Aus Liebe zur Kunst

(c) Elsa Okazaki
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Maresi Riegner und Noah Saavedra spielen in der Filmbiografie
von Egon Schiele den Maler und seine Schwester.
Für das „Schaufenster“ posierten sie in der Wiener Secession.

Egon und Gerti, Egon und Wally, Egon und Edith: Das Leben Schieles wurde von diesen drei Frauen dominiert – seine Schwester, seine Geliebte und seine Ehefrau waren über lange Jahre die prägenden Wegbegleiterinnen und seine Modelle. Zumindest sind sie es, die Dieter Berner in seiner Filmbiografie „Egon Schiele – Tod und Mädchen“ auf eine Weise plastisch werden lässt, dass der von Schieles Schwägerin geäußerte Satz „Der hat die Frauen ausgenützt, bis nichts mehr von ihnen da war“ als berechtigter Vorwurf erscheint.

Große Gesten. Zugleich stellt Schiele sich unweigerlich als Genie dar und als eine unbedingte Künstlernatur, die ihrer Zeit voraus war. Ungeachtet der, wenn man so will, rebellischen Konstitution des jungen Schiele zeigt Berner ihn doch über weite Strecken als zu- und umgänglichen, charmanten jungen Mann, den Härten seiner Zeit und Lebensumstände zum Trotz. Denn hier wird bewusst die Entscheidung getroffen, nicht allzu sehr auf Künstlerstreit und Kriegswirren zu fokussieren, sondern das Verhältnis des Malers zu den Frauen und Modellen in seinem Leben in den Vordergrund zu stellen.

Das Geschwisterpaar Egon und Gertrude wird von den Schauspielern Noah Saavedra und Maresi Riegner gespielt, die sich am Konservatorium Wien kennengelernt haben. Während Saavedra mittlerweile in Berlin lebt, dort sein Studium an der Ernst-Busch-Schule in Niederschöneweide fortsetzt, hat Maresi Riegner diesen Sommer ihre Abschlussarbeit für das Konservatorium vorbereitet. Geplant war, so Riegner am Rande des Fotoshootings in der Wiener Secession, ein Kurzfilmprojekt mit Studienkollegen abzuschließen.

Und es ist denn auch der Film, der Riegner bislang näherstand als die Bühne. „Ich habe auf beides Lust, habe bislang aber noch nie Theater gespielt“, sagt Riegner und erklärt das auch damit, dass die langwierigen Vorbereitungen, die Probenzeit und etwaige Wiederaufnahmen oder Gastspiele schwieriger als ein Filmdreh mit dem Leben an der Schauspielschule zu verbinden seien. „Außerdem mag ich es gern, mit meinem Gesicht zu arbeiten, mit den Augen. Die Nähe, die es dafür braucht, ist eher im Film möglich. Für die Bühne braucht es hingegen viel größere Gesten, die mir auf Anhieb etwas weniger liegen.“ Derzeit ist sie aber mit Proben für eine Theaterarbeit beschäftigt und arbeitet, wie sie sagt, an eben dieser „Vergrößerung“.

Das Zusammenwirken mit dem Filmteam und die relativ langen Dreharbeiten, während derer sich zum Teil enge Bande schmieden, ist ebenfalls etwas, was Maresi Riegner behagt: „Ich liebe es, in großen Teams zu arbeiten, ich fühle mich da so aufgehoben wie in einer Ersatzfamilie. Ich denke, ich brauche eine gewisse Zeit, um mich zu öffnen, aber wenn das einmal passiert, dann bin ich mit ganzem Herzen dabei.“

Ein und Alles. Wenngleich Gerti, wie auch Maresi Riegner meint, „die zentrale Frauenfigur in Schieles Leben war“, erschließt sich ihre Persönlichkeit in dem Film verglichen mit jener ihres Bruders doch nur schemenhaft. Gerti ist für Egon Schiele in jedem Moment vorbehaltlos da, ist immer an seiner Seite – bis an sein Totenbett. Das Zusammenspiel Gertrudes mit den anderen Frauen – Wally, der Geliebten, und Edith, der Ehefrau – war, ist sich Riegner sicher, schwierig: „Sie hatte sicher große Schwierigkeiten mit anderen Frauen, sie war ja schließlich sein Ein und Alles, sein erstes Modell.“

Die inzestuöse Beziehung von Bruder und Schwester, von der oft zu lesen ist, zeigt der Film nicht explizit: Durch das Modellsitzen kommen Egon und Gerti sich auch körperlich sehr nahe, Eifersüchteleien wegen neuer Partner der einen oder des anderen bleiben nicht aus. Und doch werden Zuschauer ohne Vorinformation im Film nicht darauf gestoßen, dass die Geschwister auch Liebende gewesen sein könnten. Eine frühe Reise nach Triest, während derer sich die beiden, wie kolportiert wird, körperlich sehr nahegekommen sein könnten, wird nicht gezeigt. „Wie weit Egon und Gerti in ihrer Geschwisterliebe gegangen sind, weiß man ja bis heute nicht“, sagt Riegner und fügt hinzu: „Wir haben aber freilich angenommen, dass sie in der Tat sehr weit gegangen sind.“

Das flüchtige Wort. Als einen „lustvollen Prozess“ beschreibt Schiele-Darsteller Noah Saavedra denn auch das Herausarbeiten des Verhältnisses. „Maresi und ich kennen uns ja noch von der Schauspielschule.“ Mittlerweile sind die beiden aber nicht mehr Studienkollegen, denn Saavedra wird sein Studium in Berlin abschließen. Diese Entscheidung traf er, wenn man so sagen kann, aus Liebe zur Kunst: „Meine Familie und meine Freunde leben allesamt in Wien. Darum bin ich aus der Situation in der Schauspielschule am Ende jedes Tages immer wieder in meine Normalität zurückgekehrt, konnte mich in Wien nicht so fallen lassen, wie es jetzt in Berlin der Fall ist.“ Das unbedingte Annehmen der Idealsituation am Konservatorium, die unausgesetzte Beschäftigung mit den vermittelten Inhalten war Saavedra in seiner Heimatstadt nicht in für ihn befriedigendem Ausmaß möglich. „Denn es ist in der Ensemblekunst bis zu einem gewissen Grad nötig, in der Abgeschlossenheit der Gruppensituation aufzugehen.“

Von der eigenen künstlerischen Arbeit auf jene des von ihm dargestellten Egon Schiele kann Saavedra, wie er meint, nur bedingt rückschließen – zu sehr würden sich das Einzelgängertum des bildenden Künstlers und das Zusammenwirken der schauspielerischen Kräfte von­­einander unterscheiden: „Als Einzelgänger kann man im Schauspiel nicht viel ausrichten; auch der Monolog ist für mich die unnatürlichste Sprechsituation. In der Malerei, der bildenden Kunst mag sich das anders verhalten, da gibt es die Einzelgänger, die allein ihren Weg beschreiten.“


Einen weiteren Unterschied sieht Noah Saavedra, der derzeit in Neukölln lebt und dort geradezu erpicht darauf ist, Einheimische und Urberliner kennenzulernen, dabei nicht ungern mit seiner Wiener Herkunft spielt, in der Flüchtigkeit des dargestellten Kunstwerks und dem bleibenden Charakter des Gemäldes oder der Zeichnung: „Das bildnerische Werk bleibt, einmal vollendet, für immer auf Leinwand gebannt. Auch Schiele war sich seiner Sache sehr sicher, und ebenso sicher war er sich, dass er großartig ist und groß werden wird. Diese absolute Sicherheit hat wohl auch mit dem Charakter des Bildnisses, des Kunstwerks, das bleibt und nicht verhallt wie etwa das gesprochene Wort eines Schauspielers, zu tun.“

Tipp

„Egon Schiele – Tod und ­Mädchen“. Mit Noah Saavedra, Maresi Riegner, Valerie Pachner, ab 7. 10.
im Kino.

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