Fashion-Hickhack: Der Locationkampf

(c) EPA (JENS KALAENE)
  • Drucken

Die Berliner Modewoche zersplittert in unzählige Nebenveranstaltungen.

Fashion Week ist in Berlin, und schön langsam wird der Modezirkus in der deutschen Hauptstadt für die Besucher etwas unübersichtlich. Immer lauter schwirrt der Vorwurf durch die Szene, dass sich die Designer gegenseitig „kannibalisieren“. So haben sich heuer Michael Michalsky, Lala Berlin und einige andere abgespalten und veranstalten außerhalb der „Mercedes Benz Fashion Week“ im Zelt auf dem Bebelplatz ihre eigene Show im Friedrichstadtpalast. Zusätzlich gibt es neben diversen kleinen Messen die Streetwear-Messe „Bread & Butter“ im Flughafen Tempelhof und die „Premium“, die 2003 als Off-Show mit 70 Ausstellern im U-Bahn-Schacht unterm Potsdamer Platz begonnen hat und inzwischen an die 900 Aussteller im alten Postverladezentrum am Gleisdreieck versammelt.

„Location“ lautet das Zauberwort. Michalsky findet den Friedrichstadtpalast „unheimlich cool“ – besser als das weiße Zelt der Fashion Week, und so veranstaltete er dort in Kooperation mit den Berliner Labels Lala Berlin und Kaviar Gauche zum ersten Mal die „StyleNite“, zu der 1700 Gäste erwartet wurden. Dass der Designer damit dem Hauptveranstalter der Modewoche die beiden Top-Acts abwarb, wischte er in einem Interview mit der „Welt“ vom Tisch: „Freies Land, free choice.“

Karl-Heinz Müller von „Bread & Butter“ wiederum hält Tempelhof für eine „wunderbare Location“, während der Standort der Mercedes Benz Fashion Week zusehends umstritten ist: Der heutige Bebelplatz neben der Staatsoper Unter den Linden war unter den Nazis 1933 Ort der Bücherverbrennung, die Proteste gegen den Veranstaltungsort mehren sich. Die nächste Fashion Week im Juli könnte somit schon eine neue Adresse haben.

In Berlin arbeiten 800 etablierte und aufstrebende Designer. Acht Modeschulen vermitteln das notwendige handwerkliche Können. Gleichwohl muss die Berliner Modewoche auch in diesem Jahr mit der Tatsache leben, dass die ganz großen internationalen Modenamen fehlen und nicht einmal alle deutschen Modefürsten mitmachen, so etwa der im benachbarten Potsdam lebende Altmeister Wolfgang Joop mit seiner Firma „Wunderkind“. „Berlin ist mir zu nah“, sagte er der „Bild“. Außerdem seien die Modeschauen zu Medienveranstaltungen mutiert. „Da werden häufig ganz normale Produkte als Design verkauft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.