Leistbarer Luxus

Kreativ. Kenzo fällt in die „Affordable Luxury“-Sparte und kooperiert heuer mit H & M.
Kreativ. Kenzo fällt in die „Affordable Luxury“-Sparte und kooperiert heuer mit H & M.(c) Beigestellt
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Von Frankreich ausgehend explodiert nun weltweit das „Affordable Luxury“-Modesegment. Eine Bestandsaufnahme.

Namen, Unterscheidungen und Kategorien sind für die Sprache der Mode von zentraler Bedeutung. Angesichts der kaum mehr überschaubaren Menge an Labels, Trends und Kollektionen bieten zumindest Gattungsbezeichnungen wie Haute Couture, Prêt-à-porter oder Streetwear Orientierung, denn schließlich schafft Sprache Wirklichkeit, und das ist in der Mode nicht anders. Haute Couture etwa ist der Inbegriff des Luxus und bezeichnet in Pariser Ateliers von Hand hergestellte, einzigartige und maßgeschneiderte Kreationen. Der Begriff ist gesetzlich geschützt, und der 1868 gegründete Modeverband Chambre Syndicale de la Haute Couture wacht darüber, dass nur die Labels, die dem strengen Kriterienkatalog der Chambre gerecht werden, ihre Entwürfe Haute Couture nennen dürfen.

Als Prêt-à-porter dagegen bezeichnet man seit den Fünfzigerjahren seriell gefertigte Konfektionsware. Jahrzehntelang ist man mit diesen beiden Begriffen ausgekommen, um die Mode auf den Laufstegen von Paris, Mailand, London und New York zu beschreiben. Seit einigen Jahren hat sich das Modelexikon jedoch um Neuprägungen wie „Affordable Luxury“, „Mid-Market“ oder „Contemporary“ erweitert, um ein in raschem Aufschwung begriffenes Marktsegment zwischen Prêt-à-porter und dem Massenmarkt zu beschreiben.

Rockig. Zadig & Voltaire bedient gekonnt das Bild der stilbewussten, hippen Pariserin.
Rockig. Zadig & Voltaire bedient gekonnt das Bild der stilbewussten, hippen Pariserin.(c) Beigestellt

Ein neues Segment? Tonangebend in dieser Sparte sind französische Labels wie Sandro, Maje, Claudie Perlot, Zadig & Voltaire, The Kooples, A.P.C. und Iro, die Mode zwischen klassischer französischer Eleganz und erwachsenem Boho-Chic anbieten, in besserer Qualität als bei Zara oder H&M, aber nicht so teuer wie bei Chloé oder Céline. Diese Labels stehen für eine beständige und klare Designidentität, mit der sich die von den häufigen Trendwechseln des Massenmarktes überforderte und von den Preisen des Luxussegments abgeschreckte Mittelschichtkundschaft identifizieren kann, und sie verhelfen mit ihrer Erfolgsformel der französischen Modeindustrie zu einer wahrhaftigen Renaissance.

Einer 2014 veröffentlichten Studie des Institut Français de la Mode zufolge verzeichnete der Sektor des „luxe accessible“ in Frankreich von 2010 bis 2014 im Jahresdurchschnitt über elf Prozent Wachstum, während der Prêt-à-porter-Bereich sich in demselben Zeitraum mit einem Durchschnittswachstum von 1,4 Prozent zufriedengeben musste. Aber auch auf dem globalen Markt verzeichneten Mid-Market-Labels Erfolge und wuchsen 2013 um 6,3 Prozent. In der Studie wurden die untersuchten Marken in drei Kategorien unterteilt: „Casual Contemporary“ bezeichnet legere Alltagsmode von Labels wie etwa Comptoir des Cotonniers, „Contemporary“ hingegen die schickere Mode von Labels wie Maje, Sandro oder The Kooples. Unter „Contemporary Advanced“ fallen trendbewusste Labels wie Carven, Isabel Marant, Kenzo oder A.P.C., die sich preislich am obersten Ende des Preisspektrums bewegen und teilweise bei der Modewoche in Paris defilieren.

Zu den erfolgreichsten Labels des „Affordable Luxury“ zählen die hierzulande noch relativ unbekannten Marken Sandro, Maje und Claudie Pierlot, die der Unternehmensgruppe SMCP angehören: Sandro wurde 1984 von Evelyne Chétrite gegründet, ihre Schwester Judith Milgrom gründete 1998 das Label Maje, 2009 wurde das Label Claudie Pierlot der SMCP-Gruppe einverleibt.
Im Jahr 2010 beteiligte sich wiederum der Investmentfonds L Capital, der dem LVMH-Konzern angehört, mit 51 Prozent an der SMCP-Gruppe und signalisierte damit klar das Interesse der großen Luxuskonzerne am Erfolg der neuen Konkurrenz, im Juni 2013 verkaufte L Capital seine Anteile gewinnbringend an ein amerikanisches Private-Equity-Unternehmen. Nachdem sich die SMCP-Gruppe auf dem französischen Markt konsolidiert hat, verfolgt die Unternehmensgruppe derzeit eine Strategie der internationalen Expansion. In einem Pressestatement von Ende August berichtet man von einem Umsatzwachstum von 19,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, die internationalen Verkaufszahlen seien um 27 Prozent angestiegen: Die SMCP-Brands werden derzeit in 35 Ländern verkauft, das größte Wachstum verzeichnet man in China. Nicht nur französische Marken behaupten sich auf dem lukrativen „Affordable Luxury“-Markt, sondern auch amerikanische Labels wie Kate Spade, Tory Burch, Theory und Rag & Bone haben sich in den vergangenen Jahren das mittlere Marktsegment erschlossen.

Spendabel.  Mode von Maje spricht Kundinnen an, die weder Diskont noch Luxus wollen.
Spendabel. Mode von Maje spricht Kundinnen an, die weder Diskont noch Luxus wollen.(c) Beigestellt

Bewährtes Konzept. Ganz neu ist das Konzept freilich nicht: In den 1980er- und 1990er-Jahren führten hochpreisige Prêt-à-porter-Marken „Diffusion Lines“ ein, günstigere Bekleidungslinien, die ein jüngeres Publikum ansprechen und an die Marke binden sollten, ohne das Prestige der teureren Hauptmarke zu verwässern. In den vergangenen Jahren haben allerdings viele Labels ihre einst erfolgreichen Zweitlinien wieder eingestellt, Dolce & Gabbana verkündeten etwa 2011 das Aus von D&G, Marc by Marc Jacobs gibt es seit 2015 nicht mehr. Genau in dem Preissegment bewegen sich heute die „Affordable Luxury“-Marken, sprechen aber eine weitaus breitere Kundenschicht an.

Die Ursachen für den Erfolg des Segments sind wohl nicht nur in überzeugendem Design zu suchen, sondern auch in geschickten Marketingstrategien und einem überzeugenden Preis-Leistungs-Verhältnis. Viele Kundinnen sind zwar heute bereit, in teurere Accessoires zu investieren, möchten aber für die Alltagsgarderobe nicht zu tief in die Tasche greifen. Gehobene Qualitätsansprüche haben sie dennoch: Die Marken aus dem „Affordable Luxury“-Segment bedienen diese Ansprüche mit einem uniformen, aber coolen Alltagslook. Mit dieser recht simplen ästhetisch-gestalterischen Formel setzen sich die „Mid-Market“-Brands nicht nur erfolgreich von den trendgetriebenen, hyperbeschleunigten Fast-Fashion-Ketten ab, sondern auch von jenen Prêt-à-porter-Labels, die sich mit der Vervielfältigung von Kollektionen immer mehr den Rhythmen des Massenmarkts anpassen.

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