Illy Art Collection: Kunst als Wachmacher

Farbenfroh. Mit Pucci realisierte man die aktuelle Illy Art Collection.
Farbenfroh. Mit Pucci realisierte man die aktuelle Illy Art Collection.(c) Beigestellt
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Für Leib und Seele: Illy-Kreativdirektor Carlo Bach sorgt dafür, dass zweimal im Jahr Kunst auf die Tasse kommt.

In der Vorweihnachtszeit kann, wer möchte, zu heiteren Walzerklängen von Strauß über die Piazza Unità d'Italia in Triest schweben. Diese erklingen zwar nur im Advent, doch sind in der Stadt zu jeder Jahreszeit die Reste eines Altwiener Geistes aufspürbar, zu dem nicht zuletzt die in ihrer Betulichkeit wenigstens für das heutige Italien untypische Kaffeehauskultur gehört. Als strategisch wichtiger Außenposten war Triest schließlich wertvoller Adriazugang der Monarchie und unterlag wesentlich ihrem kulturellen Einfluss. Andererseits war damals Triest der Anlaufhafen jener Kaffeelieferungen, als deren dankbarer Abnehmer sich die Wiener Café-Society erwies.

Erfolg vorausgesetzt. Statt hier einen allzu ausführlichen Nostalgie-Exkurs zu eröffnen, sei aber lieber ein Bogen in die Gegenwart gespannt: Einige der traditionsreichen Triestiner Kaffeehäuser gibt es ja weiterhin, und auch die Kaffeelieferungen kommen weiter an – aus Brasilien, Kolumbien, Äthiopien unter anderem.
Und selbst wenn vielen Kaffeetrinkern auf der Welt das vielleicht nicht bewusst ist: Als Heimatstadt von Illy Caffè ist Triest mittlerweile in den Rang einer Coffee-Culture-Welthauptstadt aufgerückt. Kaffee und Kultur in einem Atemzug zu nennen, auch das Wort Kaffeehauskultur natürlich: Das alles müsste Carlo Bach ganz ausgezeichnet gefallen. Der in Köln aufgewachsene und heute in Udine lebende Italiener ist seit 1999 für die Aktivitäten im Kunstbereich zuständiger Kreativdirektor des Kaffeespezialisten.

Vielseitig. Carlo Bach wuchs in Köln auf, lebt heute in Udine.
Vielseitig. Carlo Bach wuchs in Köln auf, lebt heute in Udine.(c) Beigestellt

Für die Behäbigkeit traditionsreicher Cafés mag er etwas übrig haben; wenn er über die Hintergründe der von ihm hauptsächlich verantworteten Illy Art Collection – also der zweimal im Jahr lancierten, von Künstlern gestalteten Tassenedition – spricht, fällt aber ein Ausdruck, der besondere Dynamik andeutet: „Ende der Achtzigerjahre waren die jahrzehntelangen Anstrengungen von Illy, die Qualität des Kaffees ständig zu verbessern, so weit gediehen, dass man sich anderem zuwenden konnte. Und während der Kaffee den Organismus stimuliert, wollte man eine zusätzliche Stimulans für den Geist schaffen.“ Als diese waren offenbar jene auf die von Matteo Thun designte, unverwechselbare Espressotasse der Marke transferierten Motive gedacht.

Ursprünglich auf Betreiben von Ernesto Illy, dem Sohn des Firmengründers Francesco, wurde 1992 die erste Kunstkollektion für die im selben Jahr von Matteo Thun designten Tassen der Marke kreiert. „Das war eine Liebhaberei, und in den ersten zwei Jahren ausschließlich für die Bars gedacht, in denen Illy-Kaffee gemacht wurde“, erzählt Bach über die Zeit, bevor er zu der Firma stieß. Die Beliebtheit bei den Kaffeetrinkern habe sich freilich darin geäußert, dass aus den Bars nach und nach alle eigens gestalteten Tassen ver-schwanden. „1994 wurde dann die erste Art Collection für den Handel geschaffen, wobei damals wie heute dasselbe Prinzip galt: Nur wenn genug Verkaufserlöse erzielt werden können, wenn das Projekt anhaltend erfolgreich ist, werden die eingenommenen Summen wieder in die Förderung von Kunst eingebracht, und die Kollektion geht weiter“, unterstreicht Bach.

Zehn Jahre. 2002 entstand eine Louise-Bourgeois-Edition.
Zehn Jahre. 2002 entstand eine Louise-Bourgeois-Edition.(c) Beigestellt



Suche nach Talenten. 1999 brachte schließlich Riccardo, Ernesto Illys Sohn und Marketingprofi, Bach als möglichen Kandidaten für die professionell betriebene Weiterentwicklung der Künstlerkooperationen ins Gespräch: Riccardo sammelte Arbeiten von Carlo, der damals hauptberuflich selbst als Künstler tätig war. „Ich erkannte das als  Möglichkeit, junge Talente zu erkennen und zu fördern“, erinnert sich Bach. Zu der laufenden Planung neuer Tassenkollektionen – Bach sagt, er sei ständig mit mindestens sechs Künstlern parallel für die Vorbereitung neuer Editionen in Kontakt – kam später die Konzeption eigener Preise für Nachwuchskünstler am Rand der Messen in Turin, Madrid und São Paulo.

Ein weiterer Fokus sind die als Pop-up-Cafés erdachten Illy Galleries in wechselnden Metropolen. „Die erste Gallery haben wir 2005 in New York aufgemacht, sie sollte ein Ort der Begegnung, des Austausches, des Kulturschaffens sein“, erklärt Carlo Bach. Später folgten Ableger des Formats etwa in London, Berlin, Mailand und Peking. Die chinesische Hauptstadt überraschte Bach mit der kaum zu bändigenden Dynamik ihrer Kunstszene. „Viele der in China unglaublich bekannten Künstler bemühen sich gar nicht um Repräsentation im Ausland, ihnen reicht ihr Heimatland“, so Bach. Auch eine Art Collection wurde anlässlich des Pop-up-Projekts in Peking geschaffen, nämlich mit Motiven des jungen Künstlers Liu Wei.

In-situ-Tassenkunst. Im Lauf der Jahre sind 80 Künstlerkooperationen entstanden, an die 400 Tassenmodelle wurden eigens gestaltet. Besonders im Gedächtnis geblieben ist Carlo Bach unter anderem die Zusammenarbeit mit Yoko Ono: „Sie berief sich auf die japanische Tradition, gebrochene Tassen sehr sichtbar mit Gold zu bekleben, und kombinierte dies mit markanten Daten aus ihrem Leben. Das ist unglaublich schön, regt beim Kaffeetrinken zum Nachdenken an und gefällt mir schon deshalb gut, weil dieses Projekt tatsächlich nur mit Tassen umgesetzt werden konnte.“

Pop-up. Temporäre Galleries gab es etwa in Peking (l.) und New York.
Pop-up. Temporäre Galleries gab es etwa in Peking (l.) und New York.(c) Beigestellt

Das zehnjährige Bestehen der Art Collection wurde 2002 mit einer im Pariser Palais de Tokyo präsentierten Zusammenarbeit mit Louise Bourgeois gefeiert, das Zwanzig-Jahr-Jubiläum ließ man aus („Damals nahm uns ein Illy-Gallery-Projekt gerade sehr in Anspruch.“). Dafür laufen jetzt aber schon alle Vorbereitungen für die bevorstehende Vierteljahrhundertparty. „Das ist eine lange Zeit“, sagt Carlo Bach, „mir fallen wenige Marken ein, die sich schon so lang im Kunstbereich engagieren. In den Neunzigerjahren war Contemporary Art noch nicht so trendy wie heute.“ Ganz spruchreif ist es zwar noch nicht, es sieht aber ganz danach aus, als würde Illy die 25-Jahr-Feiern zur Art Collection auf der Kunstbiennale in Venedig abhalten. Auch da tritt man schließlich seit Jahren als Partner auf.

Die Frühjahrskollektion hingegen wird es schon vorher zu sehen geben, nämlich auf dem Salone del Mobile in Mailand.

Die aktuelle Edition könnte indes fast als Illy Fashion Collection durchgehen: Kooperiert wurde diesmal nämlich mit dem Florentiner Modehaus Pucci. „Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns mit der Art Collection außerhalb der Grenzen der Kunst bewegen, auch Francis Ford Coppola und Pedro Almodóvar haben bereits Tassen gestaltet“, sagt Carlo Bach. Das aktuelle Pucci-Designteam, seit drei Saisonen von Massimo Giorgetti geleitet, war nicht mit der Kollektion betraut. Vielmehr wurden die als Hommage an diverse Weltstädte angelegten Entwürfe Emilio Puccis für Seidenfoulards als Vorlage verwendet, die man in den Archiven des Modehauses gefunden hatte. Zur stimulierenden Wirkungsabsicht der Künstlertassen passen die psychedelischen Entwürfe von Pucci jedenfalls ausgezeichnet.

Eine Reise nach Triest erfolgte auf Einladung von Illy.

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