Die Rückkehr der analogen Spiele

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Game piecesBerliner Verlag/picturedesk.com
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Zwar haben sich Brettspiele immer tapfer gegen die digitale Konkurrenz behauptet, nun erleben Activity, DKT und Co. aber eine Renaissance, sagen Spielehersteller.

Die landläufige Meinung, dass der Niedergang des klassischen Brettspiels seit der Erfindung von Super Mario und dem Moorhuhn, der Playstation und Wii nicht mehr aufzuhalten sei, hat so nie gestimmt. In den vergangenen zwei Jahren haben die Klassiker nicht nur ihre Stellung gegenüber dem digitalen Mitbewerb gehalten, sondern erleben sogar einen echten Aufschwung.

Im angloamerikanischen Raum verzeichnen die Anbieter zweistellige Zuwachsraten pro Jahr, und auch im deutschsprachigen Raum steigen die Verkäufe deutlich an. „Wir liegen heuer schon in den ersten sechs Monaten zehn Prozent über dem Vorjahr, unserer deutschen Tochter geht es sogar noch ein bisschen besser“, sagt Dieter Strehl, Geschäftsführer von Österreichs ältestem Spielehersteller Piatnik, „dabei sind das traditionell eher unsere schwachen Monate.“ Auch beim größten deutschen Spieleverlag, Ravensburger, freut man sich über Zuwächse: So kann der Verlag ein Plus von 19 Prozent vorweisen, ein Teil davon ist allerdings der Akquise eines schwedischen Spielwarenherstellers geschuldet. Aber auch nach Abzug dieses Anteils bleibt ein Umsatzplus von 7,3 Prozent übrig. „Es gab im Vorjahr aber auch einige starke Lizenzen wie ,Star Wars‘ oder ,Die Eiskönigin‘, was immer ein gutes Geschäft ist“, sagt Unternehmenssprecher Heinrich Hüntelmann. Der Markt der analogen Spiele hat grundsätzlich eine rasante Aufholjagd hingelegt: „Im Jahr 2010 betrug der Umsatz sowohl von traditionellen Brettspielen als auch von digitalen Spielen wie Videospielen jeweils 2,6 Milliarden Euro. Aber 2015 lagen die digitalen bei 2,8 und die analogen bei drei Milliarden.“

Wie groß die Nachfrage nach den Klassikern ist, stellt auch Dominique Metzler, Geschäftsführerin der weltgrößten Messe für Brettspiele, der „Spiel“ in Essen, fest. Das zeigt sich vor allem am Besucherzuwachs (2012 waren es 147.000, 2015 schon 162.000). Das war nicht immer so: Zwar seien Brettspiele nie weg gewesen, „aber vor 15 Jahren habe ich schon einmal in die Hallen geschaut und mir gedacht, hoffentlich kommt da noch etwas, sonst erlebe ich meine Rente nicht mehr“, erzählt Metzler. Diese dürfte inzwischen gesichert sein, denn das Publikum verjüngt sich zunehmend. Brettspiele sind wieder beliebt, so wie manch andere analoge Freizeitbeschäftigung, was die Vorliebe für Stricken oder Ausmalbücher für Erwachsene zeigt. Ihnen ist gemeinsam: Da leuchtet kein Licht, sie sind nicht mit sozialen Netzwerken verbunden. „Die Haptik spielt eine große Rolle, aber die Menschen lernen inzwischen auch, dass das dauernde Onlinesein einen Preis hat – und zwar den, nicht im Hier und Jetzt zu sein“, erklärt Psychologin Jasmin Mandler. Gemeinsam zu spielen habe dabei einen ähnlichen Effekt wie beispielsweise Malen oder Zeichnen, „um den Geist im Hier und Jetzt zu halten und die Achtsamkeit zu fördern“.

Direkte Interaktion

Bei den Brettspielen kommt noch etwas dazu, was auch gut gemachte oder mit mehreren gespielte Onlinespiele nicht bieten können: „Es macht einen großen Unterschied, ob ich virtuell mit jemandem kommuniziere oder einem Menschen gegenübersitze und dessen direkte Interaktionen sehen kann“, so die Psychologin. „Da bekomme ich eine direkte Rückmeldung, wie es meinem Gegenüber geht.“ Darüber hinaus schulen zwar sowohl Brett- als auch Digitalspiele das taktische und strategische Denken, Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit sowie die Kreativität – bei den Brettspielen kommen aber noch eine Reihe weiterer Dinge dazu, die vor allem für Kinder hilfreich sind: „Im Miteinander kann ich unglaublich viel lernen“, so Mandler, „einerseits über mich selbst, wie ich interagiere und kommuniziere oder mit Ärger umgehe. Andererseits auch darüber, welche Regeln es gibt, welche eingehalten werden müssen und wo ein Auge zugedrückt werden kann“, sagt sie. „Außerdem bieten diese Spiele als Ausnahmesituation vom Alltag eine der wenigen Möglichkeiten, die Rollen aufzuheben. Erwachsene können wieder Kind sein, Kinder die Eltern einmal richtig in die Pfanne hauen.“

Ein Vergnügen, das aber beim neuen Boom der Brettspiele nur die Hälfte der Miete ausmacht. Denn neben den Klassikern von Schach, DKT und Monopoly sind gerade die sogenannten kooperativen Spiele gefragt, bei denen gemeinsam ein Gegner besiegt oder ein Land besiedelt werden muss. Auch bei der Schlacht um analoge oder digitale Spiele zeigen sich die meisten Spielefans versöhnlich und wählen ein Neben- oder sogar Miteinander der beiden Formen. Denn: „Wer nicht spielt, tut weder das eine noch das andere. Wer spielt, probiert alles aus“, sagt Piatnik-Geschäftsführer Strehl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2016)

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