Prozess gegen Terrorverdächtige: Zu viele Zufälle

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Zwei angebliche Flüchtlinge, die Teil des Netzwerks der IS-Attentäter von Paris sein sollen, standen am Mittwoch in Salzburg vor dem Richter. Beide beteuerten ihre Unschuld.

Salzburg. Schwer bewaffnete Polizisten mit Stahlhelm und kugelsicheren Westen vor dem Gerichtsgebäude. Drinnen im Verhandlungssaal ein Dutzend vermummte Cobra-Beamte, die zwei Männer bewachen: Am Mittwoch stand am Landesgericht Salzburg kein normaler Prozess auf dem Verhandlungsplan. Einem 26-jährigen Marokkaner und einem 40-jährigen Algerier wurden vorgeworfen, Teil des Netzwerks der Terrororganisation Islamischer Staat zu sein und die Attentäter von Paris unterstützt zu haben.

Anlaufstelle war dabei das Flüchtlingscamp in der Münchner Bundesstraße in Salzburg, wo die Angeklagten auf weitere Befehle warteten. Für den Staatsanwalt waren die beiden angeblichen Flüchtlinge Scouts. Solche Personen seien vom IS bewusst mit den Flüchtlingsströmen mitgeschickt worden, um Routen nach Europa auszukundschaften und Informationen weiterzugeben, erläuterte der Staatsanwalt. Er legte den beiden Angeklagten zur Last, sich an einer terroristischen Vereinigung und einer kriminellen Organisation beteiligt zu haben.

„Träume von Europa“

Mit ausufernden Geschichten, Erinnerungslücken und Ahnungslosigkeit suchten die beiden Angeklagten vor dem Schöffensenat die Vorwürfe zu zerstreuen. Sie seien unschuldig, sagten der 26-Jährige und der 41-Jährige. Mit dem IS hätten sie nichts zu tun. „Seit meiner Kindheit träume ich davon, in Europa zu leben“, begründete der Erstangeklagte, warum er vor mehr als einem Jahr seine Heimat Marokko verlassen hat. Es gebe in Europa „so schöne Landschaften“.

Zuerst habe er eigentlich zu seiner Freundin Silvia nach Polen gewollt, doch er habe die Auflagen für ein Visum nicht erfüllt. Auch der Versuch, über eine Französin Arbeit zu finden, scheiterte. Also habe er sich auf den Weg gemacht, um zu einem Freund seines Bruders nach Deutschland zu gelangen. Der Algerier wollte angeblich zu seinem Onkel nach München. Nach Deutschland gelangten die beiden nicht, dafür kamen sie in Salzburg im Flüchtlingscamp mit dem Algerier Adel H. (29) und dem Pakistaner Muhammad U. (35) in Kontakt.

Diese beiden Personen werden mit den Paris-Anschlägen in Verbindung gebracht, sie sollen weitere Anschläge in Frankreich vorbereitet und in Salzburg gewartet haben. Im Sommer 2016 wurden H. und U. nach Frankreich ausgeliefert. Der in Salzburg angeklagte Marokkaner soll gezielt Kontakt zu Adel H. gesucht haben, um ihn und seinen Partner zu unterstützen. Im Flüchtlingslager lag er Bett an Bett mit den beiden Terrorverdächtigen. Eines der wichtigsten Beweisstücke ist eine algerische Sim-Karte, die sich in der Geldtasche des Zweitangeklagten befand. Damit wurden zwischen den angeblichen Flüchtlingen Daten ausgetauscht.

„Diese Sim-Karte diente als Werkzeug zur Informationsweitergabe“, sagte der Staatsanwalt. Gehört hatte die Karte dem 40-jährigen Angeklagten. Der Algerier konnte nicht erklären, wie die Telefondaten seiner Sim-Karte auf das Handy eines IS-Kuriers gekommen sind. „Das höre er heute zum ersten Mal“, gab er sich ahnungslos.

„Leute, die Unschuldige töten“

Die Auswertung der Handydaten zeigte, dass die Angeklagten in Kontakt mit IS-Vertrauensleuten standen. Unter anderen genau mit jenen, die auch im Zusammenhang mit den Paris-Anschlägen eine Rolle spielen. „Man kann das alles mit Zufall abtun. Aber das wären einfach viel zu viele Zufälle“, meinte der Staatsanwalt. Zum IS hätten sie keinerlei Kontakte, sagten die Angeklagten. „Wissen Sie, was der IS ist“, wollte der Richter von einem der Männer wissen. „Das sind Leute, die Unschuldige ermorden“, antwortete der 26-Jährige.

Der Prozess wurde auf Februar vertagt – es sollen noch weitere Zeugen befragt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2016)

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