René Storck: Mehr Sein als nur Schein

(c) Axl Jansen
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Leise, aber deutlich. Der deutsche Designer René Storck über seine Mode und die Talenteförderung in Deutschland.

René Storck ist anders als die anderen. Wenn er auf der Berliner Modewoche zeigt, dann nur in kleiner Runde und auch nicht im berühmt-berüchtigten Zelt, nun Kaufhaus Jandorf. Seine Kollektion präsentiert er vielmehr in einem überschaubaren Raum im Kronprinzenpalais, gleich am historischen Boulevard Unter den Linden. In der ersten Reihe sitzen die Crème de la Crème der deutschen Fachpresse sowie hochkarätige Einkäufer. Auf Prominenz, die Boulevardpresse anziehen könnte, wird weniger Wert gelegt und auf die hinteren Ränge verwiesen. Von Bloggern oder sogenannten Influencern ist überhaupt keine Spur. Goodie Bags? Fehlanzeige. Damit setzt der 49-jährige Designer Zeichen. Eine Kollektionspräsentation kann eben auch anders ablaufen, im kleinen Kreis, konzentriert, ohne Schnörkel und Tamtam. Und ebenso zeigt sich seine Kollektion: wenige Teile, nachhaltige Materialien, puristisch, in Schwarz, in Weiß, einfach professionell. Es ist die alte Schule des Modehandwerks, die er hier präsentiert, aber eben auch der Modebranche, die wie aus der Zeit gefallen scheint – jedenfalls in Berlin. Storck will keine Show, kein Entertainment, keine Effekthascherei. Er will seine Kollektion für sich selbst sprechen lassen, ihre subtilen, gleichzeitig raffinierten Töne. Das überzeugt.

Leise, aber bestimmt. René Storck ist wohl einer der wenigen, der in den heutigen Zeiten, in denen Mode häufig allzu laut nach Aufmerksamkeit schreit, noch auf die klassischen, leiseren Wertvorstellungen setzt. Das liegt vielleicht daran, dass er eine große Affinität zu Paris hat. Die Stadt hat er schon als Sechzehnjähriger häufig besucht – angezogen von den großen Modehäusern wie Gaultier und Chanel, aber auch durch die Bilder in den Modemagazinen daheim. „Meine Mutter und meine Großmutter haben sich sehr für Mode interessiert“, erinnert sich der Designer heute. Daher gab es immer Modemagazine zu Hause; die Großmutter nähte. Die Faszination griff über. Als Kind lernte René Storck stricken. Als Teenager mogelte er sich mal eben in die Fashion Shows von Paris, zog mit den jungen Models wie Nadja Auermann um die Häuser. Hier lernte er auch die Hingabe zu den hohen, alten Werten wie Perfektion, einer Vorliebe zur Schönheit und dem Respekt vor dem Detail. Werte, die in Deutschland wohl durch die Weltkriege verloren gegangen seien, so vermutet jedenfalls Storck. Dort würde nun, anders als in Paris, mehr auf Konfektion, also Funktionalität gesetzt. Noch heute ist Storck der französischen Hauptstadt sehr verbunden. Er hat dort eine Wohnung, zeigt seit der ersten Minute seine Kollektionen in Paris. Auch diesen Herbst wird er zur dortigen Fashion Week wieder vor Ort sein.

Trendschau. René Storck zeigt seine Mode in Berlin und Paris.
Trendschau. René Storck zeigt seine Mode in Berlin und Paris. (c) Beigestellt

Vielleicht liegt es aber auch an seiner Ausbildung, dass Storck mehr auf das Sein als auf den Schein setzt. Nach dem Abitur entschied er sich zu einer Schneiderlehre in einer Hauswirtschaftsschule in Darmstadt. Von der handwerklich fundierten Ausbildung würde er noch heute zehren, meint er. So arbeitet Storck immer noch ganz traditionell an der Puppe, drapiert dort den Stoff, schaut dort, wie dieser fällt, wie der Fadenlauf sich verhält, bevor er einen Papierschnitt anfertigt, der im Anschluss digitalisiert wird. „Mode hat viel mit Wahrnehmung und Emotionalität zu tun“, erklärt der Frankfurter. An der Puppe, nicht am Computer erwache der Stoff zum Leben, auch wenn er im Anschluss an die kreative Arbeit auf hochmodernem Niveau am Rechner arbeitet.

Modern ist auch sein Verständnis von der Frau, die er einkleiden will. „Ich sehe Frauen nicht als Dekor ihrer Männer“, erklärt der Designer. „Sie sind natürlich keine Ware, sondern starke, unabhängige Personen.“ Schließlich müssten sie so viel mehr können als Männer, um sich Respekt in der Gesellschaft zu erarbeiten. Aber auch den Mann sieht Storck nicht als den Ernährer, der irgendwo zwischen Business- und Sportwelt verhaftet ist. Er möchte keine Klischees bedienen, wolle seine Kundschaft nicht verkleiden, sondern ihnen eine Kleidung geben, die Sicherheit vermittelt, sagt er. Dabei setze er auf Qualität, immer mehr auch auf Nachhaltigkeit und zum Teil auf nicht ganz unkomplizierte Schnitte, die sich für den Betrachter nicht unbedingt auf den ersten Blick erschließen. „Mein Ziel ist es, dass jeder, der meine Kleider sieht, im ersten Moment spürt, dass mehr dahintersteckt, als man zunächst meint“, erklärt Storck.

Vernetzung echter Talente. Aber auch neuen Entwicklungen in der Branche ist er durchaus nicht abgeneigt. So schätzt er den Berliner Mode-Salon, eine Institution, die vor wenigen Jahren auf Initiative von Christiane Arp, der Chefredakteurin der deutschen „Vogue“, erschaffen wurde und die sich der Vernetzung von Modeschaffenden unter­einander, aber auch mit Fachpresse und Einkäufern verschrieben hat. Storck gehört dabei zu den wenigen Designern, die ihre Kollektionen in diesem Rahmen zeigen dürfen. Auch begrüßt er den Abschied des Automobilherstellers Mercedes-Benz als Sponsor der Berliner Fashion Week. Im Zelt hätte Storck ohnehin selten etwas von Relevanz gesehen. Umso mehr freut er sich nun darüber, dass Mercedes-Benz mit dem Fashion Council Germany zusammenarbeiten und echte Talente sowie relevante Mode fördern will. Schließlich sei die Arbeit des Fashion Council viel gewichtiger, auch internationaler. Und selbst Influencer und Blogger hätten, so Storck, ihre Berechtigung, nur würden nicht alle zu ihm passen. Noch dazu sei seine Mode nicht „instagrammable“ genug.

Seine Art berührt und ist angenehm unprätentiös, seine Vorgehensweise höchst professionell und subtil überlegt. Die deutliche Unterstützung durch die Fachpresse, insbesondere durch Christiane Arp, geben ihm recht – ebenso aber auch die Moderne: Sein Instagram-Account zeigt nur rund 800 Follower. Mehr müssen es auch nicht sein. Seine Kleider scheinen tatsächlich besser außerhalb der digitalen Welt zu funktionieren. Es geht eben auch anders.

Tipp

Berlin Fashion Week. Die wichtigsten Shows der deutschen Modewoche begleiten wir auch online auf Schaufenster.DiePresse.com

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