Gleich und gleich gesellt sich gern

Tanja Kleinhappel sagt: " „Für mich war die Frage, die ich lösen wollte, immer wichtiger als die Frage, mit welchem Tier ich arbeite.“
Tanja Kleinhappel sagt: " „Für mich war die Frage, die ich lösen wollte, immer wichtiger als die Frage, mit welchem Tier ich arbeite.“Alessandro Pesaro/Uni Lincoln
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Die Zoologin Tanja Kleinhappel untersuchte das soziale Netzwerk von Fischen in England. Ihr Fazit: Wer sich gut riechen kann, verbringt mehr Zeit miteinander.

Zuerst waren es Bienen in Graz, dann Tauben in Wien und schließlich Fische in England. Tanja Kleinhappel hat sich nicht auf eine Tiergruppe spezialisiert: „Für mich war die Frage, die ich lösen wollte, immer wichtiger als die Frage, mit welchem Tier ich arbeite.“ Die junge Zoologin lebt seit vier Jahren in Lincoln, einer Kleinstadt in Mittelengland. „Die Universität ist hier eher jung, aber sie wächst derzeit ungemein“, sagt Kleinhappel. Sie zog für das Doktoratsstudium nach England, den PhD-Titel hat die Grazerin schon in der Tasche. Zur Überbrückung, bis sich eine neue Forschungsstelle findet, arbeitet Kleinhappel in einer kleinen Firma in Lincoln als wissenschaftliche Angestellte. „Wir entwickeln Produkte für die Landwirtschaft: Dünger und wachstumsfördernde Produkte, die den Ertrag der Landwirte erhöhen.“ Ihr Freund, den sie in Lincoln an der Uni kennengelernt hat, ist auch bald fertig mit dem PhD, dann wollen die beiden in eine neue Stadt ziehen. Bewerbungen schicken sie bereits in die ganze Welt: „Letztens hatte ich ein Vorstellungsgespräch in Schweden“, sagt Kleinhappel.

Bienen laden unsichtbaren Pollen ab

Ursprünglich stammt sie aus Graz, in ihrem Bachelorstudium löste Kleinhappel bei Karl Crailsheim an der Uni Graz die Frage, ob Bienen, die auf dem Heimweg nach dem Pollensammeln ihre Ladung verlieren, trotzdem noch im Bienenstock die typischen Pollen-Ablade-Bewegungen ausführen. „Ja, wenn man Bienen den Pollen aus den Beinkörbchen entfernt, laufen sie trotzdem zu den Waben, um die nicht mehr vorhandene Ladung abzuliefern. Es ist wahrscheinlich ein stereotypes Verhalten“, sagt Kleinhappel.

Zum Masterstudium zog sie nach Wien: In der Gruppe von Ludwig Huber am Department für Kognitionsbiologie der Uni Wien lernte sie die Arbeit mit Tauben und Dohlen kennen. Sie fotografierte die Vögel und testete, ob diese nur anhand der visuellen Merkmale, also vom Foto, erkennen können, welche Tiere sie schon mal in echt gesehen hatten und welche der Artgenossen und artfremden Vögel ihnen unbekannt waren.

„Diese Vögel lernen sehr schnell anhand visueller Informationen. Durch Untersuchungen über ihr Lernverhalten kann man auch Erkenntnisse für maschinelles Lernen erhalten“, sagt Kleinhappel. So testete sie etwa, ob man Tauben darauf trainieren kann, Titelblätter von Magazinen zu unterscheiden. Denn viele Zeitungen wissen nicht, woran es liegt, dass sich eine Ausgabe besser verkauft als eine andere.

Die Zoologen untersuchten, ob Tauben den Unterschied erkennen, welches Cover das Zeug zum Verkaufsschlager hat und welches nicht. „Sie lernten zwar, welche Titelseiten beliebt waren, aber sie konnten es nicht generalisieren“, sagt Kleinhappel. Die Branche konnte also keine verkaufsfördernde Technik aus den Lernversuchen mit den Tauben herausfischen.

Stichwort: Fische. Diese Tiergruppe beschäftigte Kleinhappel seit 2011 in Lincoln. „Die Tauben sind mir richtig abgegangen“, sagt sie. „Doch Fische sind auch ein sehr gutes Modell für viele unterschiedliche Verhaltensfragen.“ Wieder ging es darum, woran bekannte Tiere einander erkennen. Da man weiß, dass soziale Tiere gern Zeit mit denen verbringen, die sie kennen und mögen, untersuchte Kleinhappel solche „sozialen Netzwerke“ bei Stichlingen. Sie nutzte verschiedene Arten der Stichlinge, die in einem Fluss nahe der Uni vorkommen. In verschiedenen Aquarien bekamen manche nur Wasserflöhe zu fressen, die anderen nur Mückenlarven.

Auch artfremde Fische nähern sich an

Dann setzte Kleinhappel jeweils drei Fische, die sich nie zuvor gesehen hatten, in ein Aquarium und beobachtete, wer mehr Zeit mit wem verbrachte. „Interessanterweise fanden sich nicht immer die artgleichen Tiere zusammen, sondern viel öfter schwammen die gemeinsam, die zuvor das gleiche Futter bekommen hatten.“ Sie vermutet, dass den Fischen jene Kollegen, die gleich wie sie selbst riechen, weil sie das gleiche Futter gefressen haben, bekannt vorkommen, während unterschiedlich riechende Fische fremd wirken. „Wenn im Gewässer Feinde oder Raubfische anhand von chemischen Signalen nach Nahrung suchen, ist es für die Stichlinge sinnvoll, sich in einer Gruppe von Fischen zu tarnen, die alle gleich riechen.“ Und es hat mit Vertrautheit zu tun: Die Fische der unterschiedlichen Arten fühlen sich einfach dort wohl, wo der andere so riecht wie der eine.

Das Wasser hat es Kleinhappel auch in ihrer Freizeit angetan: Sie begann in Lincoln regelmäßig zu schwimmen und spielt auch gern Tennis und Badminton.

ZUR PERSON

Tanja Kleinhappel wurde 1986 in Graz geboren, studierte dort Biologie, dann in Wien Zoologie und zog für das Doktorat nach England. In Lincoln löste sie die Frage, wie Fische, die sich alle ähnlich sehen, bekannte von unbekannten Individuen unterscheiden. Ein wichtiger Aspekt ist der Geruch, der auch davon abhängt, was das Tier gefressen hat. Sie entwickelte darüber hinaus ein Programm, das die Fotos der Fische automatisch auswertete.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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