„Karriere ist zu 70 Prozent Zufall“

Porträt. Eine gute Führungskraft sehe nicht nur das Tor, sondern auch das Rundherum, sagt Wolfgang Teller, Österreich-Geschäftsführer des Inkassounternehmens Intrum Justitia.

Wolfgang Teller nennt die Dinge gern beim Namen. Während sich die Branche manchmal hinter Begriffen wie Forderungs- oder Kreditmanagement versteckt, die im Übrigen aus dem Englischen übernommen wurden, sagt Teller, was Sache ist: Er ist Geschäftsführer von Intrum Justita, einem Inkasso-Unternehmen, dem größten in Europa. Teller leitet seit dem Jahr 2011 den Österreich-Ableger mit 45 Mitarbeitern. Es geht also darum, Außenstände einzutreiben, oder eben: Schulden.

Dabei, sagt Teller, sei die Zahlungsmoral in Österreich grundsätzlich hoch, auch wenn zu spätes Bezahlen noch immer als Kavaliersdelikt gesehen werde. Vier Tage seien Schuldner im Schnitt im Verzug. „Wir sehen uns als Jobmotor“, sagt der 55-Jährige. Denn ein Drittel der europäischen Unternehmen laufe regelmäßig Gefahr, selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten, weil ihre Schuldner nicht rechtzeitig bezahlten. Würde europaweit vereinbarungsgemäß bezahlt, würde das bis zu acht Millionen zusätzliche Jobs ermöglichen, rechnet er vor.

Analysten, Statistiker gesucht

Also sind seine Mitarbeiter angehalten, mit säumigen Zahlern Lösungen zu erarbeiten, etwa Teilzahlung. „Meine Mitarbeiter müssen die Situation erkennen, warum jemand säumig ist. Sie müssen mit Menschen reden können, verständnisvoll, aber konsequent sein“, sagt Teller, der nicht nur Mitarbeiter sucht, die Schuldner beraten, sondern verstärkt auch Analysten, Statistiker und Mathematiker. Auch Teller muss feststellen, dass es nicht so einfach sei, an gute Leute zu kommen.

Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass die Branche kein sonderlich gutes Image hat: Wer an Inkasso denkt, dem fallen rasch in schwarze Anzüge gekleidete, breitschultrige Männer ein, die im Extremfall einen Baseballschläger in der Hand haben – ein Bild, das gern auch in Fernsehserien und Filmen bemüht wird. Tatsächlich führe sein Unternehmen kein Außeninkasso durch, sagt er. Säumige Zahler würden daher nicht von seinen Mitarbeitern, sondern vom Gerichtsvollzieher Besuch bekommen.

Die Inkassoarbeit sieht Teller als Teamarbeit, daher gibt es Prämien, wenn Geschäftsziele erreicht werden, aber nicht Provisionen, wenn ein Fall abgeschlossen wird.

Im Team die Ziele zu erreichen ist daher ein Führungsprinzip, weshalb er sich als Playing Coach bezeichnet: Mit dem Ziel, dass seine Mitarbeiter lachend ins Büro kommen und ihre Arbeit gern und selbstständig machen.

Nicht nur Aufstieg ist Karriere

Im Mutterland des 4000-Mitarbeiter-Unternehmens, in Schweden, lernte Teller auch ein anderes Verständnis von Karriere kennen. Nicht (nur) der Aufstieg in der ohnehin sehr flachen Hierarchie steht für Karriere, sondern vor allem das, was unter „job enrichment“ läuft. Also zusätzliche Aufgaben zu verantworten.

Teller selbst kam durch Zufall in die Inkassobranche, nachdem er sich auf ein Jobinserat gemeldet hatte. Denn eigentlich fühlte er sich als Marketingmensch, wie er schon während seiner Studienzeit an der WU Wien erkannte. Marketing stand dann auch am Beginn seiner beruflichen Karriere. Doch dann kam der Schwenk. „Karriere ist zu 70 Prozent Zufall“, sagt Teller, „und Geschäftsführer zu werden, das kann man so gut wie nicht planen.“ Bedingung, nach oben zu gelangen, sei, seinen Job gut und gern zu machen. Aber dann brauche man das Glück, dass das auch gesehen und erkannt wird.

„Eine gute Führungskraft sieht eben nicht nur das Tor, sondern auch das Rundherum.“ Dabei sei das nicht so einfach. Führen, gesteht er, habe er nie explizit gelernt und sei immer wieder Trial and Error. Aber er habe viele Lehrer gehabt. So wie auch er jetzt einer sein möchte: „Ich zeige vor, wie viel Spaß ich an der Arbeit habe.“

ZUR PERSON

Wolfgang Teller (55) kam über Marketingjobs bei 3M, A.C. Nielsen und Remax eher durch Zufall in die Inkassobranche. Seit dem Jahr 2011 ist der gebürtige Oberwarter und Ökonom Geschäftsführer von Intrum Justitia Österreich.

(Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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