Erbitterter Machtkampf um die Zukunft des Iran

Rohani bei der Präsentation eines Kampfjet-Motors.
Rohani bei der Präsentation eines Kampfjet-Motors.APA/AFP/IRANIAN PRESIDENCY/HO
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Konservative Hardliner torpedieren mit Unterstützung der Republikanischen Garde die Öffnung des Landes. Dabei nehmen sie Präsident Rohani immer direkter ins Visier. Sie wollen seine Wiederwahl im Mai 2017 verhindern.

Kairo/Teheran. Kürzlich platzte Hassan Rohani der Kragen, der Kleriker im Präsidentenamt las den konservativen Medien die Leviten. „Keiner der Minister wird sich diesem Druck beugen“, erklärte er. Gemeint waren Zeitungen der Hardliner, die seit dem Atomvertrag immer aggressivere Kampagnen gegen seine Regierungsmannschaft inszenieren. Kein Tag ohne neue Provokationen, alle mit dem gleichen Ziel: das Ansehen Rohanis zu untergraben und seine Wiederwahl im Mai 2017 zu verhindern.

Seit der Atomeinigung schlagen im Iran die innenpolitischen Wellen immer höher. Rohani und sein Außenminister, Mohammad Javad Zarif, möchten die Ernte einfahren, die Wirtschaftsprobleme durch ausländische Milliardeninvestitionen in den Griff bekommen und Reformen einleiten. Die Konservativen indes sträuben sich mit aller Macht gegen eine Öffnung ihres Landes. Sie nähmen lieber weitere internationale Isolierung und Sanktionen in Kauf, weil sie einen „schleichenden Umsturz“ in der Islamischen Republik befürchten. In ihren Augen wird mit dem Einzug europäischer und amerikanischer Unternehmen der kulturelle Einfluss des Westens wachsen. Sie fürchten, der Ruf nach Freiheit und Vielfalt könnte mit der Zeit die herrschende islamistische Ideologie aushöhlen.

Und so wurden Anfang der Woche 450 Internetnutzer „wegen unmoralischer Aktivitäten“ und „Beleidigung des Glaubens“ verhaftet, weil sie ironische Paar-Selfies gegen den islamischen Kleiderzwang ins Netz gestellt hatten – die Männer mit Kopftuch, die Frauen ohne Kopftuch. Mehr als ein Dutzend Jugendkonzerte im ganzen Land, vom Kulturministerium ausdrücklich genehmigt, verbot wenige Stunden vor Beginn die örtliche Polizei angeblich wegen der Gefahr „unsittlicher, unmoralischer Handlungen“ an öffentlichen Orten. Kürzlich bekamen Hunderte iranische Journalisten eine Massen-SMS, in der sie vor Kontakten mit dem Ausland gewarnt wurden. Jede Zusammenarbeit mit feindlichen Elementen – ob per Mail oder über andere Kommunikationswege – sei ein Verbrechen und würde vor Gericht gebracht. Obendrein häufen sich in auffälliger Weise Verhaftungen von anreisenden Geschäftsleuten und Wissenschaftlern, die neben dem iranischen auch einen westlichen Pass besitzen. Iran entlässt seine Bürger grundsätzlich nicht aus der Staatsbürgerschaft. Und so genießen diese Besucher keinerlei konsularischen Schutz und verschwinden spurlos in den Verließen des Regimes. Mit dieser Willkürpraxis wollen Rohani-Gegner ausländische Investoren abschrecken und einschüchtern, um den Wirtschaftsaufschwung zu torpedieren.

Möglich wird dieser erbitterte Macht- und Kulturkampf durch die spezielle Konstruktion der Islamischen Republik, die in staatliche und klerikale Machtzentren zerfällt. Neben den regulären staatlichen Institutionen von Legislative, Exekutive und Judikative existiert eine „revolutionäre“ Parallelwelt aus Revolutionsgerichten, Milizen, paramilitärischen Wirtschaftskonzernen und religiösen Stiftungen, die der Oberste Revolutionsführer, Ali Khamenei, kontrolliert. Seine Prätorianergarde, die Revolutionären Garden, haben eigene Ermittler, Moralkontrolleure, Cyber-Wächter und Gefängnisse, die sich der Kontrolle der Regierung entziehen. (mg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2016)

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