Brauchen Dividenden eine Krankenkasse?

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Der Agrarfunktionär Felix Montecuccoli schlägt die Vereinheitlichung der Einkommensbesteuerung und die Einbeziehung von Kapitalerträgen in die Sozialversicherungspflicht vor. Man sollte darüber ernsthaft diskutieren.

Soll man Kapitalerträge der Sozialversicherungspflicht unterwerfen?“ Nein, der Mann, der diese Frage im Gespräch mit der „Presse“ aufwirft, ist nicht, wie manche jetzt spontan vermuten, Vertreter des gewerkschaftlichen Linksblocks. Sondern Gutsbesitzer, Präsident der Großgrundbesitzervereinigung Land&Forstbetriebe Österreich, hoher Landwirtschaftskammerfunktionär und Spross eines der ältesten europäischen Adelshäuser. Also reichlich unverdächtig, auf Reichenhatz aus zu sein.

Und, soll man? „Ja“, sagt Felix Montecuccoli. Und er hat dafür eine einleuchtende Begründung: Das derzeit viel zu komplizierte und zersplitterte Steuer- und Sozialversicherungssystem behindere die berufliche Mobilität und sei deshalb zukunftsfeindlich. Klassische Lebensarbeitsmodelle würden immer seltener. Und wer etwa als Bauer starte, dann vielleicht die Verarbeitung seiner erzeugten Produkte selbst übernehme, später in eine unselbstständige Erwerbstätigkeit wechsle und womöglich im letzten Berufsabschnitt zum Unternehmer werde, der müsse sich nicht nur mit einer zünftlerischen Gewerbeordnung herumschlagen, sondern auch mit intransparenten und komplizierten Steuergesetzen sowie einer Vielzahl von Sozialversicherungen mit unterschiedlichen Leistungen und Beitragssätzen. Das sei mobilitäts- und kreativitätshemmend.

Es gebe zum Beispiel keinen Grund, in der Einkommensteuer sieben Einkunftsarten zu unterscheiden. In der Praxis gebe es drei: Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit und Einkommen aus Kapital- bzw. Vermögenserträgen. Und es gebe keinen Grund, bei der Besteuerung dieser Einkunftsarten große Unterschiede zu machen.

Natürlich gebe es auch keinen Grund, mehr als 20 unterschiedliche Sozialversicherungen mit unterschiedlichen Leistungen und Beitragssätzen zu betreiben. Wenn Sozialversicherungsbeiträge am Einkommen bemessen werden, dann an allen gleich. Es soll bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen „keinen Unterschied machen, wie jemand sein Geld verdient“. Das würde die Flexibilität, verbunden mit einer parallelen Liberalisierung der Gewerbeordnung, stark erhöhen.

Ein Konzept, das durchaus Charme hat und den Grundstein für einen zukunftsfähigen Umbau des Steuersystems bilden könnte. Natürlich ist es, fügen wir an, mit nicht wenigen Minenfeldern gespickt. Kapitalerträge beispielsweise sind derzeit (sowohl die im Unternehmen verbleibenden als auch die ausgeschütteten Teile) per Flat Tax endbesteuert. Um Gleichheit herzustellen, müsste man also entweder den ausgeschütteten Teil der Erträge (wie das früher schon einmal war) progressiv besteuern oder die Einkommensteuer für die anderen Einkunftsarten auf Flat Tax umstellen. Sozialversicherungspflicht für die im Unternehmen verbleibenden Gewinnanteile, wie das einige am linken Ende des Spektrums auch fordern, wäre übrigens ausgesprochen kontraproduktiv. Und die Sozialversicherungspflicht für Kapitaleinkommen hat auch ein paar nicht unbeträchtliche Haken. Beispielsweise die Höchstbeitragsgrundlage: Zählt man die Einkunftsarten einfach zusammen, dann wäre das eine zusätzliche Sparbuch-Mittelstandssteuer, denn Besserverdiener hätten ihre Sozialversicherungspflicht schon mit ihrem normalen Einkommen erfüllt. Betrachtet man die Sache getrennt, dann würde ein Angestellter mit einkommensteuerpflichtigen Nebeneinkünften und Kapitalerträgen dreimal Sozialversicherungsbeitrag bezahlen. Aber auch nur bis zur jeweiligen (dann wohl auch harmonisierten) Höchstbemessung. Was bei hohen Einkommen/Erträgen eine stark degressive Wirkung hätte.

Aber diese Probleme sind bei gutem Willen alle lösbar. Schwieriger sind die übrigen Hürden für mehr Mobilität. Etwa das in die Verfassung gepresste und deshalb kaum noch reformierbare heimische Kammersystem, dessen derzeit sehr zünftlerische Ausrichtung berufliche Mobilität extrem behindert. In einem System, in dem man für das Lackieren von fremden Zehen- und Fingernägeln zwei Gewerbescheine benötigt und beim Umstieg in die Selbstständigkeit zuerst einmal bürokratisch schikaniert wird, ist das alles nicht so einfach.

Es ist aber gut zu sehen, dass die Einsicht, dass unser Steuer- und Sozialversicherungssystem angesichts veränderter Arbeits- und Wirtschaftswelten radikal geändert werden muss und dass dafür auch über bisherige Tabus offen und ohne die üblichen ideologischen Punzierungen diskutiert werden muss, offenbar tief im gesellschaftlichen Mainstream angekommen ist. Der Vorschlag Montecuccolis bedeutet: Die Diskussion über das Aufbrechen des statisch und zukunftshemmend gewordenen Systems ist endgültig eröffnet.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2016)

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