Cremeschnitten und andere Weltrekorde

Cremeschnitten
Cremeschnitten(c) Clemens FABRY
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Es hat leider niemand daran gedacht mitzuzählen, aber in Wien-Mitte wird wahrscheinlich gerade ein Weltrekord aufgestellt.

Es hat leider niemand daran gedacht mitzuzählen, aber in Wien-Mitte wird wahrscheinlich gerade ein Weltrekord aufgestellt. Im „Nur-dastehen-und-Schauen“. Das tun im neuen, halb fertigen Einkaufszentrum „The Mall“ derzeit rekordverdächtig viele Leute. Selbst am Sonntag, wenn dort fast alles zu hat, kommen sie nicht nur zum Fast-Food-Essen. Nein, morgens, mittags, abends, ständig wird herumgestanden und geschaut. Man sieht zwar nicht viel außer heruntergelassenen Rollläden und anderen Herumstehern, aber man schaut halt einmal.

Also von wegen die Menschen kommen heutzutage vor lauter Arbeit zu gar nichts mehr. Ein gar nicht kleiner Teil, nennen wir ihn die „Wetten, dass..?“-Traktorwetten-Fraktion, hat viel zu viel Freizeit, die sie mit viel zu sinnlosen Sachen füllt. Statt etwa ein Buch zu lesen oder wenigstens einen Humboldt-Kurs in „Ganzheitlicher Lebensraumgestaltung“ zu belegen, investieren diese Menschen ihre Lebenszeit darin, möglichst geschickt mit dem Traktor über rohe Eier zu fahren. Andere legen das weltgrößte Mosaik. Aus Toastscheiben. Überhaupt sind Lebensmittel bei Rekordversuch-Menschen populär. Irgendjemand hat etwa eine Ketchupflasche schneller als alle anderen mit einem Strohhalm ausgetrunken. (Falls Sie das jetzt anspricht: Der Rekord liegt bei 32,37 Sekunden. Da muss ordentlich Ketchup probegetrunken werden, bis man das so schnell drauf hat, ohne sich zu übergeben). Die Stadt Genf hat eben die „längste Cremeschnitte der Welt“ (1,2 km) vorgelegt. (Nur so nebenbei: Wer isst diese Rekord-Cremeschnitten eigentlich? Wer isst überhaupt noch Cremeschnitten?) Geschafft hat man es, wenn man mit seinen absurden Ideen bei „Wetten, dass..“ landet oder im Guinnessbuch. Ich zum Beispiel würde gern den Rekord in der Kategorie „billigste Schlusspointe“ aufstellen. Also: Ich muss los nach Wien-Mitte. Ein bisschen herumstehen und schauen.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2012)

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