Bresnik: "Das Gejammer über Österreichs Sport"

TENNIS - ATP/ WTA, US Open 2016
TENNIS - ATP/ WTA, US Open 2016GEPA pictures
  • Drucken

Günter Bresnik sieht Dominic Thiem bei den US Open gut gerüstet, im österreichischen Sport hingegen sieht der Tennis-Trainer noch großen Aufholbedarf. Sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft.

Er ist seit Jahrzehnten im österreichischen Tennis-Sport tätig und kennt die Situation um den heimischen Sportler-Nachwuchs. Erfolgs-Coach Günter Bresnik, der diese Tage mit Dominic Thiem bei den US Open in New York weilt, sieht in den Diskussionen um das Olympia-Abschneiden der ÖOC-Sportler vor allem in der Jugendarbeit Handlungsbedarf. Und fordert auch eine Allround-Ausbildung der Kinder.

"Es ist natürlich schon enttäuschend, auch wenn wir im Sommer früher auch nicht verwöhnt waren mit großen Erfolgen", erklärte Bresnik. "Was mich stört ist, dass in die Jugendarbeit so wenig investiert wird." Für den 55-Jährigen ist auch das Erstellen von Richtlinien durch die Politik ein grundsätzliches Problem. "Ich verstehe nicht wie ein Politiker, der mit dem Sport wenig bis gar nichts zu tun hat, jetzt ein Gesetz erstellen kann, wie eine Chance auf einen erfolgreichen Spitzensport ausschaut."

Die korrekte und intelligente Verteilung der diversen Förderungen sei ein Thema, aber auch, was die Bezieher daraus machen. "Es hängt nicht nur von der Menge des Geldes ab, sondern davon, wofür ich das Geld verwende. Ich kann Leuten 100.000 Euro geben und die machen daraus nichts, und ich gebe anderen 50.000 und der macht eine erfolgreiche Geschichte daraus."

"Sport hat in Österreich keinen Stellenwert"

Allerdings krankt es in Österreich für Bresnik durchaus auch an der richtigen Einstellung. "Die Jammerei, dass in Österreich Sport keinen Stellenwert hat, die ist leider Gottes vollkommen berechtigt." Man müsse sich mehr auf den Sport konzentrieren, besonders im jungen Alter. "Niemand verlangt, dass man die Schule aufgibt, aber einen Schwerpunkt muss ich immer dann setzen, wenn es notwendig ist. Im Sport habe ich eine ganz andere zeitliche Beschränkung als bei einer akademischen Ausbildung."

Bresnik kann bei einer immer höher werdenden Lebenserwartung nicht verstehen, dass die Jugend immer früher mit der akademischen Ausbildung fertig werden will. "Wenn Kinder mit zwei, drei Jahren mit Englisch-Unterricht anfangen, das halte ich für komplett absurd. Da bleibt die komplette sportliche Ausbildung auf der Strecke."

Besonders am Herzen liegt Bresnik die Investition in eine "grundsätzlich gute, körperliche Ausbildung". Für den in Innermanzing bei Neulengbach lebenden Bresnik liegt viel Potenzial in der ländlichen Gegend. "Wenn du am Land wohnst, da liegt das größte Potenzial an Leistungssportlern, weil dort die Kinder körperlich aufgrund ihres Aufwachsens motorisch weiter sind." Dort gelte es u.a. auch zu unterstützen und Infrastrukturen zu schaffen.

"Nicht Talent, sondern richtige Einstellung"

Die Talentsuche spielt für Bresnik da keine Rolle. "Den Begriff Talent gibt es für mich nicht. Wenn einer von möglichst frühem Alter an eine Sportart oder irgendeine Tätigkeit intensiv ausübt, wird er besser als andere." Mit der nötigen Disziplin und Kontinuität kann man eben sehr viel erreichen, glaubt Bresnik. "Da spreche ich nicht von Talent, sondern von der richtigen Einstellung."

Als Beispiel nannte er die österreichische Olympia-Leichtathletin Jennifer Wenth. "Die hat Begeisterung, wenn ich der zuhöre. Man darf nicht alles an Medaillen aufhängen." Und auch vom Begriff der "Olympia-Touristen" hält Bresnik nichts. "Als Touristen kann man vielleicht Funktionäre bezeichnen, die auch auf Verbandskosten mitfahren. Da nehme ich lieber ein, zwei Sportler mit, von denen ich glaube, dass sie in Zukunft was reißen."

Kinder müsse man schon früh in Wettkampf-Situationen stecken, so gewöhne man sich auch langsam an den Druck. "Wir müssen Kinder sportlich sehr gut ausbilden, mit einem großem Bewegungsschatz. Ich kenne gut Tennis spielende Kinder, die keinen Purzelbaum können. Der kann einen Ball nicht übers Netz werfen, aber serviert mit 170 km/h, das sind Dinge die nicht zusammenpassen", kritisiert Bresnik.

Lob für die ehrenamtlichen Funktionäre

Allerdings brach Bresnik auch eine Lanze für die vielen ehrenamtlichen Funktionäre, auch wenn er "Vereinsmeierei" gar nicht möge. "Aber man muss klipp und klar sagen, wenn es diese Leute nicht gäbe, wär' es ja komplett tot." Nur aus einer breiten Basis könne eine höhere Spitze entstehen. "Wenn ich gut und flächendeckend in Jugendarbeit investiere, habe ich wahrscheinlich 2020 auch noch keine Medaille", so Bresnik.

"Die Leute, die gut sind, gehörten unterstützt - für erbrachte Leistungen." Allerdings, so Bresnik, sei der Sport "keine geschützte Werkstätte". "Wenn er sich ein halbes Jahr vor Olympia verletzt, dann ist er halt nicht dabei. Im Spitzensport und der freien Marktwirtschaft gibt es ein reines Leistungsprinzip."

Die Hauptgefahr bei Kindern und Jugendlichen sieht Bresnik in Handys, Computer und Facebook. "Wenn ich mein Kind nicht zum Gehen bringe, außer mit Pokemon, dann habe ich versagt als Erziehungsberechtigter", stellt Bresnik klar.

Der Faktor Schule mit vielen engagierten Turn- und Sportlehrern ist für den gebürtigen Wiener aber auch enorm wichtig. Allerdings werde es gerade den Idealisten unter ihnen immer schwerer gemacht, u.a. in unbezahlten Überstunden in der Schule Sport zu betreiben. Wegen fehlender Versicherungen zum Beispiel. "Früher gab es eine Vielzahl von guten Tennisspielern. Warum, weil dort Turnlehrer den Kindern im frühen Alter die grundlegenden Dinge beigebracht haben."

"Sport ist etwas sehr Individuelles"

Man müsse in verschiedenen Sportarten Leistungsgruppen anbieten. Schauen, dass die Kinder eine gute Leichtathletik-Ausbildung bekommen und Schwimmen können.

ÖTV-Fed-Cup-Kapitän Jürgen Waber, der auch Trainer von Barbara Haas ist, sieht es ähnlich: "Der Stein der Weisen ist, einfach zu erkennen, dass Sport etwas sehr Individuelles ist und dass das Geld nicht in irgendwelchen Strukturen versickern sollte, sondern einfach bei den Sportlern ankommen muss. Natürlich unter Grundvoraussetzungen, dass das ordentlich verwendet wird, aber man muss das flexibel gestalten können."

Und dazu gäbe es eben Experten, auf die man vertrauen kann. "Und die sollen auch entscheiden, und nicht Leute, die mehr Macht und Einfluss haben."

Am wichtigsten ist es für den Oberösterreicher aber, dann zu unterstützen und zu fördern, "wenn die Sportler jung sind und noch nichts verdienen". "Nachher kurz vor Olympia Geld reinzuschütten, ist, glaube ich, der falsche Weg. Außer für die Allerbesten, um das letzte Alzerl rauszuholen."

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schröcksnadel mit Doskozil bei der Pressekonferenz.
Olympia

Schröcksnadel: "Medaillen gewinnen ist im Sommer leichter"

Die Trendumkehr sei geschafft, meint der "Projekt Rio 2016"-Koordinator. Er preist seine Erfolge und rechnet mit medaillenlosen Sportarten ab.
Minister Doskozil bei einer ÖFB-Sportgala.
Olympia

Doskozil will nur Top-Sportarten fördern

Wenig erfolgreiche Sportarten sollen nicht mehr gefördert werden. Aber: "Wenn erkannt wird, dass sich etwas entwickelt, wird man auch massiv mit den Förderungen einsteigen", sagt der Minister.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.