"Pink Tax": Wenn Frauen draufzahlen

Früher wie heute zahlen Frauen beim Friseur meist eine höhere Rechnung als Männer. Preislisten, die sich nur nach dem Geschlecht richten, sind aber nicht erlaubt.
Früher wie heute zahlen Frauen beim Friseur meist eine höhere Rechnung als Männer. Preislisten, die sich nur nach dem Geschlecht richten, sind aber nicht erlaubt.(c) Ullstein – Bernd Thiele/Ullstein Bild/picturedesk.com
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Von der Kosmetik bis zum Kinderspielzeug: Immer wieder kosten Produkte und Dienstleistungen für Frauen mehr als für Männer. Über die "Pink Tax" – und ihre Umkehrung in Blau.

Man darf davon ausgehen, dass der Einwegartikelhersteller BIC nicht aus feministischer Überzeugung gehandelt hat, als er 2010 die vielleicht umstrittenste Produktentscheidung seiner Firmengeschichte traf. „BIC for her“, ein Kugelschreiber, entwickelt, um bequem in der Frauenhand zu sitzen, in lila oder pinkfarbenem floralen Design, sorgte im Netz gleichermaßen für Hohn wie für Empörung. „Can you believe this? We've been using men's pens all these years!“, scherzte US-Talkshow-Moderatorin Ellen DeGeneres, und in den Rezensionen auf Amazon liefen Kunden zu satirischen Höchstformen auf: Da witzelten etwa Männer, dass sie ihren Frauen nun, da es geeignete Kugelschreiber gebe, erlaubt hätten, auch das Schreiben zu erlernen – um dann einzusehen, dass es eine fatale Idee war: Wenn sie jetzt schon schreiben, was wollen sie wohl als Nächstes? Einer berichtete, er habe aus Versehen einmal zum Kugelschreiber seiner Frau gegriffen, woraufhin aus seinen i-Punkten automatisch Herzchen wurden. Ein anderer wollte mit dem Stift einen Thriller schreiben, doch es ging nicht – der Kugelschreiber ließ nur Sätze über Shopping, Cocktails und Freundschaft zu. Und Frauen zeigten sich ganz begeistert, dass es nun endlich ein adäquates Schreibgerät für ihre zarten, weiblichen Hände gebe, und fragten sich, ob ihnen der Stift auch einen Fortschritt im Kampf um Gleichberechtigung bringen könnte: Sicherheit in dunklen Ecken, Akzeptanz in der Businesswelt, Selbstbestimmung über den eigenen Körper?

Gender Pricing. Gemein war den Reaktionen, dass sie die fragwürdige Praxis kritisierten, ein Produkt, bei dessen Verwendung es offenkundig keinen Unterschied macht, welches Geschlecht man hat, gezielt für Frauen zu vermarkten. Doch der Fall lenkte die Aufmerksamkeit auch auf eine weitere Sache: Wie DeGeneres anmerkte, kostete der „Frauenkugelschreiber“ deutlich mehr als ein vergleichbarer gewöhnlicher Stift. Ein Umstand, der auch auf andere Produkte, auch weniger absurde Kreationen, zutrifft: Eine New Yorker Studie, die im Vorjahr 800 Produkte mit separaten Versionen für Männer und Frauen verglich, fand: In 42 Prozent der Fälle zahlten Frauen mehr, nur in 18 Prozent der Fälle weniger als Männer. Der „Frauen-Aufschlag“ betrug sieben Prozent bei Spielzeug, acht Prozent bei Erwachsenenkleidung, 13 Prozent bei Kosmetik und Hygieneprodukten.

Als „Pink Tax“ bezeichnet man diesen Preisaufschlag, als „Gender Pricing“ das Phänomen, dass (quasi) identische Produkte für Männer und Frauen zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden. Auch die Verbraucherzentrale Hamburg hat es untersucht und fand Preisunterschiede in Drogerien, bei Friseuren und Putzereien. Erhebungen aus Österreich gibt es dazu keine, die Nachfrage bei verschiedenen Konsumentenschutzorganisationen zeigt: Ein Thema war die „Pink Tax“ hierzulande bisher nicht. Beim Konsumentenschutzverband gab es dazu etwa noch keine Beschwerden, eine klare Position hat man aber: „Sowohl das ,Gender Pricing‘ als auch jede andere diskriminierende Preisfindungsmethode ist aus Konsumentensicht entschieden abzulehnen.“

Dass das Phänomen in Österreich bisher nicht diskutiert wurde, heißt nicht, dass es dieses nicht gibt, wie eine (natürlich nicht repräsentative) Recherche der „Presse“ zeigt: Im DM-Onlineshop etwa kosten die meisten Produkte für Männer und Frauen gleich viel. Unterschiedliche Preise fanden sich bei Einwegrasierern – eine Packung von Wilkinson Sword kostet da in der Männerausführung sogar mehr als die nur in der Farbe abweichende Frauenversion – oder Parfüms, bei denen die Damenversion einer Marke oft teurer ist als dasselbe Produkt „for men“.

Blau ist billiger. Auch beim Kinderspielzeug sucht man eine Weile nach Beispielen, wird dann aber doch fündig: Bei Toys'R'Us gibt es etwa einen Kinderfahrradhelm, einmal in Blau mit Piratenmotiv, einmal in Rosa mit Prinzessin. Der blaue Helm kostet knapp 40 Euro, der pinkfarbene knapp 50. Warum? „Gute Frage“, meint das Kundenservice. Die Pressestelle erklärt später: Die Preise hingen unter anderem von Verkaufszahlen und Nachfrage der Kunden ab, zudem sei der blaue Helm ein Auslaufmodell. Eine „Preisgestaltung nach Geschlecht“ wird ausgeschlossen.

Wenn die Nachfrage dafürspricht – wenn Frauen also bereit sind, für ein Produkt mehr zu zahlen, warum soll man nicht mehr verlangen, lautet in solchen Fällen ein viel genanntes Argument. Robert Brunner will es nicht durchgehen lassen: Der designierte Vorsitzende jenes Senats der Gleichbehandlungskommission des Bundes, der den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen behandelt, erklärt: „Geschlechterspezifische Preise verstoßen gegen das Gleichbehandlungsgesetz.“ Auch wirtschaftliche Aspekte oder Marketingstrategien dürften sich nicht in Preisunterschieden der Buben- und Mädchenversion niederschlagen. Verkaufe sich eine Farbe besser als eine andere, müsste das Unternehmen nach Brunners Einschätzung „einen einheitlichen Durchschnittspreis für beide Modelle verlangen“.

Vor der Gleichbehandlungskommission, die Rechtsgutachten erstellt, aber keine verbindlichen Urteile fällt, sei ein solcher Fall noch nie gelandet, wohl aber andere Fälle von „Gender Pricing“: So wurde es etwa als Diskriminierung gewertet, wenn Friseure Männern und Frauen unabhängig von der Art des Haarschnitts unterschiedliche Preise verrechneten. Die meisten Anträge, die bei der Kommission eingehen, werden übrigens von Männern gestellt und betreffen den umgekehrten Fall, eine „Blue Tax“, wenn man so will: Wenn Frauen etwa gratis zu Sportveranstaltungen, in Bars und Diskotheken kommen, während die Männer Eintritt zahlen müssen. Laut Auffassung der Gleichbehandlungskommission: ein klarer Fall von Diskriminierung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2016)

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