Brooks‘ ätherisch-erotische Ausstrahlung machte sie zur Stilikone. Pabsts Blick auf das Soziale wie das Sexuelle war stets unverstellt – 1929 wurde sein zweiter Brooks-Film, „Tagebuch einer Verlorenen“, verboten, 1933 sein famoses Antikriegsstück „Westfront 1918“. Trotzdem drehte er unter den Nazis, der Ruf des Kollaborateurs verfolgte ihn bis zuletzt. Das Metro-Kino zeigt auch Pabst-Raritäten aus Frankreich und Italien – leider nicht immer untertitelt. (arn)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

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